Die »Wiege« des Sächsischen Sängerbundes stand in Großenhain
Dresden/Großenhain (hm). »Vor 100 Jahren gründete sich in Dresden der Sächsische Sängerbund (SSB)«, erklärt Siegfried Behla, der Vorsitzende des Männerchores Großenhain/Reinersdorf, und führt weiter aus: »Die Geschichte der Chormusik ist lang. Am Beginn stand die Vokalmusik. Sie entstand in den Kirchen. Ein besonderes Beispiel dafür ist die Kantorei der Marienkirche. Seit deren Gründung im Jahre 1551 liegt ein lückenloses Verzeichnis der Kantoren und Organisten vor. Seit 473 Jahren wurden die christlichen Feste und Gottesdienste musikalisch begleitet. Es kam aber der Wunsch auf, auch außerhalb der Kirche gemeinsam zu singen. So entstanden nicht nur in Sachsen Chöre. Auf den Elbwiesen nahe der Waldschlößchenbrücke erinnert die »Sängereiche« an das 1. Deutsche Sängerbundfest, das dort im Juli 1865 stattfand. Es waren 16.000 Aktive und etwa 300.000 Besuchern dabei.
Chormusik entstand In den Kirchen
Da die Chorlandschaft in Sachsen in 16 Einzelbünde zersplittert war, suchte man die Vereinigung. Nach vielen Anläufen der Chorleiter wollte man 1914 den Bund gründen. Doch der 1. Weltkrieg machte alles zunichte. So dauerte es weitere zehn Jahre, bis am 14. Dezember 1924 im Hauptbahnhof der Beschluss gefasst wurde, den Sächsischen Sängerbund zu gründen. Mit 1.153 Mitgliedsvereinen und 44.768 Sängern war der SSB der mitgliederstärkste Bund im Deutschen Sängerbund. Etwa ein halbes Jahr später fand im Juni 1925 das 1. Sächsische Sängerbundfest statt. In der Zeit des Nationalsozialismus änderte sich vieles im Vereinsleben. Es gab riesige Umstrukturierungen unterm Hakenkreuz. Manche Arbeiterchöre wurden verboten. Die Vorsitzenden wurden »Führer«, die Bundesstruktur in »Gaue« eingeteilt.
Orangerie war Treffpunkt der Sänger in Großenhain
Nach dem Zweiten Weltkrieg löste die Sowjetische Militär-Administration in Deutschland (SMAD) alle Vereine auf. Ab 1947 begann sich aber das Chorleben in Sachsen wieder zu entwickeln. Die Männerchöre hatten es aber sehr schwer. Ihnen hing ein besonderer Makel an. Die Diktatur des Sozialismus übte ebenfalls Macht aus. Die Wiedergründung am 8. September 1990 war ein historischer Augenblick, Einstimmig wurde das Präsidium gewählt, Siegfried Behla war als Schriftführer mit dabei. »Durch die aufopferungsvolle und tatkräftiger Tätigkeit des Präsidiumsmitglieds Siegfried Behla gelang es kritische Phasen zu überwinden«, zitiert die Festschrift »90 Jahre Rückblick SCV«. So wurde aufgrund von Stasi-Vorwürfen der erste Präsident Peter Bräuer am 15. Februar 1992 seines Amtes enthoben.
Die Sänger standen vor der Wahl: Auflösung oder den Fortbestand des SSB mit einem neuen Präsidium. Man entschied sich für den Fortbestand. So wurde am 11. April 1992 ein neues Präsidium gewählt. Siegfried Behla wurde als Geschäftsführer berufen. Auf diesem Weg kam die »Wiege« mit der Geschäftsstelle nach Großenhain. Die Orangerie des Diakonischen Werkes Kreisverein Großenhain wurde bis zum September 2006 der Treffpunkt der Sänger. Während 1992 noch 40 Chöre mit 1.000 Sängern Mitglied im SSB waren, konnten 1994 immerhin schon 51 Chöre mit 2.086 Sängern und Sängerinnen verzeichnet werden.
Chortreffen nach der friedlichen Revolution
Mit großer Freude erinnert sich Siegfried Behla an die Chortreffen nach der politischen Wende. Am 11. September 1993 fand in Großenhain das Sächsische Männerchorfest statt. Etwa 800 Sänger aus 37 Vereinen waren angereist. Ein Umzug bewegte sich von der Marienkirche, bewusst auf der Route der Donnerstagsdemos. Zu Ehren Paul Gläsers, der bei den Sängerfesten 1912 und 1931 in Großenhain als Festdirigent aufgetreten war, führte der Weg zum Friedhof an das Grab des 1937 verstorbenen Kirchenmusikdirektors.
Am 2. Oktober 1999 fand anlässlich des 75. Gründungstages des SSB in Großenhain das 3. Sängerfest statt. Zum gemeinsamen Hauptkonzert auf dem Hauptmarkt waren drei Bühnen errichtet worden, die mit den Chören besetzt waren. Die Buchstaben des SSB wurden in der Bedeutung zu »Singen schlägt Brücken« umbenannt. Ab September 2003 gab es von Seiten des Sächsischen Musikrates Bemühungen, die zersplitterte sächsische Chorlandschaft zu vereinen. Während der 3. Sächsischen Landesgartenschau sangen auf der Hauptbühne 1.540 Chormitglieder. Es war die Zeit unmittelbar nach dem verheerenden Hochwasser. Am 11. September 2006 fand ein Treffen der SSB-Chöre in der Dreikönigskirche in Dresden statt. Dort entschieden die Chöre sich in »Sächsischer Chorverband« um zu nennen. Am gleichen Tag erfolgte der Beitritt der Teilverbände: Chorverband Sachsen, Ostsächsischer Chorverband, Chemnitzer Musikbund und Deutscher Arbeiter Sängerbund. Auf diese Weise waren 10.000 Mitglieder im neuen Verbund vereinigt.
Keine Würdigung des Jubiläums
Siegfried Behla erinnert sich auch an den Tag der Sachsen 2014 in Großenhain. Der Männerchor Großenhain-Reinersdorf gestaltete damals einen Festwagen mit dem Thema »Singen Schlägt Brücken«. Der Sächsische Chorverband wurde am 11. April 2007 ins Vereinsregister beim Amtsgericht Dresden eingetragen. »Leider wurde in diesem Jahr der 100. Gründungstag vom Präsidium des SCV in Chemnitz nicht beachtet und so die Initiativen des Zusammenführens der Teilverbände unter den Dachverband Sachsen im Jahr 2006 nicht gewürdigt. Das ist erst leider erst für 2031 geplant, wenn das 25-jährige Bestehen des SCV zu feiern ist, Tradition und Geschichtsbewusstsein fallen wieder einmal dem Zeitgeist zum Opfer. - Leider!«, ärgert sich Behla erklärt aber, »Unser gemeinsames Motto soll jedoch weiterhin ›Klinge, Lied lange nach, kling in allen Zeiten‹ sein.«