Katrin Demczenko

Probebohrungen erforschen Ruhe unter Tage

Hoske. In der Lausitz könnte bald eines der bedeutendsten wissenschaftlichen Großprojekte Europas entstehen: Ein hochmodernes Untergrundlabor zur Erforschung kosmischer Gravitationswellen.
Prof. Dr. Christian Stegmann (m.) erklärt dem Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Dr. Andreas Handschuh (r.), und der Landtagsabgeordneten Elaine Jentsch die geplanten Bohrungen.

Prof. Dr. Christian Stegmann (m.) erklärt dem Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Dr. Andreas Handschuh (r.), und der Landtagsabgeordneten Elaine Jentsch die geplanten Bohrungen.

Bild: Katrin Demczenko

Seit 2022 untersucht das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA) das Granodiorit-Massiv zwischen Hoyerswerda, Kamenz und Bautzen, um hier mit Geldern aus dem Investitionsgesetz Kohleregionen in 200 Metern Tiefe ein hochmodernes Untergrundlabor zu bauen. Dieses soll kosmische Gravitationswellen einfangen, damit Wissenschaftler Ereignisse im All besser erforschen können, erklärt die Abgeordnete des Sächsischen Landtages, Elaine Jentsch, in Hoske bei Wittichenau. In dem Dorf läuft jetzt, nach Cunnewitz, die zweite Probebohrung, weitere sechs sollen folgen, erfährt der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Dr. Andreas Handschuh, von Prof. Dr. Christian Stegmann. Der Wissenschaftler ist erster Direktor des Bereichs Astroteilchenphysik am DESY Zeuthen und vertritt auch das DZA.

 

Erste Messwerte im August erwartet

An einem Feldrand steht relativ unscheinbar ein Bohrgestänge. Bauleiter Johannes Müller von der Firma Pruy KG erklärt anhand von Bohrkernen Folgendes: Die Bohrung erreicht jetzt 84 Meter und befindet sich im festen Granodiorit-Massiv. In zwei Monaten ist sie in 250 Metern Tiefe beendet und Messgeräte werden eingebracht. Ab August stehen erste valide Messwerte zur Verfügung, die die vorhandene Ruhe unter der Erdoberfläche dokumentieren, erklärt die Gesamtprojektleiterin zur Etablierung des DZA in der Lausitz, Katharina Henjes-Kunst. Für das Untergrundlabor des Großforschungszentrums wird der ruhigste Standort möglichst ohne einwirkende überirdische Störquellen gesucht. Verursacher von Erschütterungen sind zum Beispiel Tagebaue, der Schienen- und Straßenverkehr sowie Windparks.

Um explizit Auswirkungen großer Windräder in 200 Metern Tiefe zu erforschen, wird eine Probebohrung in Thonberg bei Kamenz erfolgen, sagt Christian Stegmann. Sogar den Zug der Osterreiter zeichnen die Messinstrumente in Cunnewitz seit drei Jahren auf. So verbindet die Lausitz jahrhundertealte Traditionen mit modernster Astrophysik.

Das Untergrundlabor soll, so wünschen es sich die Forschenden, in die Nähe des geplanten Gravitationswellen-Interferometers Einstein-Teleskop kommen. Es ist eines der wichtigsten europäischen Großforschungsprojekte mit weltweiter wissenschaftlicher Tragweite, erklärt Christian Stegmann.

 

Lausitz als Kandidat für Einstein-Teleskop

Er hofft, dass circa 2027 Wissenschaftler und Politiker der beteiligten Länder gemeinsam sinnvoll entscheiden, wo das Teleskop aufgebaut wird. Bewerber sind die Lausitz, das Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande und ein ehemaliges Bergwerk auf der italienischen Insel Sardinien.

»Das Einstein-Teleskop steht im Koalitionsvertrag«, verkündet der Vertreter des DZA. Die Bundesregierung bekennt sich zu dem Vorhaben. Eine zügige, gut durchdachte Planung kann die erwartbar hohen Kosten im Rahmen halten. »Wir brauchen auch so große wirtschaftliche und wissenschaftliche Projekte für ein freies Europa«, sagt Christian Stegmann.

Die Gesamtprojektleiterin vom DZA, Katharina Henjes-Kunst, spricht von einer Kooperationsvereinbarung mit tschechischen Hochschulen, die bald unterzeichnet wird. Auch Verbindungen zu polnischen Wissenschaftlern werden geknüpft. Christian Stegmann lobt den guten Kontakt zu den Behörden der Landkreise Bautzen und Görlitz. Der Bürgermeister von Wittichenau, Markus Posch, versteht die Bohrungen als positives Signal für die Lausitz. Die Region brauche tragfähige Entwicklungsperspektiven für die Zeit nach der Kohle.


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