Stefan Staindl

»Ostern heißt: das Leben feiern«

Senftenberg. Bunte Ostereier in den Vorgärten weisen auf Ostern hin. Über das wichtige Fest der Christen spricht Sebastian Schäller, Pfarrer im evangelischen Kirchenkreis Niederlausitz, im WochenKurier-Interview.

Sebastian Schäller aus Dresden ist der neue Pfarrer in der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde im Lausitzer Seenland.

Sebastian Schäller aus Dresden ist der neue Pfarrer in der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde im Lausitzer Seenland.

Bild: sts

Christen feiern Ostern mit der Auferstehung Jesu die Überwindung des Todes und die Aussicht auf ein ewiges Leben im kommenden Reich Gottes. Was ist für Sie Kern der Osterbotschaft?

Ostern bedeutet für mich, dass das Leben über den Tod siegt, das Helle das Dunkle überwindet – dass es weitergeht. Ostern heißt: das Leben feiern.

Weihnachten, die Geburt Jesu, wird im Dezember groß gefeiert. Warum aber ist Ostern für Christen allerdings noch bedeutender?

An Weihnachten feiern wir, dass Gott in Jesus Mensch wurde – mit allem Leid, das dazugehört. Diese Botschaft bliebe jedoch unvollständig, wenn man sagen würde, sie ende mit seinem Tod am Kreuz. Ostern ist deshalb das wichtigste Fest, weil dort der Tod – der ärgste Feind des Menschen – überwunden wird. An Ostern zeigt uns Gott: Es hört nicht auf. Das Leben setzt sich durch – und das ist eine der entscheidenden Botschaften des Christentums.

Wann haben Sie das erste Mal bewusst verstanden, was Ostern bedeutet?

Ich bin nicht kirchlich sozialisiert aufgewachsen – erst mit 16 Jahren wurde ich getauft. Ab da begann ich, mich intensiver mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Als Jugendlicher war ich dann sehr ökumenisch unterwegs, auch weil ich die Vielfalt innerhalb der Kirchen mochte.
Ein besonders prägendes Erlebnis hatte ich während einer katholischen Messe in der Passionszeit: Der süße Weihrauch wurde bitter, das Kreuz wurde verhüllt, die Lichter erloschen – es wurde dunkel. In diesem Moment habe ich sehr intensiv gespürt, dass etwas fehlt, dass etwas fort ist. Als dann zu Ostern die Kerzen das Dunkel durchbrachen, war das ein starkes Symbol für mich. Ich habe gespürt, wie die Dunkelheit vom Licht abgelöst wurde. Dieses Ostererlebnis war für mich sehr emotional und bewegend.
Die erste Botschaft, die ich von Gott verstanden habe, ist: Er will, dass jeder einzelne Mensch lebt – und geliebt ist. Diese kraftvolle Aussage habe ich nach und nach kennen- und lieben gelernt.

Gibt es ein Ostererlebnis aus Ihrer Kindheit, das Sie bis heute prägt?

An Ostern war ich oft bei meiner Uroma und habe dort Ostereier gesucht. Diese Gemeinschaft – dass die Familie zusammenkommt und eine schöne Zeit miteinander verbringt – war für mich etwas ganz Besonderes. Und dann dieser magische Moment: Huch, da ist ein Osterei! Irgendwann habe ich natürlich verstanden, dass die Eier von den Eltern oder Großeltern versteckt wurden – aber als Kind war es einfach ein magischer Moment, plötzlich Süßigkeiten zu finden. Ein ganz besonderer Moment war für mich auch, als ich als Jugendlicher in der Osternacht getauft wurde.

Welche Kraft und welche Hoffnung können wir heute aus der Osterbotschaft ziehen – gerade mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen und Krisenherde unserer Zeit?

Gott ist im Leiden und im Schmerz da und in der Erfahrung, dass auch in der Gottesferne ein Gotteserlebnis möglich ist. Gott ist nicht nur das Pflücken von Blumen, bei dem alles schön ist und wir es uns einfach machen. Es bedeutet auch, schwere Zeiten anzunehmen. Gott ist bei uns und trägt den Schmerz mit uns, aber er zaubert nicht und macht nicht alles wieder gut. Und das ist für mich besonders stark in der Botschaft von Jesus Christus, der Mensch wurde, den Tod durchlebte und wieder auferstand. Gott ist bei uns, auch in den schlechten Zeiten, und begleitet uns. Das ist für mich eine sehr starke Botschaft von Ostern und gibt mir Hoffnung. Egal, wie schlimm es ist – er ist bei mir.

Wenn Jesus heute auferstehen würde – was würde er wohl zur Welt von 2025 sagen?

Ich befürchte, dass seine Botschaft heute noch genauso aktuell wäre wie damals. Wir haben technologischen Fortschritt gemacht und uns gesellschaftlich verändert – aber in vielem auch nicht. Wir wollen alles verfügbar machen, alles beherrschen, alles wissen und sogar den Tod überwinden. Wir geben uns nicht damit zufrieden, etwas nicht zu verstehen. Wir wollen es nicht einfach annehmen – wir wollen optimieren.
Doch es gibt Dinge, die wir nicht beherrschen können. Das ist eine Grunderfahrung des Menschseins, die wir heute oft nicht mehr zulassen wollen. Aber Jesus sagt: Es liegt nicht alles in unserer Hand.
Noch immer gibt es Todesstrafe, Kriege, Krisenherde, fehlende Gleichberechtigung – Dinge, die Jesus schon damals angeprangert hat. Er hat gesagt: Wir sind alle gleich geliebt und gleich viel wert vor Gott. Und das würde er auch heute noch sagen. Er würde den Finger in die Wunde legen.
Vielleicht wäre er mit manchem zufrieden. Aber er würde auch widersprechen – wie damals, als er die Händler aus dem Tempel warf. Seine Botschaft würde bleiben. Und er müsste weiter darauf hinweisen.
Ich hoffe, er würde nicht nur den moralischen Zeigefinger heben, sondern auch zur Gemeinschaft aufrufen – dass wir füreinander da sind und Menschlichkeit zeigen.

Ostern ist ein Fest der Freude. Jesus hat den Tod besiegt, ihn entmachtet. Auf dieser großen Freude und das Verlachen des Todes basierte im Mittelalter der Brauch des Osterlachens – das »Risus Paschalis«. Während des Gottesdienstes – etwa in der Predigt – wurden die Besucher zum Lachen gebracht. Wie betrachten Sie dieses Osterlachen und ist es Ihnen schon einmal begegnet?

Ja, das ist mir bekannt. Ich finde es lustig, aber auch schwierig, einen Witz zu finden, der wirklich gut ist – feinsinnig und nicht plump.
Trotzdem hat Humor für mich etwas Herzliches. Ich glaube, Lachen ist sehr wichtig. Es kann befreien, uns von Druck lösen. Ein herzliches Lachen kann sogar Dunkelheit und Angst überwinden. Und genau das spiegelt sich im Osterlachen wider – es ist ein starker Ausdruck davon.
In der Karwoche überwogen Traurigkeit und Verzicht. Und jetzt dürfen wir herzlich lachen – über den Tod, über das, was war. Im Osterlachen steckt auch ein Neuanfang. Wir begegnen dem neuen Leben mit einem offenen, befreienden Lachen.
Deshalb finde ich das Osterlachen eine starke und hoffnungsvolle Botschaft.

Lacher erzielen geht oft schnell mit Witzen. Welchen würden Sie für einen Ostergottesdienst favorisieren?

Eine Sünderin sollte gesteinigt werden. Alle standen bereit und wollten werfen. Da kommt Jesus, stellt sich zwischen die Frau und die Menschenmenge und sagt: »Halt, stopp! Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.« Alle schauen sich an – und nichts passiert. Plötzlich fliegt doch ein Stein aus der Menge. Jesus schaut genervt und sagt: »Och nee, Mutti – jetzt reicht’s aber wirklich!«
Darin steckt natürlich ein Augenzwinkern in Richtung der unbefleckten Empfängnis Marias.

Meistens verfliegt die Osterfreude bereits nach Ostermontag, der Alltag geht wieder los. Wie kann man sich diese Fröhlichkeit über das gesamte Jahr erhalten?

Am besten gelingt das durch persönliche Rituale, mit denen man die Freude ausdrücken kann. Manche stehen früh auf, trinken Tee und genießen den Sonnenaufgang – weil es sie berührt. Andere lesen morgens die Losung oder einen geistlichen Impuls.
Solche Rituale helfen, sich immer wieder auf die Osterfreude zu besinnen. Viele Menschen haben solche Gewohnheiten längst – oft unbewusst. Ein Moment des Innehaltens, ein bewusstes Durchatmen: als Gebet, Meditation oder auch Yoga.
Wichtig ist, im Alltag bewusst Pause zu machen – und sich zu erinnern an das, was trägt, glücklich macht und Hoffnung schenkt.

So eine Auferstehung von den Toten ist heute nur schwer vorstellbar. Wie erklären Sie dieses Wunder den Menschen im 21. Jahrhundert? Könnte hier vielleicht die Quantenverschränkung helfen, die uns zeigt, dass alles miteinander verbunden ist, es keine finale Trennung gibt und Tod sowie Auferstehung somit nicht das Ende sind, sondern nur ein Übergang in eine andere Form der Existenz, da der Mensch zu keiner Zeit vom Schöpfer getrennt war und ist?

Es gibt zwei extreme Positionen zur Auferstehung: Ist der Leib oder die Seele auferstanden? Wir waren nicht dabei, aber wie auch immer Jesus auferstanden ist, es hat die Menschen verändert. Die Jünger, die ihm bis zum Kreuz folgten und dann zerstreut wurden, zogen nach der Auferstehung wieder aus. Irgendwie hat Gott den Tod überwunden, und die Auferstehung ist eine unglaubliche Glaubensgeschichte, die mit unseren gewohnten Vorstellungen und Horizonten bricht.
Als Menschen denken wir oft linear, doch Gott ist derjenige, bei dem es keine Zeit gibt. In der Bibel spricht er von Ewigkeit und Zeitlichkeit, doch eigentlich geht es um Zeitlichkeit und Unzeitlichkeit. Ewigkeit ist nicht ein endloser Zeitverlauf, sondern etwas, das unsere Vorstellungen übersteigt. Gott ist in unsere Zeitlichkeit hineingebrochen und hat alles verändert. Wie die Auferstehung genau ablief, bleibt unklar, doch entscheidend ist das Gekommensein Jesu Christi, wie der Theologe Rudolf Bultmann sagt. Die Botschaft hat sich durchgesetzt, der Tod wurde überwunden. Jesus ist leibhaftig auferstanden – als Ganzes, als Mensch und Seele. Beides ist in Christus vereint und überwindet den Tod.
In einigen Vorstellungen der jüdischen Kabbala gibt es die Idee einer großen Seele, und die Menschen sind Stücke davon. Alle Menschen haben etwas Gemeinsames. Und wenn man es ganzheitlich sieht, ist der Mensch nicht nur Körper – irgendetwas Besonderes ist in dem Menschen. Wenn die Quantenverschränkung für einige Menschen ein Ansatz ist, der für sie erklärt, dass wir gemeinsame Erbstücke haben, wieso nicht?

Im Kirchenkreis Niederlausitz werden in der Osternacht wieder Osterfeuer – die großen Geschwister der Osterkerzen - brennen. Was symbolisiert die Osterkerze in der Kirche und welche Bedeutung hat sie?

Sie wirken heute wie aus der Zeit gefallen, und doch haben sie etwas Einzigartiges. Eine Kerze zündet man an – sie ist zeitlich begrenzt, aber ihre Flamme brennt lange, bis sie erlischt. Mit ihrem kleinen Licht strahlt sie Zerbrechlichkeit und Zartheit aus. Sie kann schnell ausgepustet werden – sie ist klein und zerbrechlich, aber zugleich stark und mächtig. Eine einzige Kerze vertreibt in einem großen, dunklen Raum die Dunkelheit um sich herum – egal, wie klein sie ist. Eine kleine Flamme vertreibt das große Dunkel. Die Kerze symbolisiert Gott oder Jesus Christus. Er hat den bitteren Tod erlitten, doch die Hoffnung bleibt – stark und lebendig. Und sie entfacht neues Leben. Leben wird neu entfacht. An Ostern werden in der Kirche die Kerzen neu entzündet. Dieses Licht trägt uns durch das ganze Kirchenjahr hindurch. Es begleitet uns durch alle Facetten des Lebens. Auch abseits der Kirche sind Kerzen für viele Menschen ein Zeichen der Erinnerung und der Hoffnung. Die Symbolik wird ähnlich verstanden – deshalb verbinden Kerzen Menschen.

Was wäre die perfekte Oster-Playlist? Welche Songs müssten unbedingt dabei sein?

»One of Us« von Joan Osborne und »In dir ist Freude in allem Leide« – ein Lied aus dem Gesangbuch. Es ist sehr schwungvoll, hat einen Walzerflair und beschwingt unheimlich. Es ist mein Lieblingslied – ein ganz wunderbares Lied, das mich tief bewegt. Als drittes: »Christ ist erstanden«.

»Christ ist erstanden« ist ein sehr traditionelles Osterlied. Warum ist es so bekannt und beliebt?

Es stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist damit eines der ältesten Lieder im Gesangbuch. Es verbindet Menschen über einen enormen Zeitraum hinweg.
»Christ ist erstanden von der Marter alle« – das haben Menschen schon vor vielen hundert Jahren gesungen. Und wir tun es heute immer noch. Genau das ist die Idee christlicher Gemeinschaft: Wir sind eine überzeitliche Gemeinschaft. Wenn wir Gottesdienst feiern, tun wir das nicht nur als Menschen im Hier und Jetzt, sondern sind verbunden mit all denen, die das vor uns auch schon getan haben. Dieses Lied verbindet – über Zeit und Raum hinweg. Und es wird auch in vielen anderen Ländern gesungen. Es ist ein starkes Lied, das die Osterbotschaft auf eine ganz elementare Weise zum Ausdruck bringt.


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