Wenn wir an Haustiere denken, dann kommen uns vor allem Tiere wie Hunde, Katzen und Hasen in den Sinn. Vermutlich würden die wenigsten ein Wildschwein mit dem Begriff assoziieren und noch wenigere die Couch mit ihnen teilen. Doch genau das hat Stefan Roick gemacht, zumindest in Rudis ersten Monaten.
Rudi ist ein Keiler. Mittlerweile ist er zweieinhalb Jahre alt und bringt einiges auf die Waage. Als Stefan ihn auf die Terrasse ruft, wird mir ein bisschen (es ist möglich, dass ich an dieser Stelle untertreibe) mulmig zumute, denn das lässt sich Rudi nicht zweimal sagen und schnüffelt kurz darauf fröhlich auf der Terrasse herum. Stefan tätschelt ihm den Kopf und schließt dann die Tür wieder hinter sich, woraufhin sich mein Herzschlag wieder normalisiert. Ich bin davon überzeugt, dass uns beiden ein wenig Abstand ganz gut tut. Doch wie kommt man überhaupt dazu sich ein Wildschwein als Haustier zu halten?
Neues Zuhause
Die Geschichte beginnt tragisch, denn bei einem Ausritt hören Ehefrau Anna und ihre Freundin Celina Lukács ein Schreien. Es stellt sich heraus, dass die Angstlaute von einer Gruppe Frischlinge stammen, wovon sich alle bis auf einen auf der gegenüberliegenden Seite der Spree befinden. Rudi jedoch scheint es nicht über den Fluss geschafft zu haben, als dieser noch gefroren war, mutmaßt Stefan später. Draußen herrschen Minusgrade und die Wahrscheinlichkeit, dass es der kleine Keiler zu seinen Geschwistern schafft, ist schwindend gering. Und so machen sich Anna und Stefan am Nachmittag erneut auf den Weg zu der Stelle am Fluss. Diesmal ist Rudi allein und mittlerweile schon halb erfroren. Zu Bewusstsein kommt er erst nach zwei Stunden wieder. Zu Hause auf dem Pferdehof Wüstenfuchs in Burg.
Jetzt geht es daran, Rudi wieder aufzupeppeln. Und zwar mit der Flasche. Rudi lebt zuerst in einem Laufgitter für Hunde im Wohnzimmer der Roicks und erschleicht sich dann nach und nach nicht nur einen Platz im Herzen seines Besitzers und seiner Besitzerin, sondern auch einen auf der Couch. Die Katzen dürfen schließlich auch!
Rudi folgt Anna und Stefan bald auf Schritt und Tritt. Als er größer wird sogar die Treppe rauf und runter. Nach draußen zieht der Keiler erst, als er damit beginnt, sich auch unter den Fußbodenfliesen nach Nahrung umzusehen.
Nicht mehr allein
An sein neues Zuhause muss sich Rudi erst gewöhnen. In der ersten Nacht ist er so glücklich darüber, dass, als Ziehpapa Stefan nach ihm schaut, er ihm direkt in die Arme springt, als er ihn erblickt.
Doch mit der Zeit findet Rudi gefallen daran den Garten umzugraben und sich tagsüber mit Anna, Stefan und den Hofhunden in der Spree abzukühlen.
Damit er seinen Schweinealltag nicht alleine meistern muss, bekommt er bald eine Mitbewohnerin. Das Minischwein Rosalie zieht bei Rudi ein. Frischlinge lassen nicht lang auf sich warten und so hält die kleine Schweinefamilie bald Tiere und Menschen auf Trab, während die Kleinsten zwischen den Vier- und Zweibeinern herumwuseln.
Mit seinen zweieinhalb Jahren ist Rudi nun zu groß für Ausflüge in den Wald und er scheint mit seinem großen Gehege inklusive Gartenanlage sehr zufrieden zu sein. Auch ruhiger ist er geworden. Nun lässt sich streiten, ob das an der Kastration oder dem Alter liegt. Doch da er noch in der Blüte seines Lebens steht und das Rentnerdasein noch vor ihm liegt, vermutlich eher
Ersteres.
Angst hat Stefan auch heute noch nicht. Respekt schon, das möchte man auch, wenn man sich die 5 Zentimeter langen Eckzähne anschaut, aber Rudi hat sich an ihn gewöhnt und ab zu spielen die beiden auch noch miteinander oder Rudi lässt sich von ihm den Bauch kraulen.
Ob Rudi das letzte auf Hilfe angewiesene Tier auf dem Hof der Roicks sein wird, bleibt abzuwarten. Doch wenn man von Paul, dem Kater, der Diabetes hatte und dreimal täglich gespritzt werden musste und Oskar dem Ziegenbock, für den auf seine letzten Tage sogar das Bad geräumt wurde, hört, dann gibt es sicher auch in Zukunft noch einiges zu berichten.
Weitere spannende Geschichten lesen Sie
in unserer neuen elster'xtra.