Branczeisz

Dresden zieht erstes Fazit zu E-Bussen 

Dresden. E-Bus gegen Diesel-Bus: Was ist Klischee und was stimmt? Eine Bilanz nach den ersten 500.000 Kilometer.

Rico Seipel ist Projektleiter E-Bus bei der DVB. Jetzt gab es eine erste Bilanz zur neuen E-Flotte.

Rico Seipel ist Projektleiter E-Bus bei der DVB. Jetzt gab es eine erste Bilanz zur neuen E-Flotte.

Bild: Branczeisz

E-Bus fahren ist so schön: Nichts riecht, ruckelt, lärmt. Der Fahrgast schwebt dahin - und alles in dem guten Gewissen, die Umwelt nicht zu belasten. Kein Wunder, dass der Projektleiter der Dresdner Verkehrsbetriebe AG, Rico Seipel von sich sagt, wenn er auf einen Dieselbus umsteige, fühle sich das an wie vor 100 Jahren. Rico Seipel, in der Firma "Mister E-Bus" genannt, kümmert sich seit Sommer engagiert mit einem Team um die neue E-Bus-Flotte und überwacht u.a. per Laptop, wie es "seinen Babys" im Dresdner Stadtverkehr geht. Nach fast 5 Monaten wagen Geschäftsführer Robert Roch, Projektleiter Rico Seipel und Unternehmenssprecher Falk Lösch ein erstes Fazit. 

 

Der E-Bus fährt weiter als versprochen

Die Dresdner Verkehrsbetriebe haben 20 neue E-Busse davon 18 Gelenkbusse und zwei Zweiachser-Busse. In Summe haben sie eine halbe Million Kilometer zurückgelegt. Erste Frage: Hat der Hersteller zu viel versprochen? Robert Rochs Fazit ist da eindeutig: "Ja, das Versprechen wurde gehalten." 120 Km Reichweite hatte der Hersteller Evo Bus GmbH garantiert - bis zu 170 km schafft er tatsächlich. Ausreizen dürfen das die Fahrer nicht. "Besser ein Kompromiss, als innovativ stehenbleiben", scherzt Unternehmenssprecher Falk Lösch. Die Ansage ist klar: keine Experimente. "Wir brauchen für Umleitungen und Staus Puffer", so Roch. Deshalb wird an den Endpunkten Bahnhof Cossebaude und Leubnitzer Höhe geladen. So sind die Tagesumläufe von 300 km zu schaffen.

Den längsten Umlauf hat der Nachtbus am Wochenende mit 425 km - mit rund 50 Prozent Ladung kommt der Bus trotz Zwischenladungen morgens ins Depot zurück. "In ganz wenigen Fällen mussten Fahrzeuge wegen geringer Batterieladung gegen einen Dieselbus ausgetauscht werden", heißt es in einer Pressemitteilung der DVB - "aber nur dann, wenn wegen Verspätungen oder Umleitungen mehrfach nicht an den Endpunkten nachgeladen werden konnte". Liegengeblieben ist kein einziger E-Bus. Ein Szenario wie in Berlin, wo bei Tests jeder vierte E-Bus im Netzbetrieb einfach stehenblieb, will man unbedingt vermeiden. Nichts wäre schlechter fürs Image: Alle Fahrgäste müssen raus und stehen auf der Straße!

 

Eine plötzliche Auszeit für den Fahrer

Zwei Tage Glatteis, der erster Schnee an einem Montagmorgen, eine Geiselnahme, der Bombenfund Friedrichstadt - all das waren Stresstests für das neuen Dresdner Liniennetz, das jetzt aus Dieselbussen und E-Bussen besteht - im Zusammenspiel liegt die Herausforderung. Denn das Nachladen an den Endpunkten braucht Zeit. "Mindestens 12 Minuten", so Rico Seipel. Ein unerwarteter Neben-Effekt: Plötzlich hat der Fahrer Zeit für einen Schluck Kaffee. Die Busfahrer finden die neue E-Linie "68" neuerdings viel angenehmer - die DVB braucht allerdings einen Bus und einen Fahrer mehr, um den Takt zu halten. Die Anschlüsse müssen passen - man sei "nah dran" am Diesel-Fahrplan, versichert Robert Roch. Die Linie 68 ist vier Prozent schlechter im Fahrplan-Wirkungsgrad, hat die DVB ausgerechnet, weil die Busfahrer etwas "weniger am Lenkrad drehen".

Und wie lief es bei zweistelligen Minusgraden? Nicht ohne fossile Brennstoffe. Alle Busse der DVB - Diesel wie E-Bus - werden zusätzlich mit Öl beheizt. Bei tieferen Minustemperaturen liegt die DVB damit im Verbrauch etwa wie im heißen Sommer, wenn die Kühlung läuft. Ohne diese zusätzliche Dieselheizung würde sich der gesamte Stromverbrauch eines E-Busses schlagartig verdoppeln - denn alle 350 Meter werden alle vier Türen geöffnet. Die serienmäßige Wärmepumpe würde es bei minus 10 Grad nicht schaffen, den Bus hoch zu heizen. Dieselbusse der neuen Genration brauchen ebenso eine Zusatzheizung, weil die erzeugte Abwärme angesichts ihrer Effizienz viel zu gering ausfällt.

 

In allen Bussen wird weniger geheizt

Also wird das Heizen im Bus jetzt auf die Außentemperatur abgestimmt und zwar auf eco und nicht mehr auf konstante 24 Grad wie früher. Und wie warm ist es nun? 17 Grad bei 10 Grad Minus, ab Null Grad draußen werden es schon 20 Grad drinnen - bei den fast warmen Temperaturen aktuell, sogar bis zu 23 Grad im Bus. Robert Roch bescheinigt dem E-Bus im Energie-Wirkungsgrad zweimal effizienter zu sein als der Dieselbus. Dafür ist der E-Bus im Kauf doppelt so teuer wie neuesten Dieselbusse. Trotzdem, auch in den Betriebskosten bleibt der E-Bus leicht teurer als Dieselbetrieb - zum Laden und höherem Personalbedarf kommt auch die Instandhaltung.

Dass die "bei E-Bussen wegfällt" hält Robert Roch für eine "Biertischparole". Ein E-Bus braucht genauso Instandhaltung, zum Beispiel bei Steuerelementen, Türen, Druckluftteilen. Schon der Ölwechsel ist viel teurer, weil der E-Bus vier Radmotoren hat und teureres Öl braucht. Außerdem: Der E-Bus ist in Deutschland wegen der enorm hohen Stromkosten weit weniger effizient als in anderen Ländern. Eine Alternative wäre, die E-Busse mit Carbon leichter zu machen, das würde Energie sparen. Immerhin wiegt der E-Bus zwei Tonnen mehr als der Dieselbus. Aber auch da setzt die DVB lieber auf Kompromisse - denn Stahlkarossen lassen sich nach einem Crash nun mal ausbeulen und ziehen - und jedem Bus passiert das laut Hochrechnung wenigstens einmal in seinem Straßen-Leben.

 

Die große Frage nach der Batterie

Was passiert überhaupt mit den Batterien? Sind sie ein künftiges Risiko für die Umwelt und die Kosten-Bilanz? Die Frage bleibt ehrlicherweise offen. Die DVB kalkuliert mit einem einzigen Batteriewechsel nach 6 oder 7 Jahren, dann hat ein Bus 700.000 bis 800.000 km weg. Zeit, die die DVB braucht, denn bislang hat sich der Hersteller nicht entschieden, ob einzelne Zellen oder die ganze Batterien getauscht werden und wie die Entsorgung der Lithium-Ionen-Akkus aussehen soll. Die Batterien sollen dann eine Restkapazität von knapp 80 Prozent haben, so der Hersteller - wenn das stimmt, wären sie durchaus für Second-Life-Konzepte nutzbar. Das Problem des Recyclings bleibt.

Die Themen Batterien, Pufferspeicher und Ladestruktur ist extrem schnellen technologischen Prozessen unterworfen. Umso kontraproduktiver ist es, wenn EU-Vorgaben dem Umstieg auf  E-Mobilität erzwingen, statt Konzepte nach Stand der Technik und regionalen Gegebenheiten zu entwickeln. Denn E-Busse können sich Verkehrsverbünde nur mit Millionen-Fördergeldern kaufen - und auch nur Verbünde in großen Städten, die sich das mit ihren Kommunen leisten können. Finanziert wird das aber auch von den Steuerzahlern ringsherum, die bei Verkehrstaktzeiten und Linien im ÖPNV nur allzu oft abgehangen werden, aufs Auto angewiesen sind und dafür auch noch gemaßregelt werden. Das verleiht dem Kostenthema politische Dimension.

Eine Studie der Unternehmensberatung Berylls besagt, dass Batterie-Experten damit rechnen, dass ab 2025 eine neue Akku-Generation mit Feststoff-Technologie auf den Markt kommt. Wenn dann schon die eben erst für Millionen angeschaffte E-Flotte veraltet ist, droht den Städten das nächste Kostenproblem. Die DVB ist überzeugt, die Verkehrswende wird angesichts der gesetzlichen Vorgaben kommen. Sie hat die Verkehrs Consult Dresden-Berlin GmbH beauftragt, das gesamte Dresdner Liniennetz unter diesem Fokus zu analysieren.

Was bedeutet es, wenn alle Linien mit E-Bus fahren? Wo und wie viele Ladestationen sind nötig, wie viele Fahrzeuge? Gibt es überhaupt genug Strom? Und wie müsste der Betriebshof umgebaut werden? "Nächstes Jahr ist klar, welche Linie wir als nächstes umstellen", sagt DVB-Chef Robert Roch. 26 weitere E-Busse sollen gekauft werden. Auf welchen Linien sie fahren könnten, darauf lassen erste Tests schließen. Denn außer auf der "68" und "81" wurden die E-Busse schon mal auf der "61", "63", "64", "85" und "90" eingesetzt - solange die Batterien eben reichen.


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