Riesa war in »Geiselhaft« - Was bleibt nach den Demonstrationen gegen den AFD-Parteitag
Oberbrügermeister Marco Müller bewertet die Auswirkungen der Proteste für die Stadt
Marco Müller, Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Riesa, gibt zu den Ereignissen am 11. Januar, eine Erklärung ab: »Der Parteitag der Alternative für Deutschland und die damit im Zusammenhang stehenden Protestaktionen bedeuteten für unsere Stadt eine Ausnahmesituation, wie sie bisher noch nicht vorgekommen ist. Es gehört zur Demokratie, dass Vertreter unterschiedlicher Ideologien und politischer Richtungen ihre Meinung öffentlich kundtun können. Sowohl der Parteitag als auch die Demonstrationen waren Zeichen dafür. Mein Dank gilt deshalb der Polizei, die gemäß ihrer im Grundgesetz verankerten Verpflichtung und ihres Neutralitätsgebotes sowohl die Durchführung des Parteitages als auch die Protestversammlungen ermöglicht und abgesichert hat.
Für die Bürger stellte der Tag eine große Herausforderung dar: Die freie Bewegung war erheblich eingeschränkt. Obwohl sich ein Großteil der Demonstranten friedlich verhielt, kam es leider zu unschönen Begleiterscheinungen, z.B. erhebliche Verschmutzungen im Stadtgebiet durch Müll, Fäkalien, Schmierereien und Aufkleber sowie teils unerträgliche Lärmbelästigungen. Da sich ein Teil der angereisten Personen nicht an die Festlegungen zu den angemeldeten Versammlungsorten gehalten hat, entstand eine Situation, die bei vielen Einwohnern Ängste und Besorgnis hervorrief. Menschen kamen nicht zu ihrem Arbeitsplatz, Rettungsfahrzeuge mussten längere Wege und Verzögerungen in Kauf nehmen. Ich danke allen Riesaern dennoch für ihre Geduld und ihr Verständnis für die gewaltigen Einschränkungen!
Persönlich sehe ich die AfD als politischen Gegner, dessen Ideologie schädlich für unsere Heimat Deutschland ist. Der Kampf dagegen muss über Argumente und konstruktive Sachpolitik überall in der Gesellschaft geführt werden. Beim berechtigten Protest jedoch eine Stadt förmlich in »Geiselhaft« zu nehmen, kann keine sinnvolle Lösung sein!
Die Stadt Riesa steht allen Parteien, die nicht verboten sind, als Tagungsstätte offen. Wir würden uns sehr freuen, in Zukunft auch Vertreter aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien zu ihren Veranstaltungen in Riesa begrüßen zu dürfen.
"Eine Meinung" der Kommentar von Verena Farrar
Ganz so friedlich wie anfangs vermeldet waren die Proteste rund um den AfD-Parteitag in der WT-Arena doch nicht. Die Polizei meldet: »Wir haben unsere Ziele erreicht: Der Parteitag konnte stattfinden« - wenn auch mit einiger Verspätung und »Andersgläubige« konnten »in Sicht- und Hörweite ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen«, erklärte Polizeichef Lutz Rodig.
Doch der Teufel liegt wie in vielen Dingen auch hier im Detail: Nach derzeitigem Stand wurden 30 Polizisten verletzt und zehn Dienstfahrzeuge beschädigt. Zudem registrierte die Polizei mehr als 70 Straftaten. So wird wegen Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Nötigung, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung ermittelt. Zwei Personen wurden festgenommen. Ein Lokalpolitiker der Linken soll durch einen Schlag aus den Reihen der Polizei verletzt worden sein und hat Anzeige erstattet. Auch wird ein Vorfall um einen Diensthunde-Einsatz untersucht. Die Riege rund um die Veranstalter vom »Bündnis widersetzen« konnten nach der Aktion keine Zahlen von möglichen Verletzten liefern.
So stellt sich doch die ganz nüchterne Frage, wem die Demonstranten, die vielerorts nicht gesprächsbereit waren und die Pressearbeit gestört haben, genutzt haben?
Viele Riesaer waren genervt von den vielen Demo-Touristen, augenscheinlich aus dem alternativen Lager, die mit Bussen nach Riesa chauffiert wurden. Doch der Verkehr kam auch abseits der genehmigten Strecke des Demonstrationszuges durch Sitzblockaden für Stunden völlig zum Erliegen, Geschäfte, die Schwimmhalle, der Tierpark schlossen vorsorglich für den Samstag. Eine Sportveranstaltung wurde kurzfristig abgesagt. Pflegedienste saßen fest. Auf der anderen Seite parkten die Begleitfahrzeuge der Demonstranten mit lauter Musik und Durchsagen vor einem Altenheim und im Wohngebiet, das Stadtzentrum wurde vermüllt, mit Aufklebern verunstaltet, Zäune und Einfriedungen zerstört und an die Zahl der »Wildpinkler« möchte ich gar nicht denken.
Nun kann man sich fragen, wie groß die Akzeptenz für solch eine Aktion in Riesa unter den Anwohner war. Ich spekuliere mal: sehr gering! Sie müssen jetzt den politisch motivierten Wochenendausflug ausbaden.
Ich frage mal im Umkehrschluss: Wie viele konservativ-rechte Demonstranten die Parteitage der SPD, der Grünen oder des BSW gestört haben? Sie werden doch nicht den Sinn oder Unsinn einer solchen Aktion erkannt haben...
Wenn echte Argumente fehlen, gewinnen Gewalt und Trotz die Oberhand. Nur leider sind wir nicht im Sandkasten und streiten um die Förmchen, die ganze Aktion mit mehr als 4.000 Polizisten kostete den Steuerzahler noch dazu richtig viel Geld.