Protestschreiben: Anwohner am Triftweg fühlen sich nicht gehört
Die Mehrheit der Meißner Stadträte hat jüngst einem geänderten Bebauungsplan zugestimmt, der die Grundlage für den Bau von sechs dreigeschossigen Doppelhäusern in Hanglage sowie eines Einzelhauses auf 13 Grundstücken schaffen soll. Doch die Pläne stoßen auf Widerstand der Anwohner. Seit mittlerweile vier Jahren liegt der Stadt ein Protestschreiben mit 320 Unterschriften gegen die Bebauung vor – offenbar ohne bisherige Beachtung. »Unser Schreiben wurde scheinbar in einer Schublade vergessen«, ärgert sich Sabine Vogel, die im Namen vieler Anwohner am Triftweg spricht.
Die Stadt habe zwar einen »Runden Tisch« initiiert, um die Anwohner einzubinden, doch die Ergebnisse dieses Dialoges seien ignoriert worden. »Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Pläne unsere Lebensqualität massiv beeinträchtigen würden. Aber auf unsere Hinweise wurde nicht reagiert«, sagt sie mit spürbarer Wut. Die geplante Bebauung sorgt nicht nur wegen der entstehenden Gebäude für Diskussionen, sondern auch wegen der damit einhergehenden infrastrukturellen Veränderungen. Ein bislang ruhiger, idyllischer Weg soll zu einer ausgebauten Straße werden, die durch Wiesen und Garagen bis hin zum Questenberg führen soll. Für viele Anwohner wäre das ein Eingriff in die Natur und das Mikroklima der Umgebung. »Die Freiflächen am Triftweg sind eine wichtige Kaltluftschneise für unser Stadtklima. Wenn sie zugebaut werden, hat das Folgen, die wir nicht zurückdrehen können«, erklärt Andreas Bednarz in einer emotionalen Bürgerfragestunde. Für ihn steht fest: »Meißen soll eine lebenswerte Stadt bleiben. Wir wollen nicht unsere letzten innerstädtischen grünen Ecken opfern, nur um `Schlafgäste` aus Dresden anzuziehen.«
Die Anwohner kritisieren außerdem das ihrer Meinung nach mangelnde Nachhaltigkeitskonzept der Stadt. »Wie kann man von Nachhaltigkeit sprechen, wenn Natur für Straßenplanung und Wohnbauten geopfert wird?«, fragt Sabine Vogel und ergänzt: »Was übergeben wir unseren Kindern? Eine zubetonierte Landschaft?«
Freizeit statt Flächenversiegelung
Ein weiterer Punkt des Protestes ist der Verlust eines Freizeitareals. Die Wiese am Triftweg wird seit Jahren von Familien für Spaziergänge, Drachensteigen und im Winter zum Rodeln genutzt. Zwar soll nach den Plänen nur ein Teil der Fläche bebaut werden, doch viele Bürger befürchten, dass dies der Anfang eines größeren Eingriffs ist. »Es wird ein Dominoeffekt entstehen. Wenn wir diesen Bau zulassen, wird irgendwann der nächste Teil der Wiese bebaut, und dann der nächste«, sagt eine besorgte Anwohnerin, die anonym bleiben möchte.
Die Entwicklung des benachbarten Gutes Korbitz wird von den Anwohnern ebenfalls als wichtiger Punkt angesehen. »Wir wünschen uns, dass das Gut in ein nachhaltiges Gesamtkonzept eingebunden wird«, betont Bednarz. Eine isolierte Bebauung würde aus seiner Sicht die Identität des Viertels gefährden.
Die Stadt sieht in der Bebauung jedoch großes Potenzial, um neuen Wohnraum zu schaffen und von der Lage Meißens im »Dresdner Speckgürtel« zu profitieren. Für die Verwaltung scheint klar: Neue Einwohner aus Dresden könnten frischen Wind nach Meißen bringen und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben.
Doch die Widerstände aus der Bürgerschaft haben Wirkung gezeigt. Der geänderte Bebauungsplan soll erneut öffentlich ausgelegt werden und in ein Regelverfahren überführt werden. Im Zuge dessen wird auch eine Umweltprüfung verpflichtend, um die ökologischen Auswirkungen des Vorhabens zu bewerten. »Wir nehmen die Sorgen der Bürger ernst und wollen Transparenz schaffen«, erklärt ein Sprecher der Stadt. Für die Anwohner ist das allerdings nur ein kleiner Lichtblick. Viele zweifeln daran, dass ihre Einwände tatsächlich berücksichtigt werden. »Wir werden weiter kämpfen«, kündigt Sabine Vogel an. Für sie und viele andere am Triftweg steht fest: »Diese Natur ist unwiederbringlich. Es geht hier um mehr als nur um Häuser. Es geht um die Seele unserer Stadt.«