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Birgit Branczeisz

Die Tüftler haben den HORCH fertig

Sachsen. Nach 12 Jahren ist der Horch 14-17 PS fertig - gut 90 Firmen haben daran mitgebaut, fast alle kommen aus Sachsen. Es ist ein ganz besonderer Oldtimer.

Ein Foto von 1905, ein Motorwagen-Katalog, drei Zeichnungen, ein alter Motor - sonst nichts. Mehr hatten die Ingenieure, Enthusiasten, Handwerker und Autobauer nicht vom legendären HORCH 14-17-PS von 1904. Und doch war es genau das, was alle über 12 Jahre zu einem einzigen Gedanken zusammenbringen sollte: dieses Auto wieder fahrtüchtig erstehen zu lassen.

Am 3. Juli wurde der 1. Zwickauer HORCH als originalgetreuer Neubau offiziell dem August-Horch-Museum in Zwickau übergeben. Dafür wurde das gesamte Team mit dem Sächsischen Industriekulturpreis geehrt. Demnächst soll der HORCH auch auf Reisen nach Radebeul gehen - wenn die erste sächsische Dampflok 1K wieder gezeigt wird. Beide sollen gemeinsam auftreten.

Über 90 Firmen, die meisten aus Sachsen, haben am HORCH mitgearbeitet. Über 35 Aktive waren 12 Jahre lang Tausende Stunden am Testen, Messen, Prüfen, Tüfteln und Bauen. Studenten haben sich hier ihre Sporen verdient und sind heute selbst Firmenchefs. Einige der ersten Mitstreiter erlebten die Übergabe leider nicht mehr. Viermal ist das Kernteam von Projektleiter Dr. Bernd Czekalla umgezogen.

Und doch ist damit nicht erfasst, was es bedeutet hat, diesen Oldtimer zu aufzubauen. Allem musste nachgespürt und alles musste erprobt werden, nach damaligen technischen Lösungen und Fertigungen. Denn das Fahrzeug steht am Übergang von der Kutsche zum Auto und hat Merkmale, die kein anderes Auto hat, z.B. den ersten Vergaser mit einem königlichen Patent von August Horch - der 1. Verbrenner. Der Vergaser ist übrigens der einzige Punkt, der weiter ein Geheimnis birgt. "Wir konnten nicht ermitteln, ob der Vergaser auch jemals gebaut wurde, noch ob er je in einem Auto funktioniert hat", so Czekalla.

Trotzdem entschied man sich, ihn original nachzubauen. Es blieb nicht die einzige Unwägbarkeit. Wer konnte nach dem historischen Vorbild gekröpfte Achsen schmieden? So kamen Achsen, Achsschenkel, Pleule und Kurbelwelle von der Gesenk- und Freiformschmiede in Großenhain, nachdem alle anderen in Europa schon abgewunken hatten. Allein die Datensätze für die Maschinen mit ehrenamtlichen Konstrukteuren und Studenten zu erstellen, dauerte. Es mussten eigens Gesenkformen und Werkzeuge angefertigt werden, wie sie damals üblich waren.

So war es bei allen Bauteilen: Denn wer von den heutigen Fahrzeugbauern kann noch die alten Holzspeichenräder anfertigen, die der Straße standhalten? Abnehmbare Räder begannen sich erst ab 1910 durchzusetzen. Ein Stellmacher aus Oelsnitz im Erzgebirge konnte es. Oder, wer konnte eine mit Petroleum befeuerte Beleuchtung konstruieren - wie die Firma Lorenz aus Grüna? Oder die Holzkarosserie noch in Kutschenform aufbauen - wie Zwickauer Autobauer? Auch die Konus-Kupplung, die das Dresdner Kupplungswerk beisteuerte, ist längst nicht mehr üblich.

Jedes Teil, vom Luftröhrenkühler bis zur Außenbandbremse, machte den modernen Ingenieuren Kopfzerbrechen. "Wie haben die das früher bloß gemacht?", war ein oft gemurmelter Satz. Selbst die Original-Hupe war nicht mehr aufzutreiben - sie fand sich im Musikinstrumenten-Museum Markneukirchen. Genau das Tüfteln hat alle immer wieder angespornt.

Der erste Originalnachbau des Fördervereins des Horch-Museums war der "Auto Union Rennwagen Typ C" - die Silberzigarre. Nun kommt der 1. Zwickauer HORCH dazu. Was dann kommt? Bernd Czekalla lacht. "Das läuft schon". Es ist das Restaurieren eines P70, verrät er. Eines der ältesten, bekannten Serienfahrzeuge mit der Fahrgestellnummer 162. Das weltweit erste Fahrzeug mit Holzgerippe und Duroplast-Beplankung - der Vorgänger des Trabant.

www.horch-museum

 


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