Die Kunst des Schlichtens
»Mit meinem Nachbarn kann man nicht vernünftig reden.« Ein Satz, den Jens Schuster in diesem Jahr gelegentlich zu hören bekam. Schuster ist ehrenamtlicher Friedensrichter in Radeberg. Bei ihm melden sich Menschen, die mit ihren Nachbarn im Clinch liegen. Etwa weil Äste vom Baum nebenan an der Grundstücksgrenze immer höher wachsen oder die Einfahrt zugeparkt ist. Da ist es dann irgendwann genug, wendet man sich an die örtliche Schiedsstelle, stellt einen Antrag auf Eröffnung eines Schiedsverfahrens, wird der Antragsgegner vom Friedensrichter zum Schlichtungsgespräch eingeladen. Die Kosten für den Antragsteller liegen, je nachdem wie komplex der Fall ist, zwischen zehn und 50 Euro.
Möglichst selbst zu einer Einigung kommen
Schuster lädt die Konfliktparteien zu einem gemeinsamen Termin ins Rathaus ein. Erscheinen ist Pflicht – wer nicht kommt, riskiert ein Ordnungsgeld. Bei der Verhandlung – Dauer zwischen 60 und 90 Minuten – hält sich der Friedensrichter zurück. Das Ziel: Die Streitparteien sollen miteinander in Kontakt und nach Möglichkeit selbst zu einer Einigung kommen. Gelingt das, ist seine Arbeit getan. Solche Fälle hatte Radebergs neuer Friedensrichter – er ist seit Anfang vorigenJahres im Amt – einige. Insgesamt waren neun Fälle, in denen der schlichten musste. Ein Großteil davon waren »Tür-und-Angel-Fälle«. Dabei leistet der Friedensrichter eine unverbindliche Beratung, vor allem bei Problemen in der Nachbarschaft oder am Gartenzaun. Er trifft sich mit den Kontrahenten auch selbst mit vor Ort, um sich einen Eindruck von der Lage zu verschaffen. In Gesprächen mit den Kontrahenten gilt es dann auszuloten, ob und wie eine Einigung erreicht werden kann. 70 Prozent der Streitparteien sind auf Ausgleich bedacht, einigen sich. In Gesprächen, die festgefahren sind, kann Schuster auf das setzen, was ihm in seinem Beruf als Schulreferent hilft, um Menschen wieder zueinander zu führen: Menschenführung, Mediation und Streitschlichtung.
Stelle fast ein Jahr unbesetzt
Die Bilanz nach einem Jahr als Friedensrichter fällt für Schuster jedoch ernüchternd aus. »In der wöchentlichen Sprechstunde, die ich montags angeboten habe, war ich die meiste Zeit alleine. Kam einfach niemand.« Im neuen Jahr wird er diese Sprechstunden im Rathaus vorerst nicht mehr durchführen.
Bevor Schuster, der mit seinen 36 Lebensjahren zu den jüngsten Friedensrichtern in der Region gehört, diese Tätigkeit übernahm, war diese Stelle fast ein ganzes Jahr unbesetzt gewesen. Schuster, der mit seiner Familie in Radeberg lebt, hatte sich um dieses Amt beworben, weil »ich mich gesellschaftlich mehr engagieren wollte«. Er ist in Radeberg erst der dritte Friedensrichter, der seit der Wende diese Position ausfüllt. Und der bisher jüngste, der in der Stadt dieses Amt ausübt. Als Nachteil betrachtet er das nicht. Im Gegenteil: »So bin ich näher an den jüngeren Generationen dran.« Allerdings: Deren Vertreter trifft er in seinen Sprechstunden kaum, dort dominiert zumeist die 50plus Generation. Wenn es klappt, könnte Schuster im kommenden Jahr Verstärkung bekommen. In der Stadtverwaltung soll demnächst die Stelle des stellvertretenden Friedensrichters ausgeschrieben werden. »Wäre toll, wenn sich jemand fände«, meint er. Zum einen, weil der oder diejenige ihn vertreten könne, wenn er mal im Urlaub sei. Auf der anderen Seite wäre es nicht schlecht, wenn sein Stellvertreter der Best-Ager-Generation angehörte. Zwei Friedensrichter unterschiedlichen Alters, das sei doch eine gute Kombination, um Streitfälle aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, so der 36-jährige Radeberger.
Wer sich eine solche Stellvertreter-Tätigkeit vorstellen könne, der könne sich jedenfalls gerne bei ihm melden.
Kontakt unter Tel. 01515/536 94 48 oder per E-Mail an jens.schuster@friedensrichter.de