Ganz schön teuer
Eine Untersuchung des TÜV Rheinland hat ergeben, dass jedes neu gebaute Haus im Schnitt zehn Mängel aufweist. Der Streit darüber, wer für die entstandenen Fehler geradestehen muss, landet oft vor Gericht. „Bei der Mängelbeseitigung sind in der Regel die Folgen des Mangels und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit entscheidend“, sagt Schwäbisch Hall-Rechtsexperte Stefan Bernhardt. In der Praxis reicht das Spektrum von „Kein Recht auf Nachbesserung“ bis zur Neuherstellung, wie Bernhardt anhand von vier Beispielen aus der aktuellen Rechtsprechung zeigt. In einem vom OLG Celle (Az. 16 U 97/15) entschiedenen Fall war bei einer Dachsanierung mit Einbau einer Wärmedämmung so schlampig gearbeitet worden, dass Wärmebrücken auftraten. Außerdem wurde die Dampfbremse fehlerhaft verklebt und die vertraglich vereinbarten Spalierleisten zur Fixierung der Wärmedämmung nicht angebracht. Ein gerichtlich beauftragter Sachverständiger stellte erhebliche Wärmeverluste und die Gefahr von Schimmelbildung fest. Eine fachgerechte Mängelbeseitigung sei nur von außen durch Abdeckung des Dachs und komplette Neuerstellung möglich. Das war der Pfuschfirma zu teuer – sie bot stattdessen eine Nachbesserung von innen zu einem Drittel der Kosten an. Das OLG Celle folgte dagegen dem Sachverständigen und entschied: alles neu. In ihrer Urteilsbegründung verwiesen die Richter auf die Rechtsprechung des BGH. Demnach liegt eine Unverhältnismäßigkeit nur dann vor, wenn einem objektiv geringen Interesse des Hauseigentümers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher – und daher vergleichsweise unangemessener – Aufwand gegenübersteht. Davon könne in diesem Fall keine Rede sein. Viel versprochen, wenig gehalten Wer am Bau viel verspricht, muss dies auch halten können, stellte kürzlich das OLG Brandenburg klar (Az. 11 U 86/15). Der Besitzer eines Einfamilienhauses hatte dieses von einem örtlichen Dachdeckerbetrieb neu eindecken lassen. In ihrem Angebot hatte die Firma geschrieben, Sturmwinde und Hagel könnten die dafür verwendeten Metalldachpfannen nicht zerstören, und die Werbeaussage des Herstellers zitiert: „Sturm- und hagelsicher wie kaum ein anderes Dach“. Doch schon nach dem ersten Unwetter zählte der Eigentümer rund 600 Beulen auf seinem Dach. Die Dachdeckerei wollte von einer Schadensbehebung jedoch nichts wissen: Das Dach sei schließlich nicht zerstört worden. Dass ein so starker Hagelschlag Spuren hinterlasse, müsse auch einem Laien klar sein. Das sah das Gericht anders und verurteilte die Firma dazu, die Kosten für ein neues Dach zu übernehmen. Die berechtigte Erwartungshaltung sei, dass Hagelschlag den Dachpfannen „nichts anhaben kann“. Das bedeute, dass Hagel weder zu einer optischen Verschlechterung noch zu einer kürzeren Lebenserwartung des Daches – die ein Sachverständiger festgestellt hatte – führen dürfe. DIN-Normen sind Mindeststandard Glück im Unglück hatte ein Bauherr, der bereits im Rohbau gravierende, die Standsicherheit gefährdende Mängel feststellte. Er klagte daraufhin auf Schadenersatz in Höhe der Kosten für Abriss und Neubau von fast 300.000 Euro. Der vom Gericht bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein Teil der Mängel auf die Verwendung nicht zugelassener und daher nicht den DIN-Normen entsprechenden Materialien zurückzuführen war. Er vertrat jedoch auch die Ansicht, dass die Mängel nachgebessert und mit einem Preisnachlass abgegolten werden könnten. Aus diesem Grund wies die erste Instanz die Klage ab. Der Bauherr ging sodann in Berufung und hatte vor dem OLG Köln Erfolg (Az. 16 U 63/15). Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die potenziellen Gefahren für Statik und Standsicherheit so groß seien, dass trotz der hohen Kosten ein vollständiger Abriss und mängelfreier Neubau nicht unverhältnismäßig sei. Zudem sei ein Verstoß gegen DIN-Normen auch ohne Eintritt eines konkreten Schadensfalles ein Mangel. Anspruch auf Schadenersatz nicht leichtfertig verwirken Bernhardt weist auf zwei Kardinalfehler hin, mit denen sich Bauherren in ihrem verständlichen Ärger über Pfusch leichtfertig ganz oder teilweise um ihren Anspruch auf Schadenersatz bringen können: „Ein solcher Anspruch setzt zwingend eine Fristsetzung zur Nachbesserung voraus. Gibt der Bauherr dem Auftragnehmer keine zweite Chance, ein mängelfreies Werk abzuliefern, kann er alle Ansprüche auf Schadenersatz verlieren und auf den gesamten Kosten der Mängelbeseitigung sitzenbleiben.“ Dies bestätigen diverse Gerichtsurteile, etwa vom OLG Frankfurt am Main (Az. 15 U 17/14). „Ist die Pfuschfirma zu einer Nachbesserung nicht gewillt oder in der Lage und beauftragt der Bauherr ein anderes Unternehmen, so hat er darzulegen, dass die entstehenden Kosten ausschließlich der Mängelbeseitigung dienen“, so der Schwäbisch Hall-Experte.