

Schulschließungen, Wechselunterricht, Homeshooling: Die Schüler im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hatten es in den vergangenen Monaten schwer. Ihnen fehlte nicht nur die pädagogische Vermittlung des ganzen Lehrstoffs. »Vor allem bei der Tagesstruktur und den sozialen Kontakten waren die Auswirkungen der Pandemie deutlich zu spüren«, so Pressesprecher Roman Schulz vom Landesamt für Schule und Bildung. Kein noch so guter Distanzunterricht könne Präsenzunterricht ersetzen.
So wie bei Katrin B. (Name geändert) aus Freital, die als Alleinerziehende mit ihrem Sohn Louis im November 2021 durch die Pandemie plötzlich zu Hause bleiben musste. »Ich wusste doch gar nicht, wie ich dem Erstklässler die neuen Buchstaben beibringen sollte.« Dass bei Louis keine größeren Lücken entstanden sind, verdankt Katrin B. nur dem Engagement der Klassenlehrerin und ihren Eltern. Sie wiederholten mit dem Siebenjährigen geduldig den neuen Lehrstoff. »Eine schwierige Situation«, erinnert sich Katrin B.
Aktuell wurden die Ergebnisse eines Tests im Auftrag der Kultusministerkonferenz von 27.000 Viertklässlern bekannt. Verglichen mit Schülern von vor zehn Jahren ergaben sich auffällige Schwächen beim Lesen, Rechtschreiben und in Mathematik. Im Bundesbildungsministerium musste man daraufhin zugeben, dass die flächendeckenden Schulschließungen ein Fehler gewesen sind. »Das darf sich nicht wiederholen«, hieß es dazu.
Der sächsische Kultusminister Christian Piwarz lobt alle Kinder und Jugendlichen: »Sie haben bisher mit die größten Einschränkungen in der Pandemie hingenommen, um andere zu schützen.« Jetzt wolle man die Wissenslücken schließen, ohne Schüler mit zusätzlichen Aufgaben zu belasten, so Piwarz weiter. Sein Ministerium habe dafür 95 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um pandemiebedingte Ausfälle auszugleichen.
Doch mit Geld allein sei es nicht getan, ist man beim Landeselternrat skeptisch: »Es ist leider auch unrealistisch anzunehmen, dass der pandemiebedingt versäumte Lernstoff kontinuierlich nachgeholt wird.« Die Anzahl abgeschlossener Verträge beim Programm »Aufholen nach Corona« sagten weder etwas darüber aus, wie viele Schüler unterstützt werden noch in welcher Form bzw. welchem Fach. Für das Aufholen brauche es viele zusätzliche Lehrkräfte, um den Förderbedarf abzudecken.
Mit dem Corona-Aufholprogramm sollen auch Freizeiten ermöglicht und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe ausgebaut werden. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) gibt zu bedenken: »Die Jugend lässt sich nicht einfach aufholen. Das ist ein großer Unterschied zu uns Erwachsenen«.
Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft stellt sich die Situation für die Schüler sehr unterschiedlich dar. »Sie hängt von der Breitbandabdeckung, von der Dauer einschränkender Maßnahmen, von der Klassenstufe, den Unterstützungsmöglichkeiten in der Familie und von der Tatsache ab, ob Deutsch Familiensprache ist«, so Landesvorsitzende Uschi Kruse.
Wie groß die Wissens- und Kompetenzlücken sind, sollen im nächsten Schuljahr sogenannte Lernstandserhebungen ermitteln. Daraus sollen dann passende Unterrichtsangebote unterbreitet werden. Die Verantwortung für die Bewertung liegt bei der einzelnen Schule.
Katrin B.s Sohn Louis wird ab Ende August die zweite Klasse besuchen. »Ein neuer Lockdown wäre für alle eine Katastrophe«, ist sich die junge Frau mit allen anderen Eltern einig.