Matthias Stark

Möglicherweise ein Gefäß für Bier

Ottendorf-Okrilla. Bei Ottendorf-Okrilla werden bei Erschließungsarbeiten Jahrtausende alte Hügelgräber und Keramiken entdeckt.
Dr. Harald Stäuble vom Landesamt für Archäologie hält einen besonderen Fund in seinen Händen. Es handelt sich um eine Schnurkeramik, sie stammt aus der Zeit zwischen 2750 und 2200 v.Chr., auf dem Tisch weitere Teile der Ausgrabungen bei Ottendorf-Okrilla. Foto: Matthias Stark

Dr. Harald Stäuble vom Landesamt für Archäologie hält einen besonderen Fund in seinen Händen. Es handelt sich um eine Schnurkeramik, sie stammt aus der Zeit zwischen 2750 und 2200 v.Chr., auf dem Tisch weitere Teile der Ausgrabungen bei Ottendorf-Okrilla. Foto: Matthias Stark

Es ist ebenso spannend wie interessant, wenn der Pressesprecher Landesamtes für Archäologie, Dr. Christoph Heiermann, von der Arbeit seiner Behörde berichtet. »Das Landesamt für Archäologie führt sachsenweit etwa 100 bis 150 Grabungen pro Jahr durch. Das sind meist Rettungsgrabungen. Durch Bodeneingriffe würden die archäologischen Funde sonst zerstört werden. Bevor das geschieht, kommen unsere Kollegen und graben aus.«

Nun wird seit September des Jahres 2023 genau das im Rahmen der Erschließung eines neuen Abbaufeldes im Kiestagebau bei Ottendorf-Okrilla getan. Sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auf einer Gesamtfläche von etwa 5 ha dabei, im Boden Verborgenes zu sichern und Ausgrabungen durchzuführen. Sie fanden ca. 85 archäologische Befunde sowie mehrere hundert Einzelfunde. Noch bis April werden die wissenschaftlichen Arbeiten vor Ort andauern. »Alles was wir finden, wird fotografiert und dokumentiert. Manchmal wird auch das Gebiet mit der Drohne überflogen, um 3D-Bilder zu erstellen«, sagt Dr. Christoph Heiermann.

Spektakuläre Funde aus zwei Epochen

Der örtliche Grabungsleiter, Matthias Conrad, schwärmt von den unerwarteten Funden: »Es handelt sich zum einen um Gräber aus der späten Bronzezeit, also etwa 1250 bis 1050 v. Chr.. Wir fanden Keramikgefäße, die als Urnen benutzt wurden und die mit Leichensand, verbrannten Menschenresten, gefüllt sind. Die Funde sind teilweise durch den Waldbewuchs stark gestört. Wir haben etwa ein Dutzend dieser bronzezeitlichen Gräber entdeckt.« Aber es geht noch weiter in der Zeit zurück. Der Grabungsleiter berichtet weiter: »Wir fanden außerdem Scherben der Schnurkeramik, einer osteuropäischen Kultur. Das ist eine Kultur der späten Jungsteinzeit, etwa 2750 bis 2200 v. Chr., überraschenderweise kamen dann beim Feinputz kreisförmige Strukturen zum Vorschein, die als Grabhügel gedeutet werden. Das ist typisch für Sachsen, insbesondere die Leipziger Gegend. Hier nördlich von Dresden ist das eher selten.«

So gut erhaltene Grabhügel sind nicht häufig

Unter den etwa 85 Befunden verdient eine Gruppe von Hügelgräbern aus der Epoche der Schnurkeramik vor über 2.000 Jahren das besondere Augenmerk der Wissenschaftler. Die obertägig erhaltenen Hügel stellen eine Seltenheit dar, weil sie andernorts meist komplett eingeebnet sind. Die Ausgrabung dieser Hügel erbrachte eine fast 5.000 Jahre alte Geländeoberfläche. Unterhalb der Hügel haben sich die typischen kreisförmig umlaufenden Gräben erhalten. In deren Mitte befinden sich die Grabkammern. Aus dieser Periode stammen auch die Funde von Feuersteinklingen und Gefäßen.

Der Referatsleiter im Landesamt für Archäologie, Dr. Harald Stäuble, ist begeistert. Er sagte: »Das ist ein bedeutender Fund. In meiner ganzen Karriere habe ich es noch nie mit so gut erhaltenen Grabhügeln zu tun gehabt. Dass wir tatsächlich noch Spuren von einem Hügel sehen, der das Grab überdeckt, ist bis jetzt einmalig. Es ist fast ein Wunder, weil es sich bei dem Gelände um einen ehemaligen Truppenübungsplatz handelt. Aber vielleicht war das auch der Glücksfall, weil hier keine Landwirtschaft durchgeführt wurde.« Einige der spektakulären Funde wurden nun der Presse gezeigt. Präsentiert wurden unter anderem ein erstaunlich gut erhaltenes Beil und ein interessantes Gefäß. Zu letzterem bemerkte Dr. Harald Stäuble: »Möglicherweise wurde so etwas wie Bier daraus getrunken.« Alle Funde können nun der Nachwelt erhalten werden, dank der Akribie, mit der die Archäologen vor Ort ihrer Arbeit nachgehen.


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