

Das Dach verkohlt, die Scheiben zerborsten, die Haustür sperrangelweit offen. Der 1896 erbaute Gasthof „Herr Gevatter“ in Wölkisch gibt ein trauriges Bild ab. Im Dezember 2020 geriet das Anwesen in Brand und damit ungewollt in die Schlagzeilen. Wie später rauskam, hatten sich drei Personen Zutritt verschafft und mehr oder weniger belanglose Dinge entwendet. Um ihre Spuren zu verwischen, legten sie Feuer. Die Schäden waren immens. Der Dachstuhl brannte komplett aus.
Plan ging nicht auf
Einer war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr da: Paolo Dolzan. Der gebürtige Italiener hatte das Anwesen 2015 gekauft. Er und seine Mitstreiterin Roberta Galbani hegten große Pläne. Wie sie damals im Gespräch mit dem WochenKurier verrieten, sollte der Gasthof zum Künstlerhaus werden. Ateliers, Konzerte, Theater und Ausstellungen waren im Gespräch. Im Gastraum sollten italienische Speisen serviert werden, um das Ganze zu finanzieren. Der Plan ging nicht auf. „Ich habe ein ganzes Jahr viel Energie in dieses Projekt investiert. Doch es gab zahlreiche Schwierigkeiten. Aus beruflichen Gründen war ich dann gezwungen, unplanmäßig nach Italien zurückzukehren“, schreibt er uns. In der Folge habe er sich von Italien aus bemüht, Lösungen für den Gasthof zu finden. Auch ein Verkauf kam in Betracht.
Woher die Wertsteigerung?
Andreas Jannak von GSA Immobilien aus Coswig hatte den Gasthof damals unter Vertrag und erinnert sich: „Herr Dolzan wollte für das Anwesen mindestens 100.000 Euro haben. Allerdings war allgemein bekannt, dass er lediglich 40.000 Euro dafür bezahlt hatte.“ Wie die enorme Wertsteigerung zustande kam, kann sich Jannak bis heute nicht vernünftig erklären. „Es wurde weder saniert, noch restauriert. Man hatte lediglich ein paar Räume angepinselt“, so der Immobilien-Experte. Jedenfalls gab es in der Folge einige Vorort-Termine. „Wir hatten um die 20 Anfragen. Mal abgesehen von den ganzen Lost-Places-Fotografen und Interessenten mit völlig falschen Vorstellungen, gab es einen potentiellen Käufer, der bereit gewesen wäre 50.000 Euro zu bezahlen“, erinnert sich Jannak. Der Deal kam aufgrund der Preisvorstellungen des Verkäufers nicht zustande. Die Zusammenarbeit sei wenig später beendet worden, hieß es.
"Dann haben sie mein Haus niedergebrannt"
Paolo Dolzan weißt übertriebene Preisvorstellungen seinerseits zurück. Die Entscheidung, das Gebäude zum Verkauf anzubieten, so teilt er auf Nachfrage mit, sei ihm nicht leichtgefallen. „Der Preis - von 140.000 Euro bzw. nicht unter 100.000 Euro – ist das Ergebnis einer Reihe von Überlegungen gewesen, die nichts mit Spekulation zu tun gehabt haben“, schreibt der Künstler. Er sei sich damals sicher gewesen, dass manche den potentiell hohen Wert des Gebäudes sehr wohl verstünden. 2018 / 2019 wollte der Maler nach eigenen Angaben mit einer neuen Strategie in Wölkisch wieder starten. Geplant war, Ausstellungen und Auktionen zu organisieren. „Aber Covid19 hat alles unterbrochen. Dann haben sie mein Haus niedergebrannt“, schreibt er.
Was will man damit?
Für Branchen-Experten sind solche Immobilien in dieser ländlichen Lage nicht gerade Verkaufsschlager, selbst ohne Brandschäden. „Die Frage ist immer: Was will man damit?“, gibt Andreas Jannak zu bedenken. Kneipe, Veranstaltungshaus, Treffpunkt – egal, welche Funktionen diese Häuser früher innehatten - diese Zeiten sind vorbei“, sagt er. Hinzu käme im Fall von Wölkisch ein hoher Sanierungsaufwand. „Allein beim Dach ist man schnell im sechsstelligen Bereich“, so der Experte. Das ließe sich nicht gegenfinanzieren.
Was passiert, wenn ein Denkmal zerstört wird?
Werden Kulturdenkmäler bzw. wesentliche Teile davon zerstört, liegt ein Straftatbestand vor, welchen die Untere Denkmalschutzbehörde als Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft meldet. So sieht es das Sächsische Denkmalschutzgesetz vor. „Als Verantwortliche werden dabei die ermittelten Täter und ggf. Mittäter herangezogen“, teilte die Untere Denkmalschutzbehörde des Landkreises auf Nachfrage mit. Zwar sind die mutmaßlichen Brandstifter inzwischen gefasst, doch inwieweit Leute in Regress genommen werden können, die Kerzenständer klauen, bleibt fraglich. Paolo Dolzan sieht sich finanziell nicht in der Lage, den Gasthof wieder aufzubauen. Er hat der Gemeinde das Haus als „Spende“ angeboten.
Denkmalschutz-Status
„Aufgrund des Schadenumfangs und Zerstörungsgrades des Gasthofes Wölkisch wurde durch die Untere Denkmalschutzbehörde eine Überprüfung der Denkmaleigenschaft bei der zuständigen Denkmalfachbehörde (Landesamt für Denkmalpflege in Dresden)“, teilte Landratsamt weiter mit. Das Ergebnis dieser Prüfung steht noch aus.
Zeitgleich hatten die Behörden dem Eigentümer zahlreiche Maßnahmen zum Schutz der verbliebenen Denkmalsubstanz aufgetragen. Über Facebook hatte Paolo Dolzan daraufhin eine Spendenkampagne gestartet, um das Dach zu sichern und den Gasthof einzuzäunen - mit Erfolg. Wie und ob es nun weitergeht, steht in den Sternen. Sollte die Gemeinde sein Angebot ablehnen, will er das Haus vielleicht einer Tanzschule aus Dresden schenken. Immobilen-Experte Jannak geht unterdessen davon aus, dass das Kulturdenkmal in ein paar Jahren in der Zwangsversteigerung landet. „Der Gasthof ist Geschichte“, sagt er und hat damit auf die eine oder andere Art wohl recht.