

»Ich freue mich auf die neue Saison – heute mit richtig gutem Wetter. Es kann losgehen«, sagt die 54-Jährige zum Auftakt. Nach fast 15 Jahren Postkahnerfahrung nimmt sie den alljährlichen Saisonstart im April gelassen – trotz des Medienrummels: »Klar ist man ein bisschen aufgeregt, aber ich habe gut geschlafen.«
Zum Start ist sie ausnahmsweise am Vormittag im Kahn unterwegs. Normalerweise ist sie um diese Zeit mit einem E-Fahrzeug in der Stadt Lübbenau auf Zustelltour. Gegen Mittag belädt sie ab sofort anschließend ihren Kahn mit Briefen und Paketen für die Menschen im Ortsteil Lehde und setzt ihre Zustelltour auf dem Wasser fort. Pro Woche liefert die Spreewaldkahnzustellerin mehr als 600 Briefe, Einschreiben und Postkarten sowie rund 80 Pakete und Päckchen über die Fließe aus, da viele der 65 Haushalte in Lehde keine direkte Straßenanbindung haben.
Von April bis Oktober stakt sie so am Nachmittag mit dem neun Meter langen Postkahn übers Wasser – mit reiner Muskelkraft und einer vier Meter langen Schubstange, dem Rudel. Rund acht Kilometer am Tag bewegt sie den gelben Aluminiumkahn. So kommt sie pro Kahnsaison auf etwa 1.100 Kilometer auf dem Wasser. Eine spezielle Vorbereitung benötige sie nicht: »Im Winter sind die Beine aktiv, im Sommer die Arme. Mal sehen, ob sich morgen Muskelkater meldet.«
Die Arbeit mitten in der Natur schätze Andrea Bunar sehr. »Es ist hier herrlich ruhig und das Wasser entschleunigt angenehm. Auf dem Rückweg kann man sehr schön seine Gedanken schweifen lassen.«
Lehde ist ein kleines Paradies im Spreewald. Andrea Bunar arbeitet dort, wo andere Menschen ihren Urlaub verbringen. Touristen werden auch in diesem Jahr zahlreich durch den Spreewald radeln, paddeln oder per Kahn unterwegs sein. Die um die zwei Tonnen schweren Kähne mit Urlaubern sowie wendige kleine Paddelboote, die sich ihrerseits ebenfalls den Weg durch die Wasserstraße bahnen, stören Andrea Bunar während ihrer Zustelltour nicht: »Sie gehören zum Ort dazu.« Teilweise nehme sie sogar Urlaubspost entgegen – manchmal auch aus einem Kahn oder einem anderen Wassergefährt: »Die Leute sind oft überrascht und erstaunt, dass ich das anbiete. Ich sage ihnen dann: Ihre Karte fährt jetzt noch eine Extra-Runde mit dem Kahn – und das finden viele besonders.« Nebenbei leert sie auch zwei Briefkästen an Ausflugsgaststätten.
Die klimaneutrale und leise Postzustellung per Kahn hat im UNESCO Biosphärenreservat Spreewald eine bereits 128-jährige Tradition – und gehört für die meisten Einheimischen zum festen Bestandteil ihres Alltags.
Egal, ob Flachbildschirm, Hollywoodschaukel, Aluminium-Gewächshaus, Strandkorb, Kühlschrank oder Gartenhecke – Andrea Bunar hat all das auch schon mit ihrem Postkahn befördert. Über die Jahre ist da schon einiges an Gewicht zusammengekommen. Im letzten Jahr hatte sie als besondere Lieferungen beispielsweise einen Rasenmähroboter und ein Stand-Up-Paddle.
Abseits der Postkahnsaison ist die Zustellung in den Wintermonaten im Spreewaldort Lehde beschwerlicher. Sie erfolgt zwar mit dem Postauto, jedoch müssen dabei längere Strecken – mit Posttasche und Rollkarren – zu Fuß, teils über Brücken und Treppen, zurückgelegt werden.