Rainer Könen

Lokfahren. Malen. Promis treffen.

Region. Unterwegs mit einem Trilex-Lokführer von Dresden in die Oberlausitz. Auf der Strecke hat Karl Kujau schon einiges erlebt.

Katarina Witt. Julian Nagelsmann. Chris de Burgh. Sting. Ein Café im Dresdner Hauptbahnhof: Karl Kujau scrollt auf seinem Smartphone. Zeigt Fotos, auf denen er mit Promis zu sehen ist. Der 36-Jährige erzählt von diesen Begegnungen, davon, dass etliche dieser bekannten Zeitgenossen »angenehme und zurückhaltende Menschen« seien.

Von Dresden nach Zgorzelec

Treffen mit dem Trilex-Lokführer, den man auf der Strecke von Dresden in die Oberlausitz im Führerstand begleiten wird. Kujaus Redefluss reißt ab: »Wir müssen los«. Wenig später steht man - außerhalb der Bahnhofshalle - auf einem Nebengleis. Hier steht der TLXRE1, die Expressversion der Trilex-Länderbahn. Kujau fährt an diesem Tag von Dresden ins polnische Zgorzelec. Knapp 115 Zugkilometer sind das, elf Haltestellen. Drei mal hin und zurück, das ist sein Arbeitspensum an diesem Tag. Der Dieselmotor tuckert, in einigen Minuten wird er in den Dresdner Hauptbahnhof einfahren. Es werden noch zwei weitere Triebwagen angekoppelt. Im Branchenjargon wird das Dreifachtraktion genannt, hat der Zug eine Gesamtlänge von 126 Metern. 14.29 geht es los, fünf Minuten später hält er in Dresden-Neustadt. Ein Mann klopft ans Seitenfenster des Führerstands, will wissen, ob Kujau Verspätung habe - »Nee, wir sind pünktlich« - und was er so verdiene. Ein kurzer Plausch über die Entlohnung von Lokführern, das Signal zeigt grünes Licht. Der Zug fährt an. Unterwegs erzählt der 36-Jährige, dass er seit zwei Jahren Teilzeit arbeite, 20 Stunden in der Woche. 14.41 Uhr: Dresden-Klotzsche. Bevor es weitergeht, ein Blick durchs Seitenfenster auf den Bahnsteig, er vergewissert sich, ob alles in Ordnung ist, alle eingestiegen sind.

Entgegenkommende Zugführer werden gegrüßt. Das sei so üblich, so Kujau, denn »wir sind eine große Eisenbahnerfamilie«. 14.48 Uhr hält der Zug in Radeberg. Fahrplanmäßig. Der 36-Jährige, der in Radebeul lebt, erzählt von der Faszination seines Berufs, von Sonnenauf- und untergängen, vom Wechsel der Jahreszeiten, schwärmt von den Bilderbuchlandschaften, durch die er fährt. Die Herausforderung seines Jobs ist, trotz aller Routine, aufmerksam zu bleiben. Die Technik hilft ihm, er muss mit dem Wachsamkeitsschalter jedes Signal, das ihm auf der Strecke begegnet, bestätigen, seine Füße ruhen auf einem Pedal, dem Sicherheitsfahrschalter, das er in in regelmäßigen Abständen entlasten muss. Andernfalls legt der Zug eine automatische Vollbremsung hin.

Ausbildung in Mannheim

Arnsdorf verlässt er um 14.53. Bis nach Bischofswerda sind es zehn Minuten. Sanft surrt der Zug über die Gleise. Kujau erzählt von seiner Leidenschaft, dem Malen. Dem widmet er sich seit zwei Jahren intensiver. Talent hat er, das hat ihm ein Verwandter bestätigt, der bekannte deutsche Maler und Kunstfälscher Konrad Kujau. Der in den 80er Jahren mit seinen gefälschten Hitler-Tagebüchern weltbekannt wurde. Ihm zeigte damals seine Mutter ein Bild von Karl. Konrad Kujaus Antwort: »Der Junge hat was drauf.« Mit zwölf Jahren verkaufte Karl sein erstes Bild. Doch statt nach dem Abi Kunst zu studieren, begann er 2008 in Mannheim bei der DB Regio eine Ausbildung zum Disponenten/Lokführer. Nach der Ausbildung, 2011, ging es nach Sachsen zurück, begann er bei der Städtebahn, wechselte 2014 zur Trilex-Länderbahn. Lokfahren und Malen, das sind die Pole zwischen den sich sein Leben abspielt. Und noch eine weitere Passion hat er: er ist Dynamofan. 2016, als die Dresdner in die Zweite Bundesliga aufstiegen, malte er einige der damaligen Stars. Ausdrucksstarke Bilder, das sprach sich herum.

Vom »Worst Case« nicht verschont

Bischofswerda erreicht Kujau kurz nach 15 Uhr. Hier wird der Zug geteilt, ein Teil geht nach Zittau, der andere nach Görlitz respektive Zgorzelec. Auf dem Weg nach Bautzen, auf den geraden Passagen, geht es mit rund 110 Stundenkilometern voran. Lokführer Kujau hat auf den Oberlausitzer Strecken schon vieles erlebt, auch Unschönes. Zusammenstöße mit Rehen und Wildschweinen, Entgleisungen, umgestürzte Bäume auf dem Gleis, vom »Worst Case« seines Berufsstandes wurde er auch nicht verschont. Ein Unfall, zwei Suizide, drei Tote. Er atmet kurz durch. Das Malen habe ihm da über »diese schwierigen Phasen« geholfen.

Über einen Bekannten bekam er vor drei Jahren Kontakt zum Kloppocarteam. Ein Projekt, das 2019 vom damaligen Liverpool-Trainer Jürgen Klopp mitinitiiert wurde, der dafür seinen früheren Minicooper zu Verfügung stellte. Ziel: Promis signieren dieses Gefährt, treten bei Wohltätigkeitsveranstaltungen auf, werden mit diesem Kunstwerk auf Rädern Spenden für Kinderprojekte gesammelt, wird auch der Dresdner Sonnenstrahlverein unterstützt. Seitdem wird Kujau häufig auf »Meet & Greet«-Partys eingeladen, wo er Promis trifft, sie porträtiert. Seine Bilder werden versteigert, mit dem Erlös krebskranke Kinder unterstützt.

15.17 Uhr: Kujaus Zug hält in Bautzen, man verabschiedet sich. Kujau wird bald am Ziel sein. Es folgen Stationen in Löbau und Görlitz. Um 15.54 wird er Zgorzelec erreichen. Findet er jedes Mal »reizvoll«, wenn er mit dem Zug über die Neiße, nach Polen, fährt. Nach einer kurzen Pause geht es retour, nach Dresden. Freut er sich wieder aufs Malen im Atelier. Und darauf, seine Bilder bald auf einer Ausstellung zeigen zu können. Die geeigneten Räumlichkeiten hofft er bald zu finden.


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