Junge Migranten im Pflegeheim
In den kommenden Wochen werden im Altenpflegeheim der Diakonie »Hugo Tzschucke« in Meißen-Bohnitzsch vorerst acht - perspektivisch bis zu 16 - unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einziehen. Damit startet auf dem Gelände des Seniorenheimes im leerstehenden Haus 2 ein Projekt der Kinder- und Jugendhilfe des Landkreises. Dazu waren Diakonie sowie Kreis- und Landesjugendamt bereits mehrere Wochen in engem Austausch. So wurde der Bereich »Migration« innerhalb des Diakonischen Werkes gezielt für die Betreuung der Jugendlichen angesprochen.
Hintergrund: Seit mehr als 30 Jahren werden Migranten landkreisweit professionell beraten; auch gibt es seit mehreren Jahren eine umA-Einrichtung in Riesa, in welcher Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren untergebracht sind.
Dennoch waren von dieser Entscheidung nicht alle begeistert. In mehreren Informationsveranstaltungen mit Beschäftigten, Bewohnern, Angehörigen und zuletzt den Nachbarn des Areals wurde über die geplante Unterbringung erst nach der Erteilung der Betriebserlaubnis informiert. Vermutlich war das einer der Gründe, warum es in den vergangenen Tagen vor den Heimtoren zu Demonstrationen und Kundgebungen von Kritikern der Entscheidung gekommen ist. Auch Stadtrat Martin Bahrmann ärgerte sich in den sozialen Medien über die zögerliche Informationspolitik der Diakonie, die zu unnötigen Missverständnissen geführt hat und den Beteiligten das Gefühl geben habe, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. »Wir sind einer Anfrage der Jugendämter auf Kreis- und Landesebene gefolgt. Die Betriebserlaubnis liegt nun vor und ist zeitlich auf zwei Jahre befristet. Wir konzentrieren uns jetzt auf die konkreten Vorbereitungen, um das Haus noch vor dem Winter zu einem Zuhause für die zunächst acht Jugendlichen zu machen«, sagt Geschäftsführer Frank Radke in einer offiziellen Mitteilung.
Räumlich gesehen habe man im leerstehenden Haus 2, in dem ursprünglich eine Kurzzeitpflege untergebracht war, diese aber vor Jahren wegen Personalmangels geschlossen wurde, die erforderlichen Wohnräume. Auch könne man im Bereich der Betreuung von Migranten aus einer langjährigen Erfahrung schöpfen. Im Team der Migration gibt es z.B. ausgebildete Interkulturelle Trainer, die auf Fragen des Zusammenlebens und Kontaktes spezialisiert sind. »Wir halten den interkulturellen Dialog für maßgeblich, um Vorbehalte und Ängste auf beiden Seiten abzumildern«, erklärt Diakonie-Sprecher Felix Kim. Fachkräfte und Betreuungskräfte begleiten die Jugendlichen pädagogisch rund um die Uhr. Aktuell werde das passende Personal für die Betreuung ausgesucht: »Momentan laufen Gespräche. Ziel ist es, die Stellen aus den eigenen Reihen zu besetzen«, so Kim weiter.
Zwar steht das Gebäude auf dem Areal des Altenpflegeheims, es ist jedoch thematisch, sachlich wie personell davon getrennt. »Natürlich werden sich junge wie ältere Menschen, Bewohner- und Anwohnerschaft begegnen. Wir haben schon Ideen, wie wir den interkulturellen Dialog gestalten können – wir greifen hier zurück auf gute Erfahrungen aus der Interkulturellen Wohngruppe in Riesa und auf die solide Netzwerkarbeit, die wir seit vielen Jahren aufgebaut haben«, sagt die stellvertretende Geschäftsbereichsleiterin Sylvia Spargen.
Im neuen Wohnheim werden zunächst acht Jugendliche eine Etage beziehen. Insgesamt sind 16 Plätze auf zwei Etagen vorgesehen. Es handelt sich um Jugendliche, die bereits im Landkreis wohnen – jedoch in Häusern mit Überbelegung. »Mit den freien Plätzen entlasten wir die angespannte Situation. Die jungen Geflüchteten finden bei uns individuellen Raum«, so Frank Radke. Er hofft, die Kritiker könnten das ebenfalls so sehen.
Laut gedacht!: Verpasst"
Einem mündigen Bürger das Mitspracherecht und damit einen Teil seiner Selbstbestimmung zu verweigern, ist in den aktuellen Zeiten im übertragenen Sinn fast schon schlimmer als ein »Banküberfall«.
Vor vollendete Tatsachen gestellt, sahen sich jetzt auch die Anwohner und Bewohner des Altenheimes »Hugo Tzschucke« in Meißen. Die Information, dass künftig unbegleitete, junge Flüchtlinge auf dem Gelände des Seniorenheimes wohnen werden, kam erst, als der Beschluss bereits in »trockenen Tüchern« lag.
Die Bürger hatten keine Möglichkeit der eigenständigen Information und der Abwägungen mit der neuen Situation, daraus kann nur Ablehnung, Vorbehalt und Angst folgen. Schade, die Chance zum Gespräch auf Augenhöhe wurde wahrscheinlich unwiederbringlich verpasst.
Ihre Verena Farrar