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Von Animositäten und Kräftemessen

Mit einem offenen Brief hat sich der ehemalige Stadtrat Patrick Höhne an die Bautzener gewandt. Höhne saß bis September 2018 für die CDU im Stadtrat. In Leipzig studierend, beobachtet er den politischen Zweikampf in Bautzen aus der Ferne.
Patrick Höhne. (Foto: privat)

Patrick Höhne. (Foto: privat)

In seinem Brief schreibt er: "Vier Jahre lang war ich Mitglied des Bautzener Stadtrates. Im September 2018 habe ich meine politischen Ämter niederlegen müssen, weil ich seit Oktober 2018 in Leipzig studiere. Manchmal benötigt man etwas Abstand, um zur bekannten Vogelperspektive – dem objektiven Blick von oben – zurückzufinden. Von Leipzig aus bin ich gezwungen, mir mit Hilfe der regionalen Zeitungen und sozialen Medien ein Bild von Bautzen und der politischen Großwetterlage in der Stadt zu verschaffen. Und jenes Bild, welches sich mir nunmehr wie einem objektiven Dritten bietet, möchte ich mit Ihnen teilen: Seit geraumer Zeit und auch wieder einmal gegenwärtig messen sich in Bautzen die politischen Kräfte. Dieses Kräftemessen belastet das Gemüt der Bevölkerung, die Wahrnehmung Bautzens in der Öffentlichkeit und die Prosperität unserer Stadt. Vor allem aber bleiben die wirklich entscheidenden Fragen und Probleme der Stadtentwicklung sprichwörtlich auf der Straße liegen und nehmen Schaden, weil sich die politischen Verantwortungsträger Bautzens mehr und mehr im politischen Zweikampf mit dem politischen Gegner verlieren.

Das Miteinander droht zu vergiften

Die Sache selbst ist zurzeit nicht mehr Gegenstand der Diskussionen. Partei- und lagerübergreifend arbeiten sich die Akteure maximal aneinander ab, sodass keine Energie für die Entwicklung Bautzens verbleibt. Die Stadthalle Krone, die neue Grundschule, die Spreequerung, das Stausee-Areal, der Lauengraben, die Parkplatzsituation in der Innenstadt, bezahlbarer generationengerechter Wohnraum, Eigenheimstandorte, Gewerbeansiedlungen - alle Schlagworte sind akute Handlungsfelder der kommunalen Politik. Sie alle treten zurück, weil die politischen Gruppen in Bautzen nicht nach adäquaten Lösungen suchen, sondern nach salonfähigen Schuldzuweisungen, um den politischen Gegner zu entblößen. Ein Klima der abwesenden Sachlichkeit, welches Toleranz verdrängt und das kommunale Miteinander auf lange Zeit zu vergiften droht. Ich frage mich, wie meine Heimatstadt an diesen Punkt gelangen konnte. Und ich sorge mich davor, dass diese Entwicklung zur Normalität wird. Es ist allerhöchste Zeit für einen Richtungswechsel. Bautzen muss zu einem friedlichen, der Sache verpflichteten, Miteinander zurückfinden. Umso intensiver der öffentliche Diskurs über die Frage geführt wird, wie in Bautzen dieser Zustand wiederhergestellt werden kann, desto mehr wird mir bewusst, dass die Handelnden die gespaltene Stadtgesellschaft überwinden möchten, indem sie die Standpunkte ihrer politischen Mitbewerber versuchen zu widerlegen. Alle Vorstellungen, welche sich außerhalb des eigenen Weltbildes bewegen, werden abgelehnt. Die Meinung des Anderen wird abgewertet. Und wo Meinungen abgewertet werden, werden nicht zuletzt auch Menschen abgewertet und ausgegrenzt. Und in dem Moment, in dem man seine Mitbürger ausgrenzt, arbeitet man gegeneinander und nicht miteinander. Die „Ich habe Recht und Du liegst falsch.“-Mentalität ist gesellschaftsfähig geworden.

Bautzen muss lernen zu vergeben

Der bisherige Weg, wie man die entstandene Spaltung besiegen möchte, scheint nicht zum verhofften Ergebnis zu führen. Dabei ist es nicht notwendig den Anderen zu verändern, um ein intaktes Zusammenleben zu ermöglichen. Ich halte es persönlich auch nicht für möglich, da sich Charaktere nicht formen lassen. Denn was man mit Gewalt erlangt, kann man nur mit Gewalt halten. Unterdrückte Meinungen brechen sich nach einer gewissen Zeit immer wieder Bahn. Bautzen muss daher lernen zu akzeptieren. Akzeptieren, dass die Menschen sind, wie sie sind. Wir müssen uns wieder mit unseren Gemeinsamkeiten identifizieren und nicht mit unseren Unterschieden. Der Begriff der deutschen Nation wurde während der napoleonischen Befreiungskriege im Übrigen über die gemeinsame Religion, Kultur und Sprache hergeleitet. Lernen wir aus unserer Geschichte: Blicken wir künftig wieder auf Angelegenheiten, in denen wir übereinstimmen, und auf die daraus wachsenden Ziele. Lassen wir einander in Ruhe, wenn wir gegensätzlicher Meinung sind. Konzentrieren wir unsere Kraft auf Dinge, die uns einen.

Nur ein "Waffenstillstand" hilft, die Lage zu beruhigen

Unsere Gesellschaft befindet sich an einer Zeitenwende, die mit Herausforderungen für den ländlichen Raum aufwartet, deren Vorboten wir schon heute spüren. Wir haben nicht die Kraft gegen äußere Einflüsse und gleichzeitig gegeneinander zu arbeiten. Wir können es uns nicht leisten unsere Stadt zu zerreden, wenn wir uns im Zeitalter der vierten industriellen Revolution behaupten wollen. Setzen sich die politischen Flügel weiterhin mit ihren Differenzen auseinander, wird eine Anschuldigung die andere jagen. Denn sagen, welche Seite den Stein einst ins Rollen gebracht hat, kann nach den Monaten anhaltender Dispute in Bautzen niemand mehr eindeutig. Keine Seite wird zudem ihren Stolz fallen lassen und Irrtümer eingestehen, vor allem nicht unmittelbar vor einer Kommunalwahl. Bautzen befindet sich im Frühjahr 2019 in einer Einbahnstraße: Einzig und allein ein Waffenstillstand zwischen den politischen Verantwortlichen kann die gesellschaftliche Lage in Bautzen jetzt beruhigen. Die Animositäten müssen ad acta gelegt und vergessen werden. Und Bautzen muss Ruhe und Ordnung finden. Wenn jemand diesen Text liest und daraufhin seinen politischen Kontrahenten auf der Straße nett grüßt oder ihm bei der nächsten Begegnung im Einkaufscenter die Hand gibt, hat sich das Lesen für alle Bautzener gelohnt. Und wer weiß: Vielleicht trägt diese Denkschrift dazu bei, dass die politischen Verhältnisse in Bautzen neu erblühen. Der Frühling ist schließlich gekommen."


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