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Aufgeschmissen ohne Auto

Ist der Bus schon weg? Für die Touristen und Einwohner in Neuhermsdorf stellt sich diese Frage an Wochenenden und Feiertagen nicht. Grund: Es fährt planmäßig keiner.
Dietmar Hofmann macht sich für eine Bus-Kammlinie zwischen Altenberg und Rechenberg-Bienenmühle stark. Diese soll zwei Mal täglich verkehren in beide Richtungen und auch Orte rechts und links der Strecke bedienen, darunter Moldava (CZ) und Hermsdorf.            Foto: Schramm

Dietmar Hofmann macht sich für eine Bus-Kammlinie zwischen Altenberg und Rechenberg-Bienenmühle stark. Diese soll zwei Mal täglich verkehren in beide Richtungen und auch Orte rechts und links der Strecke bedienen, darunter Moldava (CZ) und Hermsdorf. Foto: Schramm

 Neuhermsdorf zählt nicht einmal 100 Einwohner. Der kleine Ort liegt auf der Postleitzahlengrenze, der größere Teil gehört zu Hermsdorf, der kleinere zu Altenberg. Trotzdem gibt es hier drei große Hotels und unzählige Pensionen. Menschen, die hier Urlaub machen, wollen wandern, in die Loipe oder sich einfach erholen. Der ideale Urlaubsort hat jedoch einen Makel – seine ÖPNV-Anbindung.  Der Bus fährt werktags selten, in den Ferien noch seltener und am Wochenende gar nicht. »In den Ferien gibt es werktags nur drei Fahrten nach Altenberg bzw. Hermsdorf. Richtung Rechenberg-Bienenmühle sieht es noch schlimmer aus«, ärgert sich Dietmar Hofmann aus Neuhermsdorf. Vorausgesetzt es sind keine Ferien, gibt es werktäglich zwei Gelegenheiten, ins Brauereimuseum nach Rechenberg zu kommen, eine 13.46 Uhr und eine zweite 14.50 Uhr. Zurück gibt´s nur eine Fahrt, und die startet halb vier. »Am Wochenende kommen Sie gar nicht weg von Neuhermsdorf – egal wohin«, schimpft Hofmann.

»Ohne Auto sind Sie aufgeschmissen«

Von der ÖPNV-Anbindung der Altenberger Hotels kann Ingo Dietrich nur träumen. »Klar fühlen wir uns abgehängt«, sagt der Geschäftsführer des SWF-Sporthotels in Neuhermsdorf (75 Betten). »Ohne Auto sind Sie hier oben aufgeschmissen«, schiebt er hinterher. Früher habe man die Gäste noch abgeholt, beispielsweise vom Bahnhof. »Uns fehlt inzwischen das Personal. Wir müssen uns auf´s Kerngeschäft konzentrieren und können nicht nebenbei noch Taxi spielen«, erzählt er.  Größere Wander- oder Langlauftouren müsse man eben inklusive Rückweg planen, denn Taxis seien auch nicht leicht zu bekommen, meint Dietrich. Khalifa Doghmani, Inhaberin des Landhotels Wettin (80 Betten), hatte erst neulich eine  Wandertruppe im Haus. »10 Leute, die eine große Wandertour geplant hatten. Die haben sich die Hände wund telefoniert, um eine Rückfahrgelegenheit zu organisieren – drei Tage lang, ohne Erfolg«, sagt Doghmani. Dass gerade an den gut gebuchten Wochenenden überhaupt kein Bus fährt, findet sie besonders ärgerlich. »Man denkt immer, dass heutzutage jeder ein Auto besitzt. Aus unserer Erfahrung heraus trifft das aber nicht zu«, so die Inhaberin weiter. Ist Neuhermsdorf ausgebucht, sind gut und gern 350 bis 400 Touristen im Ort. Kammlinie zwischen Altenberg und Rechenberg-Bienenmühle Seit Sommer 2018 hat Dietmar Hofmann Unterschriften für eine bessere Busanbindung gesammelt. 2.300 Menschen haben die Petition inzwischen unterzeichnet, darunter viele Urlaubsgäste der Hotels und Pensionen. Die Idee: Eine Kammlinie zwischen Altenberg und Rechenberg-Bienenmühle, die zwei Mal täglich in beide Richtungen verkehrt und Orte rechts und links der Strecke, wie Moldava und Hermsdorf, mit bedient. »Das würde nicht nur der Tourismuswirtschaft helfen, sondern auch den Menschen, die hier leben«, meint Hofmann. Altenbergs Bürgermeister Thomas Kirsten unterstützt grundsätzlich jedes Engagement für eine bessere Nahverkehrsanbindung jenseits der Bundesstraße. »In erster Linie geht es mir darum, eine ÖPNV-Grundversorgung in den Ortsteilen sicher zu stellen. Das heißt: täglich mindestens eine Verbindung – sieben Tage die Woche. Besser wären natürlich zwei«, sagt er.  Kirsten hofft, dass von den zusätzlich 75 Millionen für den ÖPNV im Doppelhaushalt 2019/2020 nicht alles in die Ballungsräume fließt. »Generell hat ÖPNV für mich etwas mit Daseinsfürsorge zu tun – gegenüber den Menschen, die hier leben«, meint er. "Zu wenig Fahrgäste" Die Zuständigkeit für den Busverkehr liegt beim Landratsamt. Wie die Behörde mitteilte, verkehre die Linie 373 von Montag bis Freitag mit sieben Fahrtenpaaren und sei auf die Bedürfnisse vor Ort abgestimmt. Bis 2010 fuhr die Buslinie 733 am Wochenende zwischen Rechenberg-Bienenmühle und Altenberg. »Aufgrund fehlender Fahrgäste wurde die Linie durch den Regionalverkehr Mittelsachsen verkürzt und bedient Altenberg nicht mehr«, sagte die zuständige Beigeordnete Kati Hille. Sie erinnerte an den Werdegang des Ski- und Wanderbusses, der zwischen 2010 und 2014 jeweils von Dezember bis Februar zwischen Rechenberg-Bienenmühle und Altenberg verkehrte. »Die Fahrgastzahlen sanken von Saison zu Saison, das Angebot konnte trotz Bemühungen der Landkreise, Verkehrsunternehmen und Hoteliers nicht weiter finanziert werden«, so die Beigeordnete weiter. Die Idee eines verbesserten Busangebotes in der Kammregion (Kammlinie) wurde bis 2018 noch nicht an den Landkreis herangetragen. »Um eine Buslinie entlang des Kamms einzurichten, sind in diesem Fall Abstimmungen mit dem Nachbarlandkreis Mittelsachsen, dem Verkehrsverbund Mittelsachsen, dem Verkehrsverbund Oberelbe, den Verkehrsunternehmen und unserem Landkreis, auch hinsichtlich der Finanzierung, notwendig. Für eine Anbindung nach Moldava ist eine grenzüberschreitende Genehmigung zusätzlich erforderlich«, sagte Kati Hille. Die Petition soll demnächst im Landtag übergeben werden.


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