Constanze Junghanß

Hausarzt kommt künftig per Video

Landkreis Görlitz. Der Ärztemangel im ländlichen Raum nimmt zu. Lösungen gibt es jetzt in Niedercunnersdorf und im Schöpstal. Eine ist ungewöhnlich.

In Niedercunnersdorf sichert ein Modellprojekt die Versorgung der Patienten im ländlichen Raum. Der Arzt kommt per Videoschalte im Bedarfsfall dazu.

In Niedercunnersdorf sichert ein Modellprojekt die Versorgung der Patienten im ländlichen Raum. Der Arzt kommt per Videoschalte im Bedarfsfall dazu.

Bild: Pixabay

Die hausärztliche Versorgung in der Gemeinde Schöpstal ist gesichert. Im September des Vorjahres schloss die Hausarztpraxis im Wasserschloss Ebersbach und auf die Schnelle war kein Nachfolger in Sicht. Nun kann Bürgermeister Bernd Kalkbrenner die gute Nachricht verkünden. "Im Juli zieht wieder Leben in die Arztpraxis ein", informiert Kalkbrenner im Amtsblatt. Eine Allgemeinärztin übernimmt und praktiziert gemeinsam mit einem Psychiater in der 165 Quadratmeter großen Praxis im Schloss. In die Praxis hatte Schöpstal viel investiert und auch einen Fahrstuhl eingebaut.
Ein gänzlich neuer Weg und in dieser Form wohl einmalig in Sachsen wird ab Mitte April in Niedercunnersdorf eingeschlagen. Da entstand eine hausärztliche Versorgungspraxis und zwar Großteils ohne Hausarzt vor Ort. Der wird per Videokonferenz im Bedarfsfall hinzugezogen. Und so funktioniert die Praxis: "Drei sehr gut qualifizierte Mitarbeiterinnen sollen Routineuntersuchungen bei Patienten mit fest definierten Diagnosen anhand standardisierter Untersuchungs- und Behandlungsabläufe durchführen", sagt Katharina Bachmann-Bux, Pressesprecherin der KV-Sachsen. Dazu gehören unter anderem Blutabnahmen, Wundprävention und -versorgung sowie Impfungen in der Praxis oder im Hausbesuch. An einem Tag pro Woche ist außerdem ein Arzt direkt vor Ort.
Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen hat gemeinsam mit den Landesverbänden der sächsischen Krankenkassen sowie den Ersatzkassen dieses Modellprojekt ins Leben gerufen, um auf die Herausforderungen der ambulanten Versorgung in Sachsen mit regional angepassten und innovativen Konzepten zu reagieren. Es geht um die wohnortnahe medizinische Versorgung im ländlichen Raum, die mit diesem Modellprojekt sichergestellt werden soll. Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender der AOK PLUS, sagt dazu: "In Niedercunnersdorf ist es gelungen, aus der hausärztlichen Not eine wegweisende Lösung zu entwickeln." Was früher die bekannte Schwester Agnes war, "übersetzen wir heute in ein modernes Konzept: Routineaufgaben werden delegiert, ärztliche Expertise bleibt aber jederzeit verfügbar - ob vor Ort, per Video oder durch die enge Zusammenarbeit mit umliegenden Praxen", so Rainer Strobel. Das Niedercunnersdorfer Modellprojekt könne zum Prototyp für weitere Versorgungspraxen in ländlichen Regionen werden.
Denn der Mangel an Hausärzten ist groß. In den Planungsbereichen Görlitz, Löbau, Weißwasser, Niesky und Zittau droht die Unterversorgung, wie die KV Sachsen auf Wochenkurier-Nachfrage mitteilt. Für die Niederlassungen von Hausärzten gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten. Außerdem soll nach KVS-Angaben der Ausbau von digitaler Vernetzung und Kommunikation sowie von Videosprechstunden die bedarfsgerechte Behandlung gewährleisten.
Die Gründe für den zunehmenden Ärztemangel vor allem in ländlichen Gebieten wie dem Kreis Görlitz sind vielfältig. "Lange Wege, schwache Infrastrukturen, die Altersstruktur und zunehmende Bürokratisierung gehören dazu. "Für die niedergelassenen Ärzte wird es dadurch zunehmend schwieriger, einen Nachfolger für die Praxis zu finden. Hinzu kommt, dass neben dem wachsenden Versorgungsbedarf einer älter werdenden Bevölkerung auch die Altersstruktur der Ärzte zu Problemen führt", sagt Julia Leditzky vom Fachbereich Kommunikation der KVS.
Hausärzte in Sachsen behandeln durchschnittlich etwa 1.000 Patienten im Quartal. In schlechter versorgten Gebieten "kann die Fallzahl auch durchschnittlich 100-250 Patienten mehr als der sächsische Durchschnitt sein", so Julia Leditzky.


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