Matthias Stark

An Düften orientieren

Königsbrück. Schülerinnen und Schüler der Königsbrücker Schulen begleiten Blinde und Sehbehinderte durch die örtliche Kameliensammlung.

Die Schülerin Kira mit dem Landesvorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen, Andreas Schneider, im Kamelienhaus in Königsbrück.
Foto: Matthias Stark

Die Schülerin Kira mit dem Landesvorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen, Andreas Schneider, im Kamelienhaus in Königsbrück. Foto: Matthias Stark

Bild: Matthias Stark

Finlay ist 14 Jahre alt und seit drei Jahren schon dabei. Er findet die Blütenpracht der Kamelien toll, hat sogar fünf Exemplare zu Hause. Lara, die später einen Beruf bei der Polizei ergreifen möchte, interessiert sich ebenfalls sehr für Pflanzen. Für sie steht aber auch der Umgang mit Menschen im Blickpunkt. Das sind nur zwei von vielen Schülern, die beim Projekt des Heimatvereins für Blinde und Sehbehinderte mitmachen. Seit mehreren Jahren betreuen Schüler der 4. Klassen der Grundschule »Juri Gagarin« in Königsbrück sowie Schüler ab der 5. Klassen, die das Ganztagsangebot nutzen, Besuchergruppen.

Lara hat festgestellt, dass sich Blinde sehr für den Geruch der Pflanzen interessieren. Für sie, wie für die anderen Schüler, ist es ein Bedürfnis, den Behinderten bei ihrem Besuch in der Ausstellung zu helfen und sie zu begleiten. Auch Doris Füssel, die das Ganztagsangebot für die Schüler organisiert, ist fasziniert von den Kamelienblüten. Sie ist seit 15 Jahren Mitglied im Heimatverein. Der betreut zwei bis drei Besuchergruppen wöchentlich. Hinzu kommen im Durchschnitt 800 Besucher an den Wochenenden. Das Ganze geschieht ehrenamtlich. Über Doris Füssel wird im Verein gemunkelt: »Sie ist das fleißigste Bienchen im Gewächshaus«.

Auch Lotta und Sophia, die diesjährigen Kameliendamen, sind beim Ganztagsangebot dabei. Sie sind die Repräsentantinnen der Schau und der Stadt Königsbrück. Etwa 50 verschiedene Kamelienarten gibt’s in der Ausstellung zu bewundern, darunter seltene Duftkamelien. Der Vereinsvorsitzende Peter Sonntag weiß, was Kamelien so besonders macht. Sie Sie seien kulturhistorisch eng mit Europa verbunden, zeigen eine große Blütenvielfalt und blühen dann, wenn das nur wenige andere Pflanzen tun.

 

Wertvolles Erlebnis

 

Über dreißig Menschen der Regionalgruppe Görlitz/Niesky des Blinden- und Sehbehindertenverbandes sind zusammen mit ihren Begleitpersonen in die Ausstellung gekommen. Unter ihnen ist Andreas Schneider, Landesvorsitzender des Verbandes. Er findet die Initiative des Heimatvereins großartig. Man könne sich in die Gewächse quasi einfühlen. Er sagt: »Uns Blinden fehlt ein Sinn, aber wir können uns an den Düften orientieren«. Und ergänzt mit Blick auf die junge Kira, die ihn durch die Ausstellung führt: »Die Schüler machen das toll«. Fühlen und Riechen seien ein besonderes Erlebnis für Blinde und Sehbehinderte. Und Andreas Schneider stellt fest: »Das Wissen um den Alltag von Blinden ist nicht sehr verbreitet«. Deshalb sei das gemeinsame Erleben mit den Jugendlichen besonders wertvoll.

Für die Besucher aus der Oberlausitz wird das Zusammentreffen mit den Königsbrücker Schülern eine bleibende Erinnerung sein. Denn dass über Geruch, Fühlen und Tasten sowie Gehör den Menschen eine Teilhabe an den historischen Kamelien ermöglicht wird, ist ein gutes Beispiel für gelebte Inklusion.


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