
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Der erste optische Eindruck gleicht einer Reise in die Vergangenheit. Susann Wuschko sitzt im Juri-Brezan-Haus in der Krabatmühle auf einem antik aussehenden roten Sofa aus Samt. Ein alter Kachelofen erinnert an warme Winterabende, an denen die Frauen zusammen oder allein zu Hause saßen und beispielsweise Kleidung ausbesserten. Wer damals noch keine Nähmaschine hatte, griff selbst zu Nadel und Faden.
Kleidung hatte damals einen anderen Stellenwert als heute. Statt diese wegzuwerfen, wurde sie mehrfach ausgebessert, gekürzt oder sogar verlängert, um sie passend zur jeweiligen Körpergröße auch tragen zu können.
Susann Wuschko möchte an jenem Nachmittag einen alten Watterock ausbessern, der einst ihrer Großmutter gehörte. Das Kleidungsstück ist Teil einer sorbischen Festtagstracht und diente zum einen als wärmender Unterrock, der gleichzeitig den darüber liegenden Rock in eine erwünschte Glockenform brachte. Der untere Saum besteht aus schwarzem Samt und war Symbol für Reichtum. Es fallen weitere Begriffe wie Stickereien und slawisches Dekor. Feinheiten und viele spezifische Details, die Geschichten erzählen können.
Susann Wuschko ist in der Krabatmühle für den Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zuständig und hatte die Idee aus der Taufe gehoben, eine Trachtenwerkstatt ins Leben zu rufen. Bei einer Modellbahnwerkstatt hatte die Kulturwissenschaftlerin erleben dürfen, wie sehr sich Leute über kleine Details freuen und sich darüber austauschen. »Das hat mich dazu inspiriert.«
Zudem werde dadurch der Fundus in der Krabatmühle ganz besonders bewahrt und gepflegt. Eine wichtige Aufgabe bei der Arbeit auf dem denkmalgeschützten Mühlenturm. Spielen doch sorbische Trachten bei den verschiedensten Veranstaltungen wie Ostern, Krabat-Saga, Erntedankfest und Krabat Magica eine große Rolle. Zum anderen werde somit altes Wissen am Leben erhalten und an andere Generationen weitergegeben.
Trachten hätten schon immer eine eigene Sprache gesprochen. »Durch die Industrialisierung ist vieles weggebrochen. Die sorbischen Trachten waren auch immer mit Mode stark verbunden und haben überlebt. Aber das alte, umfangreiche Wissen über die vielen kleinen Details und ihre Bedeutungen verschwindet, wenn es nicht an jüngere Menschen weitervermittelt wird«, erklärt Susann Wuschko, die an diesem Nachmittag tatkräftige Unterstützung von Sabrina Wagner bekommt.
Die Leiterin, der im Jahr 1991 gegründeten, hiesigen Brauchtumsgruppe »Krabat« freut sich über diese gelungene Kooperation und ist sich sicher, dass mit der ins Leben gerufenen Trachtenwerkstatt auch eventuelle Missverständnisse über Tragetechniken beispielsweise aus dem Weg geräumt werden können.
Man ergänze sich auch in der Trachtenwerkstatt gegenseitig gut, sind sich die beiden Frauen einig und fachsimpeln jetzt gemeinsam über Stickereien, alte Knöpfe, Garn, welches es in der damaligen Qualität heutzutage nicht mehr zu kaufen gibt, und über ein leicht verrutschtes Tuch bei einer sorbischen Tracht, die in einer Vitrine ausgestellt ist. Wenig später sitzt alles wieder korrekt, so wie es sein soll. Sorbisches Brauchtum kann wunderbar verbinden.
Plötzlich fällt auch der Begriff Sparfleck. Susann Wuschko erklärt, was es damit auf sich hat. Diese so genannten Teile eines Kleidungsstückes bestanden aus billigerem Material und wurden bei Bedarf in den Trachten mit vernäht, aber so, dass sie nicht zu sehen waren.