Blümeln wird ausgebildet
Im Oktober soll dem Berufsbildungsausschuss das Konzept durch die IHK Dresden vorgestellt werden. Dann wird es hoffentlich geschafft sein - in Sebnitz würde nach 33 Jahren wieder das Handwerk des Blümelns gelehrt. Die Objektleiterin der Sebnitzer Kunstblume kann es noch gar nicht fassen. Fast wäre der Beruf des Kunstblumenfacharbeiters verschwunden. Fast unbemerkt, seit 1990. Da wurde der letzte Lehrling in Sebnitz ausgebildet. Nach der Wende war Schluss.
In den alten Bundesländern kennt man das Berufsbild nicht und was man nicht kennt, gibt es nicht. Hier ist die Tradition des Blümelns dagegen eng mit der Region verbunden - aus Böhmen kam die 200 Jahre alte Kunst Blumen zu fertigen nach Sachsen. Die letzte, die den Beruf gelernt hat, ist inzwischen selbst 56 Jahre. Im letzten Jahr hat sich die Manufaktur damit beholfen, nach einer kaufmännischen Ausbildung ein weiteres Jahr im Handwerk dranzuhängen. Inzwischen ist im Archiv der IHK der alte Ausbildungsrahmenplan aufgetaucht.
Doch einfach wieder beginnen lässt sich die Ausbildung nicht. "Wir müssen eine Berufsschule finden, die unserem Metier ähnelt", so Lisa Schmidt. Kunstunterricht, Pflanzenkunde, Gestaltung - vieles gehört dazu. Auch die früheren Gewerke wie die eigene Prägerei oder Stanzerei gibt es nicht mehr. Die Stanz- und Prägeeisen werden längst nicht mehr hergestellt. 75.000 Stück stehen im Fundus. "Das sind unsere Schätze, mit denen wir arbeiten", erzählt Lisa Schmidt. 270 Blumen gehören zum Stammsortiment. Früher gab es viele Kunstblumen-Fabriken, in einer waren bis zu 10 Eisen-Macher beschäftigt. Diese Gewerke sind verschwunden.
Lisa Schmidt ist seit 2017 in die Manufaktur hineingewachsen. "Ich kenne jeden einzigen Arbeitsschritt", sagt sie. Das ist untertrieben. Die Chefin ist die Einzige, die die filigranen Blütenstempel fertigen kann. Wenn wieder ein großer Schwung gebraucht wird, tauscht sie ihr Büro gegen den Arbeitstisch. Jede Blüte ist echte Handarbeit. Keine Plaste, alles Naturstoffe. Seide zum Beispiel, Samt, Atlas, Baumwolle, mit Kartoffelstärke oder Gelatine formbar gemacht. Dann werden die Blüten gefärbt, natürlich von Hand, mit Textil- und Lebensmittelfarben.
Ein Spiritus-Wassergemisch sorgt für einen schönen Farbverlauf - bei der Rose wird jedes einzelne Blatt mit einer heißen Ahle gerollt. So sehen sie aus wie natürlich gewachsen. Renner sind gerade die Wiesenblumen. Mohn, Kornblume, Butterblume, Löwenzahn und Gänseblümchen. Es muss nicht immer die große Pfingstrose sein. "Momentan wird aber alles bestellt, sogar schon Herbstkränze", freut sich Lisa Schmidt. Die 15 Mitarbeiter haben derzeit so gut zu tun, dass die Schauwerkstatt ihre Öffnungszeiten kürzen musste. Der Kunde geht vor. Die meisten sind tatsächlich Privatbesteller.
Dazu kommen Stammkunden wie Hubrig, für die berühmten Blumenkinder oder Großkunden wie Knopflochblumen in den USA oder in Berlin. Eine große Blumenwiese geht jetzt zur Messe nach Berlin. Die Sebnitzer haben nach dem neuen Design Meissner Porzellans "Giant Bloome" neue Kunstblumen entwickelt. Demnächst wird das brandneue Geschirr dazu in der Sebnitzer Schauwerkstatt zu sehen sein. Die Meißner stellen im Gegenzug die Kunstblumenarrangements aus. Und manchmal hilft sogar die Gewerkschaft - 12.000 Mainelken sind dieses Jahr an die IG Metall zum Maifeiertag gegangen.
Ob bei den Zitronentagen im Barockgarten Großsedlitz oder der Handmade in Germany - Nacht der Manufakturen in Berlin - die Sebnitzer zeigen ein gerngesehenes Handwerk. Wie Vertreter damals durch die Lande reisten und ihre Blümel der werten Kundschaft präsentierten, das können Besucher im Musterzimmer aus dem 19. Jahrhundert sehen. In Schrankkoffern mit eingesteckten Schaukästen sind die Blütenträume früherer Generationen verewigt.
An solchen Musterkoffern dürfte manche Hausdamen Laute des Entzückens von sich gegeben haben. Schön, dass Blümeln bald wieder gelehrt wird.