Am 1. Juli 1990 trat die »Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik« in Kraft. Die Stadt-und Kreissparkasse Cottbus, die Stadtverwaltung und die Polizei realisierten den Währungstausch organisatorisch professionell und fast geräuschlos. Aus der ganzen DDR wurden 4 500 t Münzen eingeschmolzen und 300 Güterwaggons mit Papiergeld in unterirdischen Stollen entsorgt. Allein am 1. Juli zahlte die Sparkasse 21 Millionen DM an die Cottbuser aus.
Diese hatten nun die begehrten bunten Scheine in der Hand. Nicht alle waren damit glücklich. Die ausländischen Vertragsarbeiter ahnten ihr Schicksal wohl schon vor dem Stichtag 1. Juli. Für sie begann eine unsichere Zeit. Der »Mohr« hatte seine Schuldigkeit getan, er konnte gehen. Erste Betriebe stellten Anträge, ihre ausländischen Mitarbeiter entlassen zu dürfen. Die Lausitzer Rundschau zitierte Vietnamesen: »Wir stoßen auf Unfreundlichkeit, oft auch auf Feindlichkeit. Man will uns nicht mehr!« Die ausländischen Arbeitskräfte behandelte man in der DDR ohnehin nicht besonders zuvorkommend. Offizielle Empfänge und Freundschaftstreffen täuschten nicht darüber hinweg, dass Integration nicht stattfinden sollte. Nach der Wende und der beginnenden Arbeitslosigkeit schlug ihnen offene Ablehnung entgegen.
Cottbuser auf Reisen
Die DDR-Bürger erlebten früher im Ausland, auch bei den sozialistischen Freunden, schmerzliche Diskriminierungen. Am Plattensee und am Schwarzen Meer standen die Cottbuser mit der nicht konvertierbaren DDR-Mark oft dumm da. Jetzt, im Sommer 1990, machten sie sich auf, die Welt zu entdecken. Eine Reisegruppe von Lehrern und Abiturienten einer Cottbuser Erweiterten Oberschule starte Anfang Juli, ausgestattet mit DM und Lira, in das Sehnsuchtsland Italien. Die nächtliche Alpenüberquerung erfolgte im Bus. Der Cottbuser Fahrer verpasste auf der Stadtautobahn in Rom die Abfahrt. Mit acht Stunden Verspätung erreichte die Truppe dann die Amalfiküste, sah den Sonnenaufgang über Capri und den Vesuv im Morgendunst. Trotz der spartanischen Unterkünfte in alten Wohnwagen war es eine Traumreise mit den Uffizien von Florenz als Höhepunkt.
Eine Welle klapprigen Gebrauchtwagen ergoss sich in den folgenden Wochen über die Noch-DDR. Auf den Straßen standen nun die angerosteten VWs und Opels. Und die Wälder rund um Cottbus waren voll mit illegal entsorgten einheimischen Autos. Dumm dran waren jene, die vorher noch die neuen, teuren Modelle von Trabant und Wartburg gekauft hatten. Zeitungsüberschriften wie: »Wohnen bald doppelt so teuer!« und Gerüchte über die neuen Renten- und Krankenkassenbeiträge trugen ebenfalls zur Verunsicherung bei. Und man musste kein studierter Ökonom sein, um zu wissen, dass Teile der Cottbuser Industrie und der Wirtschaft des Bezirkes Cottbus nach Einführung der DM schnell zusammenbrechen würden.
Der Boykott der eigenen Produkte
Die Cottbuser arbeiteten vor 1989 im Kraftwerk Jänschwalde, in den Tagebauen, im Textilkombinat, im RAW, im Automatisierungsanlagenbau (AAC) und in etlichen kleinen Maschinenbaubetrieben, in der Möbelindustrie und in den kommunalen Betrieben. Die sozialen Vorzüge der volkseigenen Betriebe, die Betriebspolikliniken und die Kinderbetreuung, die Betriebsküchen und die Ferienlager, Kulturhäuser und der Ökulei, das alles minderte die Wettbewerbsfähigkeit. Mit der DM-Einführung endete dann der Tauschhandel von industriellen DDR-Produkten gegen Rohstoffe aus der Sowjetunion oder China. Hinzu kam, dass die Menschen nach dem 1. Juli im Einzelhandel nach Westprodukten suchten und quasi ihre eigenen Erzeugnisse boykottierten. Der ehemalige Vorzeigebetrieb TKC ging wenige Wochen nach der Währungsumstellung in die sogenannte Kurzarbeit Null, stellte also die Produktion ein. Andere Firmen folgten.