„Pflanzen sind wie kleine Hunde, du musst sie streicheln“
Es war ein langer Kampf. Am frühen Nachmittag des 2. Februar verlor Erika Krause (92) ihn. Die TV-Legende („Du und dein Garten") litt seit zehn Jahren an einer schweren Alzheimer-Erkrankung. „Es klingt im ersten Moment herzlos, wenn man über einen Verstorbenen sagt, der Tod war für ihn eine Erlösung", seufzt Schwiegersohn Gerd Fleischer (73). „Erika konnte zwar die letzten sechs Jahre nicht mehr sprechen, aber in ihren Augen war zu lesen, dass sie wohl unter unsäglichen Schmerzen gelitten haben musste." Nur dank ihrer starken Physis hatte die einst so starke Frau schon vier Jahre vorher eine schwere Darm-OP und Monate später eine Lungenentzündung überstanden." Rückblick: Erika Krause konnte es einfach nicht lassen! Statt ihre Rente im eigenen Garten in Markkleeberg bei Leipzig zu genießen, tourte die Gärtnerin der Republik mit 79 Jahren noch von einer TV-Produktion zur anderen. Seit 1968 sahen Millionen Fernsehzuschauer 465 Folgen ihrer zuletzt im MDR laufenden beliebten Ratgeber-Sendung „Du und dein Garten". Wer damals dachte, Omi hat jetzt Zeit für ihr 1.000-Quadratmeter-Grundstück mit Blumen und Obstbäumen, irrte gewaltig. Die gebürtige Coswigerin war außerdem landauf, landab mit ihrem Buch „Du und dein Garten – durchs Gartenjahr mit Erika Krause" in Gartensparten und Bauernmärkten unterwegs. Vor Ort machte sie Lesungen, gab ihren Fans wertvolle Tipps zur Aussaat von Sommerblumen, zum Pflanzen und Verschneiden von Gehölzen oder Anlegen eines Komposthaufens. So verriet Erika vor 13 Jahren am „Tag des Kleingärtners" im Sächsisch-Böhmischen Bauernmarkt in Röhrsdorf erstmals auch ihr ganz privates Gartengeheimnis. „Ich rede täglich mit den Blumen", sagte sie, „dann wachsen Orchideen und Forsythien prächtiger, bilden größere Blätter und Blüten." Und die verdutzten Laubenpieper lauschten weiter andächtig: „Pflanzen sind wie kleine Hunde, brauchen regelmäßig Streicheleinheiten. Immer, wenn ich zärtlich über Stängel und Blätter streiche, strömt plötzlich ein wohliges kribbeln durch meine Finger." Erika konnte aber auch anders! Als ihr Kirschbaum pardu keine Früchte tragen wollte, schnauzte sie ihn an: „Wenn du nicht spurst, hole ich die Säge!" Das wirkte, im nächsten Jahr hingen die Äste voller prächtiger Kirschen. Doch als 2004 sie und ihr Lebenswerk von heute auf morgen aus dem Programm genommen wurden, erinnert sich Tochter Petra Fleischer (71), ging es mit ihrer Gesundheit steil bergab. „Sie fing plötzlich an, vergesslich zu werden, wusste nicht einmal mehr, dass sie ein Fernsehstar war." Dann musste mehrmals der Schlüsseldienst gerufen werden, weil Erika nicht wusste, wo sie den Hausschlüssel hingelegt hatte. Als sie auf dem Parkplatz eines Garten-Centers ihren alten Lada nicht mehr wiederfand, machte die besorgte Tochter für ihre Mutter einen Termin in einer Leipziger Klinik aus. Dort wurde sie kurze Zeit später mit der furchtbaren Diagnose Alzheimer konfrontiert. „Wir besorgten unserer Mutter daraufhin ein schönes Appartement im Seniorenstift am Zeuthener See, mit Balkon und 24-Stundenbetreuung", berichtet Gerd Fleischer, „sie brauchte ja professionelle Pflege." Beim ersten Besuch, es war ein sonniger Frühlingstag, stand Erika Krause auf dem Balkon, lachte und rief: „Willkommen in meinem Haus!" Ihre Augen leuchteten, die Lippen waren knallrot geschminkt. Während des Spaziergangs im Park gingen sie an Birken, Krokussen und Osterglocken vorbei. Die Namen der Pflanzen? Die bekannteste Gärtnerin der DDR zuckte bloß noch hilflos mit den Schultern. Dann sagte sie plötzlich: „Ich habe bald etwas ganz Verrücktes vor, ich will Blumen auf meinen Balkon pflanzen." Die ehemalige Gartenfee des Ostens sah total glücklich aus. Und merkte dabei nicht, wie ihr Leben anfing, langsam zu verblühen... Erika Krause findet ihre letzte Ruhe auf dem idyllischen Waldfriedhof an der Wuhlheide in Berlin-Köpenick. Das Urnengrab liegt im Schatten knorriger Eichen, wird bedeckt mit einem Strauß fliederlila-farbener Semikaktus-Dahlien. „Es sind die nach ihr benannten Lieblingsblumen meiner Mutter", erzählt Petra Fleischer mit bewegter Stimme. Hans Jancke Fotos: privat