Verena Farrar

Strafzölle bringen Fass zum Überlaufen - Kurzarbeit bei Wacker Chemie

Nünchritz. Die schlechten Nachrichten hören nicht auf: Neben Kostendruck und unwirtschaftliche Energiekosten, die zu Wettbewerbsbenachteiligung führen, kommen jetzt auch noch die US-Strafzölle auf die Industrie zu.

Jutta Matreux, Werkleiterin der Wacker Chemie AG (l.), Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter und Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Chemischen Industrie, Landesverband Nordost, im Gespräch bei der Wacker Chemie in Nünchritz. Foto: Farrar

Jutta Matreux, Werkleiterin der Wacker Chemie AG (l.), Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter und Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Chemischen Industrie, Landesverband Nordost, im Gespräch bei der Wacker Chemie in Nünchritz. Foto: Farrar

Bild: Farrar

»Die aktuell vorherrschenden Unsicherheiten und Belastungen sind eine Katastrophe für die Industrie in Deutschland, die großen und bleibenden Schaden anrichten kann«: Zu dieser Zusammenfassung kam Jutta Matreux, Werkleiterin der Wacker Chemie AG am Standort Nünchritz beim Branchengespräch vor Ort.

 

Zur schwierigen Energiepolitik mit zu hohen Preisen für die Industrie, die im Vergleich mit Asien nicht mehr wettbewerbsfähig sind und bürokratische Rahmenbedingungen, die zu viel Man-Power und Ressourcen binden, kommen jetzt auch noch angekündigte Strafzölle der USA. Für ein weltweit agierendes Unternehmen, wie die Wacker-Chemie mit einer Exportquote von 85 Prozent ist das eine reine Katastrophe.

 

Bereits jetzt sind nicht alle Produktionslinien voll ausgeschöpft und etwa 100 Mitarbeiter arbeiten in Kurzarbeit. Nach Angaben des Landesverbands Nordost des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) liegt die derzeitige Anlagenauslastung in Ostdeutschland bei nur noch 70 Prozent. Dies sei nicht mehr wirtschaftlich. Zur angespannten Lage sagte Staatsminister Dirk Panter: »Die chemische Industrie steht am Anfang zahlreicher Wertschöpfungsprozesse. Sie ist der Schlüssel für ein starkes und unabhängiges Europa. Um diesen wichtigen Industriezweig weiter in Sachsen zu halten, brauchen wir dringend international wettbewerbsfähige Energiepreise sowie praxistaugliche und unbürokratische Genehmigungsprozesse. Darüber sind wir mit dem Bund im Gespräch.

 

Probleme müssen jetzt gelöst werden

 

Die Lösung könnte eine Abwandlung der Produktion und Produkte stärker hin zur Halbleitererstellung sein. Das werde man genau prüfen, so die Werkleiterin und appelliert an den sächsischen Wirtschaftsminister Dirk Panter und an die Bundespolitik, dass aber auch dieser »Spagat« ohne eine vernünftige und bezahlbare Energiepolitik nicht machbar sei. »Die Energie steckt in jedem unserer Produkte - wie bei allen Industriebetrieben - wir sind die Basis für unzählige weiterverarbeitende Branchen und Wertschöpfungsketten.

 

Der recht neue Sächsische Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz, Dirk Panter, der den Besuch in Nünchritz nutzte, um Sachsens größter Chemiebetrieb kennenzulernen und die Probleme direkt von der Basis zu erfahren, will viel lernen, damit er schnell an sinnvollen Lösungen arbeiten kann. »Was wir jetzt brauchen, sind Sofortmaßnahmen zur Senkung der Energiekosten, wie die Abschaffung der Gasspeicherumlage. Insgesamt ist ein energiepolitischer Neustart notwendig, der wettbewerbsfähige Preise, den Umbau unseres Energiesystems und Versorgungssicherheit in Einklang bringt. Nur so wird der eingeschlagene Transformationspfad in Richtung klimaneutraler, grüner Chemie ein Erfolg werden«, so Nora Schmidt-Kesseler weiter.

 

Wacker Chemie kümmert sich selbst bereits aktiv um eine Energielösung auf Basis einer stabilen Wasserstoffversorgung. Dafür haben sich die Industriebetriebe der Region in der Energie- und Wasserstoffallianz im Industriebogen Meißen zusammengefunden und fordern einen sinnvollen Netzausbau.

 

Marktfeindliche Bedingungen


Alles was die Produktion erschwert, ist Gefahr für den Standort:
Hohe Energiekosten und steigende Verwaltungsanforderungen stellen neben der allgemein schwierigen konjunkturellen Lage die Traditionsbranche jedoch unter großen Wettbewerbsdruck. Hinzu kommt das anspruchsvolle Ziel, die Prozesse so weit wie möglich zu defossilisieren und »grün« zu gestalten, d.h. Energie aus erneuerbaren Quellen zu nutzen, Kreisläufe zu etablieren und besonders Ressourcen schonend mit ihr umzugehen. »Wir brauchen uns nichts vorzumachen, bezahlbare und damit wettbewerbsfähige Energie ist seit Jahren der Hauptdiskussionspunkt, wenn es um die Standortsicherheit geht«, gibt die Jutta Matreux zu bedenken.

 


Jutta Matreux, Werkleiterin der Wacker Chemie AG am Standort Nünchritz, verdeutlicht einmal mehr: »Als eines der energieintensivsten Unternehmen im Landkreis sind wir auf eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Energieversorgung angewiesen. Für unsere Zukunftsfähigkeit spielt es eine zentrale Rolle, dass Energie für uns dauerhaft finanzierbar ist. Gleichzeitig sehen wir die Transformation zur Klimaneutralität als klare Chance, um den Standort Deutschland und damit auch Sachsen langfristig erfolgreich weiterzuentwickeln. Wir als WACKER wollen bis 2045 klimaneutral produzieren. Dafür ist auch der Ausbau erneuerbarer Energien essenziell – sowohl für unsere eigene Versorgung als auch für die gesamte industrielle Wertschöpfung in der Region.« Dem stimmte der Minister Panter zu und will sich einsetzen und auch in Kontakt mit der Bundesregierung dazu bleiben.

 


»Die Chemiebranche, eine der wichtigsten Industrien in Sachsen und Ausgangspunkt komplexer Wertschöpfungsketten, befindet sich in einer alarmierenden Situation. Aufgrund der hohen Energiepreise und der schwachen Konjunktur sind die Kapazitäten schon lange nicht mehr ausgelastet«, erklärt Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Chemischen Industrie, Landesverband Nordost.


 


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