"Das ist Städtebau vom Feinsten. Darauf bestehe ich!"
Diese Rede sitzt tief bei Torsten Kulke. Der Vorstandsvorsitzende "Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V." ist Kritik gewöhnt - doch diese ging ihm wohl unter die Gürtellinie. In einer Erklärung bewertet die Gesellschaft den jüngsten Vortrag des Stararchitekten Prof. Peter Kulka als "Architekten-Theatralik", als bühnenreife Vorstellung seiner Pläne für einen Anbau am sächsischen Landtag.
"Wenn Prof. Peter Kulka verunglimpfend von den "Neumarktbrüdern" spricht, dann sind damit nicht nur die viele Jahre ehrenamtlich arbeitenden Personen der Gesellschaft Historischer Neumarkt (GHND) gemeint. Er greift damit auch die vielen beteiligten Architekten, Denkmalpfleger, Bauherren, Investoren, Verwaltungsangestellten und die Stadträte an. Alle gemeinsam haben diese für Deutschland einmalige Wiederaufbauarbeit geleistet. Es darf von jedem Architekten, der in dieser Stadt bauen will, auch von Prof. Peter Kulka, erwartet werden, dass sie fähig sind, Kritik anzunehmen und Abhilfe zu schaffen."
Harsche Worte. Die Gesellschaft findet auch die "unverschämten Bemerkungen" gegenüber einem gewählten Gremium wie dem Stadtrat durch den Architekten unpassend und fordert ihn zur Mäßigung auf. Tatsächlich machte Prof. Peter Kulka aus seiner Rede in der öffentlichen Veranstaltung des Landtags gleichsam ein Vermächtnis. Der 86-Jährige ist eigens nach Dresden zurückgekehrt, um den von ihm vor gut 30 Jahren entworfenen Glasbau des Landtages am historischen Altbau nochmal zu erweitern.
Das alles ohne Wettbewerb. Das ist der erste Fakt, der vielen bitter aufstößt, wird doch sonst bei nahezu jedem Bauvorhaben in Dresden, sehr wohl die Karten "Wettbewerb" gezückt. Doch Prof. Kulka weiß um einflussreiche Fürsprecher. Der scheidende Landtagspräsident Matthias Rößler hat es in seiner Rede auf den Punkt gebracht: "Wir wollen weiterbauen" sagte er.
Nach dem ursprünglichen Plan an der Packhof-Straße ein zweites Gebäude zu errichten, ist man umgeschwenkt. Der Landtag wäre zweigeteilt worden, Abläufe erschwert und das hätte enorme Kosten verursacht. So richtig das ist, nun läuft die Zeit davon, die Kosten tun das ohnehin und man will die Büros in der Devrientstraße zurückgeben.
Man beruft sich auf das "Urheberrecht" durch den ersten Bau, der einen Anbau nur durch den gleichen Architekten gebietet. Ein Vorgehen, das viel öfter angewendet werden müsste, wie Prof. Peter Kulka einwarf. Auch wenn Kulka in den Raum ruft. "Ich verstehe mein Handwerk!" - ob sein Entwurf der städtebaulich Beste ist, wird nicht erkundet.
Es mag schneller und kostengünstiger mit einem Entwurf gehen - es bleibt jedoch der Beigeschmack, dass gerade "am Haus der Sachsen", wie es Rößler formulierte, ohne die Meinung der Sachsen gebaut wird. Daran ändern alle Reden nichts. Prof. Peter Kulkas Position ist entspannt: "Ich habe die Entscheidung nicht gefällt, dass ich hier weitermache. Die Aufgabe wurde mir gegeben. Ich bin unendlich gelassen. Ich bin auch alt genug dazu", sagte er.
"Ich bin Peter Kulka. Ich baue als wäre das mein erstes, einzigstes und schönstes Werk. Das kann ich ihnen versprechen." Er kritisierte die "Meinungen" von Stadträten im Gestaltungsbeirat, die "mit irgendeiner persönlichen Empfindung, die sie aus ihrer persönlichen Wohnung mitbringen in einer Arbeit rumwühlen. So kann man so eine Sache gar nicht anfangen", so Prof. Kulka wörtlich.
Eine Art Zurechtweisung, die sicher nicht jedem behagt. Gleichzeitig mahnt Kulka "die Stadt ist voller neuer schrecklicher Gebäude", spricht aber gleichzeitig von den besagten "Neumarktbrüdern", die sozusagen dem Barocken verhangen sind. Ob sein Entwurf ein historisch überdauernder Wurf ist, das so Kulka, werde man erst in 50 oder 100 Jahren wissen. Für ihn ist klar, sein Entwurf von drei "Riegeln", die sich auf der Terrasse einpassen, "ist keine brutale Architektur, sondern Städtebau vom Feinsten. Darauf bestehe ich!"
Klar ist, der Entwurf wird den historischen Erlweinspeicher in halber Höhe verbauen, von der Terrasse aus gesehen. Auch der Anschluss in Richtung Kongresszentrum ist noch nicht stimmig, fanden einige Zuhörer. Trotzdem ging man tatsächlich sogar soweit, den Architekten zu fragen, ob er die Baumallee "weghaben möchte", um dem Landtag mehr Gewicht zu verleihen, wie Kulka erzählte.
Prof. Kulka zum Glück: "Um Gottes willen, lasst mir meine Bäume!" Die Episode zeigt aber, was möglich wäre, wenn ein Peter Kulka es nur wollte. Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. fordert nach wie vor einen Wettbewerb an dieser exponierten Stelle. Die Stadt Dresden könne über eine Veränderungssperre und einen Bebauungsplan an dieser sensiblen Stelle nachdenken. Das Gleiche treffe auf die geplante Bebauung im geschützten Zwingergarten zu.
Baurechtlich dürfte das schwierig sein, wenn ein Vorhaben bereits geplant wird, weil Gerichte nachträgliche "Veränderungssperren" dann regelmäßig als "Verhinderungsplanung der Kommune" bewerten. Außerdem wird die Stadt den Freistaat nicht vor den Kopf stoßen. Die Forderung zeigt vor allem den tiefen Dissens zum Bauen in unserer Stadt. Hinter der ganzen Debatte steht nicht nur die Frage, ob hier mit vielerlei Maß gemessen wird, sondern auch die Debatte, wie modernes und dazu noch schönes Bauen in unserem Dresden aussehen soll.
Info: Am 8. September soll das Projekt öffentlich vorgestellt werden.