»Erstmalig gibt es ein Bürgerbudget«
Herr Mahro, was waren die wichtigsten Erfolge der Stadt im vergangenen Jahr?
Zu nennen seien dabei z.B. die bisher größte kommunale Investition in unser Pflegefachzentrum, die Umgestaltung des Sportzentrums in der Kaltenborner Straße und die Neugestaltung des Stadtparks. Die Turnhalle der Europaschule ist fertig. Der 2. Bauabschnitt des Teilobjektes 2 des Hochwasserschutzes wurde übergeben und für das Teilobjekt 3 konnte der feierliche Spatenstich erfolgen. Im Februar unterzeichneten die LEAG und die Stadt Guben eine Absichtserklärung für die Transformation der Energieregion Lausitz zum künftigen grünen Powerhouse Deutschlands im Rahmen des Zukunftsvorhabens GigawattFactory. Mit der Erklärung wurde eine wichtige Grundlage für die künftige gemeinsame Entwicklung des Industrie- und Gewerbegebietes geschaffen, speziell die Versorgung des Standortes mit Grünstrom ist Teil dieser Vereinbarung. Auch unsere Kooperation mit dem geplanten »Green Areal Lausitz« (GRAL) auf dem ehemaligen Flugplatz Drewitz geht weiter voran. Wirtschaftlich am bedeutendsten sind natürlich die Investitionen Jack Link‘s (Bifi) und die Investitionsabsicht von Rock Tech. Und mit dem Testflug einer Fracht-Drohne im Auftrag unseres Wilke-Stift über eine Langstrecke vereinigte sich ein weiteres Mal der Pioniergeist einer Region im Umbruch. Denn der erste Demonstrationsflug einer Drohne mit medizinischen Proben von Guben nach Cottbus stellt über eine Strecke von 40 Kilometern deutschlandweit eine Premiere dar. Mit den Jubiläen: 730 Jahre Groß Breesen, 100 Jahre Gubener Handball, 30 Jahre Landkreis Spree-Neiße, 30 Jahre Euroregion, 30 Jahre Bürgerverein Kaltenborn, 30 Jahre Städtische Werke Guben GmbH und Energieversorgung Guben GmbH sowie 20 Jahre ZupfSTreichOrchester Guben standen zudem einige Feierlichkeiten und Veranstaltungen auf dem Programm.
Gab es besondere Herausforderungen, die bewältigt werden mussten?
Im I. Quartal 2023 sorgte noch die SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Brandenburg für Belastung. Weiterhin machten uns die Energiekrise, die Bewältigung der Betreuung im Zusammenhang von Flucht und Migration und der Kampf gegen die Afrikanischen Schweinepest (ASP) das Leben schwer. Auch der Wegfall von etwa 100 Industriearbeitsplätzen bei Trevira war ein Einschnitt.
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die wirtschaftliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt zu fördern?
In einer Kooperation mit der Stadt Guben und der Gubener Wohnungsgesellschaft mbH (GuWo) hat der Marketing und Tourismus Guben e.V. (MuT e.V.) ein Konzept entwickelt, um alle wesentlichen Gubener Akteure aus den Bereichen Wirtschaft, Verwaltung, soziale Einrichtungen und Freizeit in einem Netzwerk zusammenzuführen und Angebote für potenzielle Rückkehrer und Zuzugswillige zu entwickeln. Im Dezember fand z.B. ein Rückkehrer-Stammtisch in Berlin statt. Nach der erfolgreichen Erstauflage im Juni in Dresden wurde somit die zweite Runde der Fachkräftegewinnung gestartet. Eine Fortsetzung ist in diesem Jahr geplant. Darüber hinaus versuchen wir frühzeitig unsere Jugendlichen an Gubener Unternehmen zu binden.
Wie sollen Bürgerinnen und Bürger aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden?
Seit März 2023 gibt es die öffentliche Diskussion über die Entwicklung eines City Quartiers. Und in der Altstadt soll ein Bildungscampus entstehen. Im Mittelpunkt stehen dabei zunächst die Friedensschule und die dafür notwendige Verkehrsanbindung. Vor dem Hintergrund der steigenden Anforderungen an die klimapolitischen Ziele und zur allgemeinen Verbesserung der Radverkehrssituation wurde ein Radverkehrskonzept erarbeitet. Auch hierbei waren Bürger eingeladen, an der Entstehung des Radverkehrskonzeptes mitzuwirken. Bei der Neugestaltung des Abenteuerspielplatzes durften auch die Kinder der Stadt mitbestimmen, wie er aussehen soll. In den Ortsteilen finden immer wieder Beratungen statt. Erstmalig gab und gibt es nun auch ein Bürgerbudget. Mit dem Bürgerbudget beteiligt die Stadt Guben die Einwohnerinnen und Einwohner an der Gestaltung des städtischen Haushaltes im Rahmen eines gesondert bereitgestellten Budgets. Im vergangenen Jahr wurde das Bürgerbudget erstmalig zur Abstimmung gestellt, die Höhe des Budgets für 2024 beträgt 17.000 Euro. Übrigens, bis zum 31. März können alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Vorschläge für die Verwendung des Bürgerbudgets abgeben.
Welche strategischen Ziele hat die Stadt für das Jahr? Und welche Projekte und Initiativen stehen im Fokus der städtischen Entwicklungspläne?
Unser städtebauliches Zielgebiet in der Altstadt Ost und Altstadt West soll auch weiterhin deutlich gestärkt und umgebaut werden. Die Etablierung des Bildungscampus an der Schulstraße und der Alten Poststraße ist ein Baustein dazu. Ein weiteres wichtiges Projekt ist die Neugestaltung der Stadtmitte. Vorgeschlagen ist unter anderem der Bau des City-Quartiers auf dem Dreieck, aber auch neue Nutzungen von Flächen und Gebäuden an der Gasstraße, der Feldstraße und der Straupitzstraße. Zur Erweiterung von Flächenpotentialen für die ansässige Wirtschaft aber auch für neue Investoren sollen das Industriegebiet und das Gewerbegebiet, hier gemeinsam mit der Nachbargemeinde Schenkendöbern, entwickelt werden.
Wie sieht die Finanzlage der Stadt aus und welche Steuer- oder Haushaltsänderungen sind zu erwarten?
Aktuell sieht die Finanzlage der Stadt noch gut aus. Die Kassenkredite wurden getilgt, die Investitionskredite wurden minimiert. Wenn man unsere finanziellen Ressourcen und die Verbindlichkeiten gegenüber Dritten gegeneinander aufwiegt, könnte man zum Jahresende 2023 konstatieren: Wir sind schuldenfrei! Das war ein langer und sehr mühsamer Weg und ich hoffe nicht, dass uns diese Situation von außen wieder kaputt gemacht wird. Steueränderungen können nur schwer vorhergesehen werden, allerdings sehen die Orientierungsdaten vom Land nicht wirklich gut aus. Das bedeutet, dass wir in Zukunft nur mit weniger oder maximal gleichbleibenden Einnahmen rechnen müssen, auf der anderen Seite aber höhere Kosten aufgrund der Inflation, des Tarifvertrages und der geplanten Erhöhung der Kreisumlage zu tragen haben. Erschwerend kommt hinzu, dass Fördermittelprogramme gekürzt oder gar gestrichen werden könnten. Wir hoffen, dass sich unser Aufwand in den vergangenen Jahren, mit dem Ziel von Unternehmensansiedlungen, in Zukunft Früchte trägt. Das Thema »Haushaltsänderung« bereitet uns einige Kopfschmerzen. Im Land wird aktuell der Gesetzesentwurf zur Modernisierung der Brandenburgischen Kommunalverfassung besprochen. Dieser Gesetzesentwurf sieht z.B. vor, dass bei der Beurteilung der Finanzlagen der Kommunen nicht mehr nur der kumulierte (also über den Zeitraum ab 2011) Jahresüberschuss oder –Fehlbetrag eine Rolle spielt, sondern auch der Barmittelbestand und die Kreditverbindlichkeiten. Sollte dieser Gesetzesentwurf durchgehen, werden sich viele Kommunen, wahrscheinlich auch die Stadt Guben, in der Haushaltssicherung wiederfinden. Dies könnte unseren Handlungsspielraum bei der Finanzierung freiwilliger Leistungen einschränken.
Gibt es neue Partnerschaften oder Kooperationen, die eingegangen werden sollen?
Unser einflussreichster Partner ist natürlich unser Nachbar Gubin. Neue Städtepartnerschaften beabsichtigen wir nicht einzugehen. Ich hoffe weiter auf den Zusammenhalt unserer Lausitzrunde als Interessenvertretung der brandenburgischen und sächsischen Kommunen im Rahmen des Strukturwandels. Freuen würde ich mich auch darüber, wenn wir uns in Abstimmung mit der Stadt Cottbus weiterentwickeln.
In Brandenburg wird 2024 ein neuer Landtag gewählt. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Wahljahr?
Ich persönlich hoffe, dass wir, was unsere Stadtverordnetenversammlung betrifft, wieder stabile Verhältnisse bekommen und dass vor allem auch junge Gubener sich im Stadtrat zur Kandidatur stellen. Eine Interessenvertretung von Jung und Alt wäre mir wichtig. Und was die Landtagswahlen betrifft, da erhoffe ich mir, dass es im Ergebnis der Landtagswahlen eine stabile Regierung in Brandenburg gibt. Zur Finanzierung der Kommunen wünsche ich mir, dass man den Kommunen bei den Finanzierungen der Aufgaben hinsichtlich der aktuellen Belastungen wie Energiekrise, ASP, und Flüchtlingskrise ausreichend Spielraum, auch für weitere Investitionen, lässt. Und weiter, dass wir auch mit dem Landkreis eine verlässliche Lösung finden, die nicht darauf abzielt, dass die Kreisumlage weiter erhöht wird.
Was stört Sie in der aktuellen Legislaturperiode am meisten?
Das ist die Kompaktheit der Probleme, die von außen auf unsere Bürgerinnen und Bürger hereinströmt, denn aktuell müssen wir nicht nur die innerstädtischen Probleme bewältigen. Es gibt Dinge, die wir als Stadt nicht beeinflussen können, sondern die auf uns wirken, ohne dass wir die Ursachen dafür gesetzt haben.
Was ist Ihr Wunsch für das Jahr 2024?
Frieden. Und dass die Ukrainekrise besser heute als morgen beendet wird. Bei politischen Entscheidungen im Bundestag sowie im Landtag wünsche ich mir, dass wir uns für strategische Entscheidungen mehr Zeit lassen und diese Entscheidungen mit allen Konsequenzen auch mal bis zu Ende denken. Im Moment wird meines Erachtens zu sehr wunschgeprägte Politik betrieben und das ist manchmal an der Realität vorbei. Das muss wieder unbedingt in geordnete Bahnen kommen. Und für uns als Lausitzer mehr Freude an dem, was wir erreicht haben, und immer Respekt vor Andersdenkenden.