Jan-Josef Liefers und Radio Doria mit der "Nahaufnahme"
Ein Ihr seid momentan wieder auf Tour – wie bekommt euch das Reisen, das Live-Spielen vor Publikum? Jan Josef Liefers (JJL): Wir sind schon viele, viele Jahre unterwegs, seit 2002 ungefähr. Vor zwei Jahren haben wir zum ersten Mal den Nightliner in unser Repertoire aufgenommen, was eine grandiose Entscheidung war. Ich muss zugeben, dass ich immer Schiss davor hatte, zusammen in so einem Bus zu schlafen und so. Schließlich ist es nicht unwichtig, dass man auch mal zur Ruhe kommt. Aber ich finde daran z.B. gut, dass wir dadurch inzwischen rund um die Uhr mit unserer Crew zusammen sind. Auch wenn unsere Arbeitszeiten nach wie vor unterschiedlich sind, trifft man sich doch zumindest einmal am Tag dort – im Bus: tauscht sich aus, hat Spaß zusammen, trinkt einen, isst was, daddelt... das empfinde ich als sehr angenehm. Gunter Papperitz (GP): Näher kann man sich eigentlich nicht kommen auf Tour. ...und „NAH“ ist auch das Stichwort für die Konzerte, die für 2020 geplant sind. Nähe untereinander also, aber auch Nähe zu den Fans, Intimität – das sind die entscheidenden Stichworte, richtig? JJL: Also was das Live-Spielen allgemein angeht, hat mir von Anfang an besten gefallen, dass jeder Abend so ein Unikat ist. Was nicht nur damit zu tun hat, dass wir nicht jeden Tag gleich sind. Es hat auch damit zu tun, dass unsere Leute, unser Publikum da draußen nicht jeden Tag die gleichen sind. Das macht mir eigentlich den größten Spaß: Dieses nicht noch mal wiederherstellbare, einzelne Ereignis zu feiern, das ist für mich das Größte daran. Mich ärgert es auch nicht, wenn ein Ton danebenliegt oder mir mal kurz der Text fehlt; das ist alles egal. Denn diese Energie, die in dem jeweiligen Moment entsteht, auf diesem kleinen Platz Erde, wo wir da gerade sind, die ist wie ein Elixier. Studio ist auch schön, wenn wir die Platten aufnehmen, aber ich bin lieber auf der Straße. Man merkt, dass euch dieser allabendliche Annäherungsprozess Spaß macht. JJL: Wir haben auch einfach gemerkt, dass es Dinge gibt, die uns besonders liegen. Das sagen auch unsere Crew-Leute zum Beispiel: Dass oftmals diese akustischen Inseln in so einem Programm bei anderen Bands gar nicht so gut klappen. Wir haben im Laufe der Jahre gemerkt, dass das bei uns umgekehrt ist: Die Leute, die zu uns kommen, mögen sehr, dass wir nah an sie ranrutschen – und wir mögen’s auch. Und wenn’s schon beide Seiten mögen, offensichtlich, warum machen wir’s dann nicht mal richtig?! Und das ist das, was wir im nächsten Jahr wollen: Diesen Abstand, diese frontale Situation zwischen Zuschauerraum und Band noch mehr zu reduzieren. Und auch mit Sachen Musik zu machen, mit denen wir früher keine Musik gemacht haben. Wir haben so verrücktes Zeug inzwischen gefunden und freuen uns darauf, das auszuprobieren, wenn wir dann im nächsten Jahr in die Proben gehen für diese nächste Konzert-Rutsche... womit man alles Geräusche und Musik machen kann! Das ist auch so ein Werkzeug auf dem Weg, näher an die Leute ranzukommen. Also alles handgemacht, kein Schnickschnack? GP: Genau, deutlich reduziert im Vergleich zum letzten Jahr, wo wir mit Videoleinwand und Co. unterwegs waren. Das war total toll, das mal gemacht zu haben – aber jetzt wollen wir quasi genau das Gegenteil machen. Für uns Musiker ändert sich damit alles: Je größer nämlich die Produktion ist, desto mehr muss man auf dem Gleis bleiben, das mit dieser Produktion vorgegeben ist. Bei den Konzerten im nächsten Jahr geht es nun aber gerade nicht um diese Perfektion, sondern eher um neue Sollbruchstellen gehen: Wichtig ist da eher, wie wir als Musiker in diesen 18 Jahren zusammengewachsen sind. Wir können in so einem intimeren Rahmen zum Beispiel wieder viel mehr aufeinander und auch auf das Publikum reagieren. Sachen ausdehnen und länger spielen. Einfach die Klänge an dem Abend entstehen zu lassen, anstatt sie bloß abzurufen. JJL: Das ist der Plan. Und wir haben ja auch nicht so die Erwartungshaltungen wie z.B. Pink Floyd oder Rammstein oder so. Bands, die sich sagen, „unter 26.000 Kilo Schwarzpulver und Dynamit machen wir es nicht“ – diese Erwartungen gibt es bei uns nicht. Bei uns gibt’s eigentlich nur die Erwartung, dass es ein schöner Abend wird. Da kommt niemand und sagt: „Ach, das finde ich jetzt aber schade, dass dieses 3D-animierte Video heute nicht läuft.“ Bei uns ist da eigentlich alles offen, und wir wären ja blöd, wenn wir diese Freiheiten nicht auch nutzen würden. Weniger ist mehr als nächster Schritt also? JJL: Ja, genau, weitermarschieren heißt manchmal auch, gerade nicht die volle Technik an den Start zu bringen. Auch physiologisch betrachtet ist es eine interessante Erfahrung, Musik mit programmierten Beats mit von Hand gespielter Musik zu vergleichen. Das ist auf jeden Fall ein anderes Erleben, und wir machen ja Musik für Menschen und nicht diese maschinelle Form von Unterhaltung. Wenn man sich heute eine große Show in einer großen Halle anschaut, was da für ein Lichtgewitter ist und was da alles mitfliegt akustisch, um ein Ereignis zu schaffen... Vielleicht ist das auch eine Altersfrage, vielleicht vertraut man irgendwann auch einfach mehr auf sich und sagt, „mach doch mal nicht das große Gewitter, sondern versuch’s doch mal mit dir selbst.“ Je älter man wird, desto weniger Angst hat man, dass jemand sagen könnte, „uh, das reicht ja gar nicht. Wo sind denn die Stroboskoplampen?“ Die ersten neuen Songs, die es schon gibt, sind ja zum Teil während einer Reise nach Mallorca entstanden. Ein ganz anderer Ort als z.B. der Iran, in den ihr auch schon geflogen seid. Sind weitere Exkursionen geplant? GP: Ein konkretes Ziel für diese Reise zum nächsten Album haben wir aktuell noch nicht gebucht. Momentan haben wir nur eine vage Vorstellung davon, wo’s hingehen soll: Das soll organisch klingen, von Hand gemacht sein. Es sollen Songs sein, die das Publikum mitnehmen – wobei das auch viel damit zu tun hat, an so einem Abend etwas entstehen zu lassen, was es vielleicht vorher noch gar nicht gab. Und dass es bei uns solche konzentrierten Schreibphasen gibt, ist auch der Tatsache geschuldet, dass jeder von uns, also nicht nur Jan, auch noch andere Dinge zu tun hat. Wenn wir dann wieder zusammenkommen, dann muss es auch passieren – und wir sind auch gewohnt, dass es dann passiert. Dann bringt jeder was ein, jeder hat eine Idee... JJL: Bei uns ist es ja nicht wie etwa bei den Beatles, wo McCartney und Lennon eigentlich alle Songs geschrieben haben; bei uns schreiben alle. Jeder ist kreativ. Und wenn du vier oder fünf kreative Leute an einem Ort zusammenbringst, und der Kühlschrank ist voll und es gibt was zu trinken, und man kocht was, und so – dann ist es unmöglich, dass nach einer Woche nichts dabei herausgekommen ist. Das geht gar nicht anders. Wir werden uns also auf jeden Fall wieder aus unserem Alltag ein wenig zurückziehen: Zusammen irgendwo hingehen, und dann geht einer einkaufen, einer macht ’ne Flasche Rotwein auf, einer steckt schon mal das Mikrofonkabel rein, und dann ist irgendwann das Setup da... und dann geht’s eigentlich auch gleich los. Ich find’s herrlich so. Überhaupt stellt ihr dieses klassische Zyklusdenken gewissermaßen auf den Kopf: Bei euch kommt nicht unbedingt zuerst ein Album, das dann auf Tour mitgenommen wird. GP: Bei uns lief das eigentlich schon immer andersrum, dass wir nicht zuerst an das Album gedacht haben, und dann die Live-Umsetzung kam. Als wir angefangen haben, unser erstes eigenes deutsches Album zu schreiben, hatten wir genau genommen gar kein Album im Kopf, nein, wir haben Lieder geschrieben, um eine neue Bühnenshow zu machen! Es ging darum, nachdem wir ganz lange Sachen gecovert hatten, jetzt endlich mal eigene Sachen zu machen. Dann erst kam plötzlich das Angebot, ein Album zu veröffentlichen. Alles beginnt also auf der Bühne. GP: Ja, und dadurch, dass wir mit Jan ja nun mal so einen bombastischen Theaterschauspieler haben, der auf der Bühne – live, vor Publikum – ganz hervorragend funktioniert und die Leute unterhält und einfach so „da ist“, haben wir das von Anfang an so gemacht. Jan hat ja auch super Ideen, was z.B. die Umsetzung betrifft. Das war von Anfang an unsere Mitte: Dass wir live spielen wollten und dafür uns Dinge ausgedacht haben. JJL: Ich finde, dass einem am meisten einfällt, wenn man sich eine kleine Begrenzung setzt. Wenn jemand sagt, „Du kannst alles machen“, dann fällt einem nichts ein; wenn man aber sagt, wir kreisen um ein bestimmtes Thema, dann geht das viel besser. Bei „Soundtrack meiner Kindheit“ war’s so ein bisschen meine Kindheit und Jugend in der DDR, über die wir erzählt haben, aber nicht nur mit Worten, sondern vor allem auch mit Musik. Dann gab’s „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“, die so eine schlaflose Nacht als Vorstellung hatte – nachts, wo alles anders aussieht, alle Schatten viel länger sind; was einen bedrückt, wird zehn Mal so groß, aber auch alles, was einen erfreut, wird zehn Mal so groß –, also diese Unwirklichkeit der Nacht aufzunehmen. Und dann gab’s „2 Seiten“, das hatte viel mit unserem Land zu tun, das letzte Album, auch mit unseren Startschwierigkeiten, neue Songs zu schreiben in dieser Phase, als der Ton so rau wurde – was bis heute ja eigentlich anhält. Dieses Sich-Beschimpfen, wahlweise als Gutmensch oder als Nazi. Dieser Riss, der da durch die Gesellschaft geht, das hat uns echt berührt, und wir haben uns zunächst schon schwergetan, dazu eine gutgelaunte Musik zu erfinden. Schließlich haben wir’s dann geknackt über eine Reise, auch über die Idee vom Reisen: In Bewegung sein, und zwar nicht nur mit dem Koffer in der Hand, sondern eben auch gedanklich. Seine Denkmodelle beweglich zu halten und sich nicht so einzubetonieren in einer Meinung. Das war so ungefähr die Welt, in der das zweite Album entstanden ist, und nun mal gucken, was für eine Welt da als nächstes kommt. Gefühlt hat sich ja nicht so besonders viel geändert an der Stimmung im Land. GP: Doch, man kann zumindest schon sagen, dass sich unser Zustand verändert hat: Von der bloßen Feststellung, dass die Leute sich anschreien, zu einer Art Vision oder Utopie, die wir gerne entwickeln möchten, wie man das überbrücken kann. Ist zwar bislang nur ein vages Gefühl, aber vielleicht findet das seinen Weg in diese neuen Songs – als gemeinsamen Boden, auf dem man sein Lagerfeuer anzündet. Vor ein paar Jahren gehörten „Sparschäler, Obstmesser, Korkenzieher und Weinflaschenverschluss“ zu deiner Standard-Tourausrüstung, Jan. Ist das immer noch aktuell, wenn ihr nächstes Jahr die nächsten Shows startet? JJL: Ja, die Liste stimmt eigentlich noch, wobei tatsächlich noch eine Yogamatte dazugekommen ist. Danke fürs Gespräch!

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