

In einer Stadt mit bewegter Geschichte sind Nutzungsänderungen öffentlicher Gebäude nicht selten. In Cottbus wurde aus dem Landratsamt die Bezirksleitung der SED, dann das Arbeitsamt und schließlich ein Bürohaus. Ins Gemeindehaus in der Bahnhofstraße zogen erst ein Lazarett, dann die jungen Techniker und nun die Stadtverordneten ein. Ähnlich bewegt ist auch das Schicksal eines Baukomplexes in der Wernerstraße, der heutigen Kammerbühne. Die Vorgeschichte des früheren Hauses der Bauarbeiter, so der ursprüngliche Name, ist schwer nachvollziehbar. Der Bau wurde nicht angekündigt. Heute übliche Erste Spatenstiche, Grundsteinlegungen oder Richtfeste, alles Lieblingsbeschäftigungen für Kommunal- und Landespolitiker, fanden nicht statt. Das Haus war 1967, vor 50 Jahren, einfach da. In der Presse taucht der Neubau erstmalig im März auf, als über die Bezirksdelegiertenkonferenz der SED berichtet wurde, die im „neuerbauten Haus der Bauarbeiter“ stattfand. Zwei Tage später gab es genauere Informationen durch die Lausitzer Rundschau: „Unser Stadtzentrum hat seit einigen Tagen einen neuen Anziehungspunkt – das Haus der Bauarbeiter. In knapp einjähriger Bauzeit wurde dieses moderne Objekt errichtet. In der großen Halle des Hauses finden zwischen 800 und 850 Personen Platz. Eine technisch hochqualifizierte Einrichtung - so verfügt das Haus über eine Hebebühne – ermöglicht es, die verschiedenartigsten Veranstaltungen durchzuführen.“ Das Haus wurde vermutlich als sogenannte „Zusatzproduktion“ durch die Cottbuser Baukombinate errichtet und besaß durchaus Ähnlichkeit mit einem Industriebau. Es hatte seine Entstehung auch dem Abriss der Stadtsäle in der Roßstraße zu verdanken. Dort gab es ca. 800 Sitzplätze. Die sollten wohl ersetzt werden. Der scheinbar überdimensionierte Küchentrakt hatte seine Ursache darin, dass mit dem neuen Haus gleichzeitig ein Versorgungsstützpunkt für Großveranstaltungen geplant war. Beim Pioniertreffen 1970 war es dann auch eines der zentralen Objekte. Allmählich gewöhnten sich die Cottbuserinnen und Cottbuser an das neue Haus. Der Bezirkstag, die Stadtverordneten und die Parteisekretäre trafen sich hier. Herbert Roth und Frank Schöbel traten auf. Günter Künzel legte Schallplatten auf. Die Boxwettkämpfe aus den Stadtsälen zogen hierher um und die Jugendweihlinge sprachen hier ihr Gelöbnis. Im Jahr 1971 gab es im HdB, so die Kurzbezeichnung, ein internationales Tischtennisturnier und 1974 die Bezirkskunstausstellung. Die Zeit als multifunktionaler Veranstaltungsort endete nach gut zwölf Jahren. Ende der Siebzigerjahre hatte sich der bauliche Zustand des Theaters am Schillerplatz soweit verschlechtert, dass die Hauptinstandsetzung nicht mehr aufzuschieben war. Als Interimsspielstätte kam nach Lage der Dinge nur das Haus der Bauarbeiter in Frage. Ab 1980 begann der Umbau. Notwendig waren die Neugestaltung der Bühne sowie der Einbau von Orchestergraben, Künstlergarderoben und Sanitärräumen. Nach knapp zwei Jahren hieß es in der Tageszeitung: „Verdis Oper ‚Aida‘ im Haus der Bauarbeiter – Werner Walde Gast der Premiere – Zeitweilige Spielstätte eröffnet“. Die Cottbuser Theaterfreunde erinnern sich gern an die folgende Zeit. Im Haus der Bauarbeiter und in der alten Kammerbühne in der Wilhelm-Külz-Straße wehte in diesen Jahren die Luft der Peristroika. „Franziska Linkerhand“, „Die Preußen kommen“ und „Die Neuen Leiden des jungen W.“ widerspiegelten, im Gegensatz zur Tagespresse, die Gefühlswelt der Menschen in der DDR. Nach der Wiedereröffnung des rekonstruierten Großen Hauses stand die Frage der weiteren Verwendung des Hauses der Bauarbeiter. Sollte das Gebäude als Kinder- und Jugendtheater die dritte Spielstätte des Stadttheaters oder doch zum Kulturhaus zurückgebaut werden? Letztlich begann ab 1987 ein erneuter Umbau. Das HdB wurde Bestandteil des Cottbuser Veranstaltungszentrums. Matthias Zickora, damals Chef der Einrichtung, erinnert sich: „Geplant war ein Zentrum, in dem kulturelle Aktivitäten nach dem Vorbild der Industriekombinate gebündelt werden konnten. Dazu gehörten neben dem HdB das Stadtkabinett für Kulturarbeit, die Jugendklubs, das Klubhaus der Jugend, die Freilichtbühne im Blechenpark und die Märkte, die von hier aus koordiniert werden sollten.“ Nach der politischen Wende suchte die Kulturverwaltung nach neuen Nutzungsideen. Gedacht war an eine Heimstatt der Vereine. Das Ensemble Freundschaft tanzte hier. Den ersten Neujahrsempfang der Stadt Cottbus 1991 eröffnete OB Kleinschmidt in der Wernerstraße. Als jedoch Ende der Neunziger die alte Kammerbühne an die Loge zurückübertragen wurde, entschied sich die Stadt, das Haus wieder als Spielstätte für das Staatstheater zu nutzen. Mit Goethes „Clavigo“ wurde das Haus der Bauarbeiter 1999 endgültig zur Kammerbühne des Theaters. Und am 23. September diesen Jahres, einen Tag vor der Bundestagswahl, kann sich der geneigte Theaterbesucher bei der Premiere von Schillers „Wilhelm Tell“ möglicherweise Anregungen für seine Wahlentscheidung holen.