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Mein Reisetagebuch- Tag 7

Unterwegs mit dem Lutherpass 2017
Foto: Katrin Brunk

Foto: Katrin Brunk

Tag 7 - Torgau 28. April 2017 Guten Tag Torgau, wir sind da! Diesen letzten Reisetag mit dem Lutherpass widmen wir den Frauen. Christa, Jane, meine Wenigkeit und der Frauenversteher Toni von Mühlberg wählen als Treffpunkt den Hof des gewaltigen, kurfürstlichen Schlosses in Torgau. Diesen „harten Felsen“ hat man sich damals ganz schön was kosten lassen. Über das Wetter möchte ich heute keinen Ton verlieren, wir sind hart im Nehmen. Schade, keine Touristinfo mehr hier, es wirkt etwas verlassen. Zielstrebig geht’s die Stufen hinauf, um die Ausstellung „Schlossgeschichten“ anzusehen. Die Dame von der Aufsicht ist gut drauf, wir plaudern uns durch die Exponate. Das Riesenbild vom Maler Polenz fällt sofort ins Auge, Motiv: Weihe der Schloßkirche durch Luther, alles was Rang und Namen hatte im 16. Jahrhundert traf sich da. In der oberen Reihe etwas abseits steht der Ponikau. Das ist der, welcher bei der Schlacht 1547 den Rückzug der kurfürstlichen Truppen vermasselt hat. Typischer mittelalterlicher Kämmerer. In den hinteren Räumen warten stilvolle Möbel verschiedener Kulturepochen, die jeden Antikhandel erblassen lassen. Kommoden, Vitrinen, außergewöhnliche Türen. Im gegenüberliegenden Schlossflügel wieder die Treppen hoch, wir holen uns den Stempel. Für mich der 8. und damit letzte seiner Art. Im Schlosshof hängt für jeden sichtbar ein Hinweis auf eine Ausstellung zum letzten Ernestiner Kurfürst im September. „Standfest.Bibelfest.Trinkfest.“ lautet das Thema. Mindestens zwei Dinge davon treffen überraschenderweise auch auf uns zu. Jetzt bin ich neugierig auf die „Wintergrüne“, wo wir die Bibel abschreiben wollen. Aber um Gottes Willen nicht alles, sondern so viel man möchte bzw. schafft. Als getaufter Atheist hab ich damit kein Problem, außerdem lernt man immer was dazu. Was steckte damals in der Bundeslade, oder wer kennt die Leviten? Ich kann mich sehr genau an den Spruch „Ich werde dir gleich die Leviten lesen!“ erinnern. Und das hatte dann in diesem Fall nichts Gutes zu bedeuten. In der Katharinenstraße wohnte mal der Spalatin alias Georg Burkhardt - Freund vom Martin, Geheimrat, Erzieher Friedrich des Weisen. Was er mit Mühlberg zu tun hatte, erfahrt ihr später. Woher wohl der Deckname kommt? Ach ja, er wurde in der Stadt Spalt geboren. Sehr originell. Am Ende der Gasse steht ihr Sterbehaus, Katharina von Bora – meine Namensverwandte. Alles Wichtige über die Frau Luthers erfährt man in dem Stübchen, wo sie einst nach dem Unfall mit dem Pferdewagen von ihrer Tochter gepflegt wurde. Ihre Kinder müssen sie sehr geliebt haben, die von ihnen gestiftete Grabplatte in der Marienkirche zeugt sicher auch davon. Für damalige Zeiten war sie ziemlich emanzipiert. Oder gar die Alice Schwarzer des 16. Jahrhunderts? Na wir wollen mal nicht übertreiben, aber mein Respekt, Frau Käthe! Aus dem Kloster abhauen, einen aufmüpfigen, geächteten Theologen heiraten, 6 Kinder großziehen, Haushalt und Wirtschaft managen, Bier brauen, Studenten mit durchfüttern. Mädchen für alles! Sie besaß eine bewundernswerte Eigenständigkeit und Zielstrebigkeit im Schatten eines impulsiven Gatten, der ein mächtiges Problem mit Hexen und Zauberinnen hatte. Im Hause Luther pflegte Katharina ein Familienbild, was wir heute auch lieben aber mehr pflegen müssen. Die reich gedeckte Tafel als Rahmen für Gespräche, eine handyfreie Zone und Basis für Erfolg in Familie, Politik und Wirtschaft. Was wohl aus den anderen Nonnen geworden ist, welche mit ihr flüchteten? Ob sie auch ihr Glück in einer eigenen Familie gefunden haben? Mutige Frauen gab es schon damals, man spricht heute noch viel zu wenig darüber. Pfarrfrauen wie Elisabeth von Rochlitz, Schwiegertochter vom bärtigen Georg, einem erklärten Luthergegner. Oder wie wär´s mit Argula von Grumbach? Sie schrieb Flugblätter und diskutierte persönlich mit Luther. Schon Maria Magdalena soll beherzter als Petrus gewesen sein. Vielleicht gab es die Päpstin Johanna ja wirklich? Deshalb sei ihnen allen folgendes Zitat gewidmet, verfasst von Herrn Luther: „Stellt euch vor, das weibliche Geschlecht gäbe es nicht. Es brächen zusammen das Haus und was zum Haushalt gehört, es brächen zusammen die politischen Einrichtungen, die Gemeinden. Die Welt kann also Frauen nicht entbehren...“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Doch, der Name Regine Hildebrand. Ihr wisst schon, die dem Volk auf´s Maul geschaut hat im 20. und 21. Jahrhundert. Hinter der Marienkirche, wo Käthe selig ruht, versteckt sich ein kleines Café. Dort wärmen wir uns nach so viel Frauenpower auf. Rhabarbertorte und Kaffeeduft - einfach paradiesisch. Beim Spaziergang über den Markt führt kein Weg an der Buchhandlung vorbei, weil Bücher magnetisch sind. Feierlichkeiten zum Elbe-Day am stolzen Rathaus, das passt in unsere Zeitreise. Krieg und Versöhnung, 1547 und 1945. These 97: Frauen führen keine Kriege. Männer führen Kriege. Was soll das? Selbst ein Bill Clinton wusste, dass hinter jedem starken Mann eine noch stärkere Frau steht. Fazit: Bügeln ist keine Frauenbewegung. Katharina nickt. Gemütlich ist´s bei „Herrn Käthe“, wir drei Frauen mit Hund kehren nun ein, das haben wir uns auch verdient. Der junge Mann vom Service versorgt uns mit Gegartem und Gebrautem, die Freundlichkeit ist gratis aber unbezahlbar. Wir trinken was klar ist, essen was gar ist und sprechen was wahr ist. Definitiv keine Henkersmahlzeit, weil man hierher gern wiederkommt. Auch die „Amme der Reformation“ lässt noch Wünsche offen für einen weiteren Besuch z.B. in der Rumpelkammer zum Schloss, dem ältesten Spielwarengeschäft Deutschlands oder beim einst reichsten Bürger von Torgau. Nur 20 Minuten über die längste Brücke Brandenburgs und wir sind in Torgau. Genauso schnell kommen wir wieder Zuhause an, mit unerhört schönen Erlebnissen im Gepäck. Noch einmal wird es ein Aufeinandertreffen in Mühlberg geben, da wo alles begann... Dann schließt sich der Kreis unserer Reise mit dem diplomatischen, pinken Pass. Ich möchte sie nicht missen, die Zeit, wo wir Gastfreundschaft, tolle Erlebnisse und mächtig viel Geschichte erfahren haben. Wahrlich, eine Hochburg der Reformation waren wir sicher nicht, ER war nie hier, aber der neue Glaube verbreitete sich sehr schnell und ungestüm. Vielleicht gab es so viele Mutige im „Zweistromland“? Macht euch auf den Weg und entdeckt das unentdeckte Land, unseren Heimatkreis und seine engagierten Menschen! Man muss kein Experte, Geschichtsfreak oder Luther-Kenner sein, trotzdem finden sich überall Überraschungen, Genuss und Neuigkeiten. Ich wünsche allen viel Neugier, Reiselust, nette Reisepartner, phantasievolle Gastgeber und ein bisschen Lokalpatriotismus, egal ob mit oder ohne Lutherpass in der Hand. Auf Wiedersehen in Mühlberg, im Landkreis Elbe-Elster, im Land Brandenburg und bei unseren netten Nachbarn in Sachsen-Anhalt und Sachsen! Katrin Brunk, Mai 2017 „Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch.“ (Karl May)  


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