Krankes Gesundheitssystem - Teil 5
»Das Problem ist: Wir haben eine Ahnung - oder auch nicht, was mit unseren Beiträgen für das Gesundheitssystem passiert. Und wir haben das Gefühl, dass die Versorgung der Bevölkerung zunehmend schwieriger wird«, mit diesem Prolog eröffnete Moderatorin Johanna Müller eine Diskussionsrunde im Rahmen der Initiative „Lisa-Café“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Senftenberg. Hier sollten Fachleute erörtern, wie es um die Versorgung der Bevölkerung in Betreuungs- und Gesundheitsfragen bestellt ist. In der Einladung hieß es: »In allen Bevölkerungsschichten ist eine allgemeine Unzufriedenheit zu vernehmen. Aber stimmt alles, was auf dem Markt, in Wartezimmern oder in Gesprächen mit Nachbarn gesagt wird?« Dies darzulegen oblag Karl-Heinz Kaiser, Vorstandsvorsitzender vom Gerontopsychiatrisch-Geriatrischer Verbund OSL e.V., Amtsarzt Dr. Klaus Bethke, Pflegewirtin Cornelia Wagner, Dipl.-Ing. oec. (TU) Andreas Bernhardt, Kreisgeschäftsführerin DIE LINKE Diana Tietze und der Apothekerin Silke Karich. »Südbrandenburg ist geprägt durch das Gefühl eines vorherrschenden Ärztemangels« beginnt Andreas Bernhardt seine Ausführungen. »Dabei gibt es einen Unterschied zwischen dem gefühlten und dem tatsächlichen Ärztemangel.« So gibt es laut Bedarfsplan in Senftenberg und Großräschen 30 Stellen für Hausärzte, von denen nur 2 Stellen unbesetzt sind. Bei Kinderärzten sei die Situation in Senftenberg eine Katastrophe, so die Meinung in der Bevölkerung. Offiziell jedoch ist Senftenberg mit Kinderärzten sogar mit 203 Prozent überversorgt. Dementsprechend sind neue Ärzte für die Zulassung gesperrt. Also alles in Ordnung, trügt das Gefühl des Ärztemangels? Mitnichten. Und Andreas Bernhardt hat dafür eine einfache Erklärung: »Wir reden von der Bedarfsplanung. Dieses Wort allein ist völlig falsch. Es geht aber vielmehr um die Kassenlage. Was hier passiert, hat mit Bedarfsplanung gar nichts mehr zu tun.« Amtsarzt Dr. Klaus Bethke über die Situation im stationären Bereich: »Das Klinikum Niederlausitz ist der größte Versorger der Region. 120 Ärztestellen sollte es geben, 100 Stellen sind tatsächlich besetzt, davon sind 40 Kollegen ausländischer Herkunft. Dass wir diese Kollegen haben, ist ein Segen, aber sie bringen auch Probleme durch ihre Sprache und ihre nicht abendländische Kultur mit.« Ein weiteres Problem sieht der Amtsarzt darin, dass in Brandenburg als einzigem Bundesland keine Ärzte ausgebildet werden. Pflegewirtin Cornelia Wagner über die Situation im Umland: »Gerade in Städten wie Ortrand ist die Situation sehr schwierig. Der Personalmangel nimmt stetig zu, sowohl bei der ambulanten-, als auch bei der stationären Pflege. Daher nehmen wir mit Verwunderung zur Kenntnis, wenn Spahn sagt, wir schaffen 8.000 Stellen. Ach nein, wir schaffen 15.000 Stellen. Wo sollen die denn herkommen?« »Wir haben einen Pflegenotstand und ich bin geneigt zu sagen: Wir stehen vor einem Kollaps«, pflichtet Diana Tietze (LINKE) bei. Schlechte Entlohnung, fehlende Menschlichkeit und Anerkennung der Leistungen machen den Job laut Tietze unattraktiv. »Das Problem des Personalmangels ist bei den Apotheken noch nicht angekommen«, erklärt Silke Karich, Chefin der Marien-Apotheke Senftenberg ihre Situation. »Doch auch wenn es noch nicht akut ist, es wird akut werden. Der Nachwuchs fehlt aber nicht nur bei den Apothekern, auch bei den Pharmazeutisch-technischen Assistenten. Wer Fachkraft werden will, muss erst mal zurück zu den Eltern, denn wie bitte soll man während der 2,5 Jahre Ausbildung ohne Geld leben?«