Antonina ist das Sahnehäubchen
Antonina und Erika lachen und schwatzen. Ungewöhnlich ist, Antonina David ist 15, Erika Müller stolze 91 Jahre alt. Die beiden kennen sich inzwischen recht gut. Antonina geht jeden Donnerstag ins Pflegezentrum Dresden-Plauen, um ihre »alten Leutchen« zu besuchen. Im Ehrenamt. Kennengelernt haben sie sich beim Schülerpraktikum der Universitätsschule. Denn anders als der sonst übliche 14-tägige Schnelldurchlauf, setzt diese Schule auf »Arbeiten als Unterrichtsfach«. Immer freitags gehen die Schüler in Einrichtungen und Betriebe, jeweils ein ganzes Trimester.
Für die Partnerfirmen ist es anfangs eine Herausforderung, Mädchen und Jungen ab der 7. oder 8. Klasse schon über so lange Zeiträume einzubinden. Christin Großmann, Fachabteilungsleiterin der Diakonie, sieht genau das positiv. »Es ist viel mehr Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten – das ist gut. Gerade hier muss man die Eindrücke erst einmal mitnehmen, ein Gefühl dafür entwickeln, was andere brauchen oder möchten«, sagt sie. In zwei Wochen geht sowas nicht. »Herkömmliche Praktika können Menschen auch für den Beruf zerstören, weil die Schüler mit der Situation völlig überfordert sind.«
Antonina hat sich Zeit genommen. Seit der 8. Klasse ist sie hier. Das Praktikum in der 7. Klasse hat sie bei ihrer Geigenlehrerin gemacht. Die Senioren haben auch etwas davon – sie sind schon in den Genuss manches Geigenvorspiels gekommen.
Für Antonina ist die gemeinnützige Arbeit ein echter Einblick ins Leben. Beim Firmen-Vorstellungstag, zu dem Institutionen und Unternehmen eingeladen werden, um den Praktikumsgedanken der Schule vorzustellen, hat sie alle Chefs mit ihrem Vortrag »verzaubert«, weil sie weiß, worüber sie spricht, klare Vorstellungen hat. Dass dieser Einblick nicht zwangsläufig in eine Bewerbung für eine Ausbildung im jeweiligen Betrieb münden muss – auch das zeigt das Beispiel Antonina. Sie möchte seit der 7. Klasse in die Politik gehen.
Ein Berufswunsch, der in dem Alter und in dieser Klarheit vielleicht auch ungewöhnlich ist. Ihr nächstes Praktikum macht sie folgerichtig bei einer Bundestagsabgeordneten, Ressort Gesundheit & Soziales. Ein Projekt hat sie auch schon im Blick – die »Lage in der Altenpflege« soll es heißen. Und auch wenn die Diakonie Dresden entsprechend des gesetzlichen Personalschlüssels hier derzeit gut aufgestellt ist, mit einem Altersdurchschnitt der Mitarbeiter von Ü60, muss sich auch da etwas tun.
Was hat eigentlich Antonina bisher für sich mitgenommen? »Dass die alten Leutchen sehr, sehr nett sind, wenn man erst einmal zuhört«, sagt sie. Dass sie zuhören konnte, liegt daran, dass Antonina viele medizinische Dinge nicht machen darf. Sie hat also zugehört, mit Senioren Mensch-Ärgere-Dich-Nicht gespielt, ist mit ihnen spazieren gegangen, hat etwas vorgespielt und -gelesen. Eva Günther, Standortleiterin im Pflegezentrum Dresden-Plauen, will genau das: »Ich möchte keine Schüler fürs Putzen.« Die Jugendlichen machen das, was die Betreuer nicht schaffen können. Auch das ist eine Erkenntnis, über die es nachzudenken lohnt, findet Antonina. Die Diakonie Dresden würde solche Langzeit-Praktikanten liebend gern auch an ihren Standorten in Radeburg oder Ottendorf-Okrilla nehmen. Profitieren werden aber nur Häuser in Fahrweite der Universitätsschüler.