Mein Reisetagebuch- Tag 4
Tag 4 -23.2.2017 Herzberg Es ist wieder soweit, heute treffen wir uns gleich im Kreisarchiv des Landkreises Elbe-Elster bei Jane. Hier wirken die Hüterinnen der uralten Schriften, staubfreien Urkunden und abertausenden Unterlagen von A bis Z. Unweit davon befindet sich das Kulturamt – die bunte „Ideenküche“. Da knistert´s in den Fluren vor lauter Energie und farbigen Gedanken, die Reformation ist allgegenwärtig. So eine Reise bis Herzberg an der Elster (nicht am Harz) ist ja an sich kein Problem, kann sich aber durchaus sehr abenteuerlich gestalten. Auf der Hinfahrt lassen sich massenweise Regentropfen frech auf die Autoscheiben klatschen, die Scheibenwischer kämpfen mit einer mittleren Sintflut. Wetterfrösche im Autoradio verkünden alle halbe Stunde orkanartige Böen. Jetzt ahne ich, wie Luther sich damals gefühlt haben muss, als er im Sommer 1505 in ein heftiges Gewitter geriet. Er wollte dann Mönch werden, ich will nur sicher ankommen... mehr nicht. Los geht’s. Zwei und ½ begeben sich in den historischen Stadtkern. Die halbe Portion ist der Haus- und Hofhund Toni von Mühlberg, völlig unadlig aber tapfer begleitet er unsere Tour. Ob Familie Luther außer ein paar Mäusen und Ratten auch so eine Fellnase hatte? Kann das mal jemand herausfinden? Wir besuchen die Stadtkirche Sankt Marien samt Touristinfo. Offene Türen, eine Mitarbeiterin mit Herz und Stempel Nr. 4. Das bedeutet: Bergfest! Ich bekomme eine extra Urkunde für Spurensucher. Ein wahrhaft historisches Gefühl.... In der Kirche bestaunen wir die Deckenmalereien, die Fenster, eine magische Holztür und die herrliche Orgel. In meinen Gedanken spielt sie für uns das Te Deum. Man darf ja mal träumen, oder? Gesamteindruck: Klasse! Auf dem Weg in die Bäckerei „Plätzchen“ begleitet uns Nieselregen, der Himmel weint leise ein paar Tränen. Für uns gibt es keinen Grund traurig zu sein, da wir drinnen in den tiefen Oma-Sesseln unter einem alten Lampenschirm vor Kakao und Kuchen sitzen. Wir vertrödeln die Zeit, es gibt immer was zu erzählen. Lebensgeschichten, Träume, verrückte Erinnerungen. Und dass alles funktioniert ohne Smartphone, Tablet oder ähnlichen Krimskrams. Ist voll entspannend. So klein und fein wie der „Plätzchenbäcker“ ist auch die „Bücherkammer“ gleich nebenan. Da lockt ein historischer Luther-Thriller oder ein geheimnisvolles Buchstabenspiel, dessen Regeln sich uns nicht gleich erschließen wollen. Im Tausch gegen ein paar Silberlinge wandert es in meine Tasche. In der Ecke steht ein origineller Büchersessel. Ein absolutes Unikat und ein Fall für „Bares für Rares“. Darf ich mich da mal rein lümmeln? Ja. Aber der passt leider nicht in meine Tasche. Über den Missionar und humanistischen Glaubensvermittler Carl-Friedrich Wuras, einem „Herzberger Kind“ gibt es wenig Quellen, eine davon kennt Frau Kammer. Wer mehr darüber wissen möchte, schaut mal in ihrem Bücherlädchen vorbei. Nächstes Ziel: Rathaus und Melanchton-Gymnasium. Der geborene Diplomat und die „rechte Hand“ Luthers. Was würde er wohl zu unserem Bildungssystem im 21. Jahrhundert sagen? Würde er sich manchmal im Grabe umdrehen oder wäre er heute gern Bildungsminister? Meine Suche nach einem weiteren Menschen im Hintergrund der Reformation konnte ich mit einem Anruf bei Ulf Lehmann erweitern. Zwischen Gartenarbeit und Telefonhörer erzählte er mir, voll in seinem Element, vom Pfarrer Andreas Wagner, dem persönlichen Beichtvater Friedrich des Weisen. So ein mächtiger Kurfürst suchte sich unter hunderten von Pfarren diesen einen aus, der an seinem Sterbebett sitzen durfte. Das muss doch wie ein Ritterschlag für Pfarrer Wagner gewesen sein? Im Buch „Mit Luther und Melanchton unterwegs im Elbe-Elster-Land“ von Ulf Lehmann, erschienen im Kammer Verlag, kann man den Rest der außergewöhnlichen Geschichte erfahren. Unser Landkreis ist verdammt schön, man muss es nur herausfinden. Verdammt recht hat er, der Herr Lehmann, wenn er das sagt. Will einer 100 Jahre alt werden, sollte er den Wunderstein in der Nähe der Badstraße besuchen. Dafür muss man aber Bedingungen erfüllen und die stehen auf der Rückseite. Ich hoffe mal nicht in Latein. Wir haben heute diese Chance vertan, weil es bereits dämmerte. Außerdem suchten wir wie die Pfadfinder den Weg zum Elsterpark, wegen der Verabredung mit Frau Lorenz. Einmal links rum, zweimal rechts rum. Endlich sind wir da und werden im Blauhaus wie kleine Könige empfangen. Zwei junge Leute stehen in der Tür, einer davon ist Basti. Er gehört zum Serviceteam. Wir kennen uns seit bestimmt 20 Jahren. Lange nicht gesehen, die Wiedersehensfreude ist groß. Frau Lorenz führt uns nun kompetent und mit viel Herzblut durch die gesamte, barrierefreie Anlage. Ich war noch nie hier, da hab ich echt was verpasst! Das Traumhaus zum Übernachten und Träumen, das Blauhaus zum Genießen, das Bootshaus mit Kanus, Fahrräder zum Radeln, ein Hoch-und Niederseilgarten zum Klettern. Wir hängen kurz in den unteren Seilen, mehr geht nicht wegen dem Wetter. Die Bergsteiger-Ausrüstung bleibt im Auto. Leute, hier kann man den ganzen Tag verbringen, ab April startet die Saison. Ich sehe Feuerstellen, einen Naturpfad und gleich nebenan die Schwarze Elster, die ohne Federn aber mit viel Wasser. Die Anlegestelle ist nicht weit, der Elsterradweg begleitet den Fluss oder umgekehrt. Das hier ist ein kleines Paradies für Menschen mit und ohne Handicap. Das müssen noch mehr Leute wissen! Wir sagen´s gerne weiter. Jetzt kommt der gemütliche Teil. Jacken werden abgenommen, ein Platz angeboten. Auch Toni, der treue Begleiter darf rein und bekommt sofort ein „Hundebier“ serviert. Die Küche leistet ganze Arbeit, alles sieht lecker aus und schmeckt auch so. Der Gast ist König! Nein, Kaiser! Oder besser Kurfürst? Mal schnell eine wichtige Termindurchsage: Reformationsspiel auf dem Herzberger Markt im Juli! Um eine Anna dreht sich das Theaterstück, man darf gespannt sein. Letztendlich bedanken wir uns bei allen für den schönen Tag in Herzberg und sagen „Auf Wiedersehen“! Es war wie beim Skat: Herz ist Trumpf! Auf der Heimfahrt drückt und kneift der Wind schon mächtig in die Autoseiten, Toni von Mühlberg ist im 7. Himmel auf der Rückbank und ich freue mich auf meine Hauslatschen in Mühlberg. Jane biegt an der Kreuzung ab, die Autohupe trötet kurz „Tschüß“. Morgen ist auch noch ein Tag. Im März heißt es: Finsterwalde - wir kommen! Packt schon mal die Noten aus! K. Brunk/ Mühlberg „Wenn´s Ende gut ist, so ist alles gut.“ M.L./16. Jahrhundert