Millionen Geschenk: Fluch & Segen
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Lommatzsch erhält unverhofft ein Vermögen von 2,6 Millionen Euro. Was zunächst wie ein Gerücht klang, wurde zur Realität – und Bürgermeisterin Dr. Anita Maaß konnte ihre Freude kaum verbergen. Im vergangenen Jahr hatte sie noch von einer Erbschaft in Höhe von 600.000 Euro gesprochen. Doch nun überrascht das Testament des verstorbenen Ingo Menzel mit einer Summe, die weit darüber hinausgeht. »Das ist wie ein einmaliger Lottogewinn und ein Segen für Lommatzsch«, sagt Maaß. Die Erbschaft ist nicht an einen bestimmten Verwendungszweck gebunden, was bedeutet, dass die Stadt das Geld nach eigenem Ermessen einsetzen kann. Und darin liegt auch schon der »Fluch«. Der Stadtrat soll in den kommenden Monaten entscheiden, wie das Geld verwendet werden soll. Das ist eine sehr große Verantwortung in die Zukunft.
»Lommatzsch hat sich in den vergangenen Jahren zu einer stabilen Stadt entwickelt. Seit 20 Jahren haben wir auch mit unangenehmen Entscheidungen an der Konsolidierung des Haushaltes gearbeitet und haben es geschafft die Verschuldung zu senken, freiwillige Aufgaben zu sichern und Zukunftspläne zu sichern«, erklärt die Bürgermeisterin. Eins steht für sie fest: »Wir müssen klug mit diesem Geld umgehen, denn wir haben es nur einmal zur Verfügung«, sagt Maaß und weiter: »Es soll der gesamten Stadt zugute kommen und vor allem auch den kommenden Generationen etwas bringen. Es ist ein Geschenk, das wir mit Bedacht und Weitblick verwenden wollen.«
Unzählige Ideen flattern ein
Der Stadtrat hat bereits im April einen Grundsatzbeschluss gefasst: Das Erbe soll für Investitionen in freiwillige Aufgaben eingesetzt werden. Damit würde der Haushalt langfristig entlastet und es gebe einen Zuwachs an Möglichkeiten für Vereine, Feuerwehr und Kitas. Damit beschäftigen sich auch die Ideengeber, die die Stadtverwaltung aktuell mit Wünschen überfluten. Aber auch Geld für Vereine, Spielplätze und natürlich die Sanierung und Wiedereröffnung des Freibades zählen zu den meisten Wünschen der Ideengeber.
Die »Lieblingsvariante« der Bürgermeisterin sei eine Mischform aus Gegenwarts- und Zukunftsfinanzierung für Lommatzsch, die die Teile des Erbes ganz unterschiedlich nutzt. Sie würde die Hälfte des Geldes zeitnah investieren und die andere Hälfte zurücklegen oder in einer Stiftung arbeiten lassen - die Zinsen für die Stadt nutzen. »Ich würde mir wünschen, 460.000 Euro der Summe könnten 2027 für die Ablösung des Kredites des Schützenhauses genutzt werden, damit würde der Haushalt langfristig entlastet. Ebenso könnten 700.000 Euro in den Neubau eines Sportsozialgebäudes fließen und ca. 375.000 Euro für Eigenmittel für die Aufstockung des Stadtsanierungsprogramm genutzt werden. Die restlichen 1,15 Millionen Euro wären eine gute Rücklage, die jährlich knapp 30.000 Euro Zinsen in den Haushalt spülen würde. Damit könnten wir viel für die Vereinsunterstützung machen und müssten kein »eigenes« Geld einsetzen«, erklärt Anita Maaß.
Sie kennt natürlich die Wünsche, die die große Gruppe der Lommatzscher Badfreunde haben. »Ich weiß, dass sofort der Wunsch nach der Sanierung des Terence Hill-Freibades aufkommt, aber dafür würde das Geld kaum reichen«, stellt sie klar. Denn der Kostenüberblick (ca. 2,5 Millionen Euro) für eine Sanierung ist mehrere Jahre alt und heute so nicht mehr machbar. Auch würde die Unterhaltung des Bades die Stadt bald wieder in finanzielles Bedrängnis bringen und der künftigen Generation wieder einen »Schuldentopf« hinterlassen. Auch wäre für sie die Auslastung des Bades fraglich: Fast jeder Hausbesitzer hat einen eigenen Pool.
Für die Abstimmung hat jedes Ratsmitglied eine Stimme. Anita Maaß könnte sich bei Uneinigkeit auch eine zusätzliche Bürgerbefragung zum Freibad vorstellen.
Obwohl die Entscheidung noch aussteht, ist die Freude in Lommatzsch spürbar. Und für die Bürgermeisterin ist klar: Dieses Erbe ist nicht nur ein finanzieller Glücksfall, sondern auch ein Zeichen der Verbundenheit und Dankbarkeit zwischen der Stadt und der Menzel-Dynastie.
Der Ursprung des Lommatzscher Erbes
Der Ursprung der überraschenden Erbschaft liegt in der Geschichte von Lommatzsch begründet. Der Erblasser, Ingo Menzel, starb bereits 2021 im Alter von nur 56 Jahren. Obwohl er nie in der Kleinstadt lebte, ist sein Name und der seiner Familie dort allgegenwärtig. Ingo Menzel war ein Nachfahre der Menzel-Dynastie, die eng mit der Entwicklung des Glashandwerks in Lommatzsch verbunden ist – und auch mit dem weltbekannten Schauspieler Terence Hill, der ebenfalls weitläufig zur Familie gehört.
Die Geschichte der Menzels begann 1897, als Ingos Ur-Urgroßvater, Carl Menzel, die Glasfabrik Carlswerk gründete. Die Stadt half ihm dabei, das Unternehmen aufzubauen, und bald war das »Lommatzscher Glas« sogar international bekannt. 1920 wurde Carl Menzel für seine Verdienste sogar zum Ehrenbürger ernannt, und eine Straße in der Stadt trägt seinen Namen.
Ein Kapitel der Großzügigkeit
Doch die Geschichte der Menzels ist nicht nur von industriellem Erfolg geprägt, sondern auch von Großzügigkeit. Gerhard Menzel, der Enkel von Carl Menzel, brachte das Familienunternehmen in den 1950er Jahren nach Braunschweig und verkaufte es Anfang der 1990er Jahre an einen amerikanischen Konzern. Der Erlös aus diesem Verkauf sicherte der Familie ein weiteres großes Vermögen, und Gerhard Menzel zeigte sich großzügig. Im Jahr 1993 schenkte er Lommatzsch 600.000 DM für die Sanierung des Schützenhauses. Dafür wurde er ebenfalls zum Ehrenbürger der Stadt.
Bürgermeisterin Anita Maaß hatte schon damals den vorsichtigen Verdacht, dass Ingo Menzel, seinem Großvater nachfolgend, ebenfalls großzügig sein würde. Als sie von seinem Tod erfuhr, ahnte sie, dass ein weiteres Kapitel in dieser Geschichte folgen könnte: Ingo Menzel hinterließ der Stadt Lommatzsch laut Testament 40 Prozent seines Vermögens, was rund 2,6 Millionen Euro entspricht. Dieser Anteil geht an die Stadt, falls Menzel ohne Nachkommen und Frau sterben sollte.
Vermächtnis als Dankeschön
Was ist der Grund für diese Großzügigkeit? Ingo Menzel erklärte in seinem Testament (vom August 1993), dass der Ursprung seines Vermögens in der Hilfe der Stadt Lommatzsch für die Gründung der Glasfabrik durch seinen Ur-Urgroßvater Carl Menzel im Jahr 1897 liege. Diese Unterstützung, so Menzel, habe den »Grundstein für mein derzeitiges Vermögen« gelegt. Für ihn sei es eine Frage der Ehre, dieses Vermächtnis an die Stadt zurückzugeben. »Es ist unglaublich, dass diese Tradition von Großzügigkeit über Generationen hinweg fortgesetzt wurde«, gesteht Bürgermeisterin Anita Maaß. »Die Menzel-Dynastie hat Lommatzsch immer unterstützt – und das Vermächtnis des Großvaters von Terence Hill ist ein wahres Geschenk für uns«, fügt sie an.
Die Zukunft von Lommatzsch
Jetzt, da der Geldsegen endlich auf dem Konto der Stadt eingegangen ist, stellt sich die Frage, wie das Geld am besten genutzt werden kann. Der Haushalt von Lommatzsch umfasst aktuell nur rund zwölf Millionen Euro. Das Erbe bietet die einmalige Chance, wichtige Projekte zu realisieren, die sonst noch Jahre auf sich warten lassen müssten. In den nächsten Monaten wird der Stadtrat darüber beraten, wie die Erbschaft sinnvoll eingesetzt wird.