Matthias Stark

Ihre Herzen gehören der Tafel

Kamenz. In der Lessingstadt sind zwei altgediente Tafelmitarbeiter mit Leib und Seele dabei.

Zwei Ehrenamtler, die sich seit etwa 30 Jahren für die Kamenzer Tafel einsetzen: Gerlinde Lorenz und Rainer Lang.Foto: Matthias Stark

Zwei Ehrenamtler, die sich seit etwa 30 Jahren für die Kamenzer Tafel einsetzen: Gerlinde Lorenz und Rainer Lang.Foto: Matthias Stark

Bild: Matthias Stark

Die Tafeln in Deutschland sind gemeinnützige Organisationen, die überschüssige Lebensmittel sammeln und an bedürftige Menschen verteilen. Sie sind in vielen Städten aktiv und helfen, Armut und Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter holen täglich Lebensmittel ab, die nicht mehr verkauft werden, aber noch genießbar sind, und geben sie in speziellen Ausgabestellen an Bedürftige weiter. Besonders in Zeiten steigender Armut und Inflation werden die Tafeln immer wichtiger. Gleichzeitig kämpfen sie selbst oft mit knappen Ressourcen und zunehmender Nachfrage. Die Arbeit der Tafeln ist ein wichtiger Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit.

 

Zwei Urgesteine der Kamenzer Tafel

 

In Kamenz sind es zum Beispiel Gerlinde Lorenz und Rainer Lang, die sich seit rund dreißig Jahren für die Tafel in der Lessingstadt engagieren. Gerlinde Lorenz kann gar nicht anders, als sich für andere einsetzen. Sie hat bereits eine Karriere in Vorwendezeiten als FDJ-Sekretärin hinter sich, war aktiv im Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) und von 1983 bis 1991 stellvertretende Bürgermeisterin in Lückersdorf-Gelenau. Die gelernte Näherin ist eine Macherin, packt mit an, wo sie gebraucht wird. Obschon sie zwei Kinder großgezogen hat, war sie immer berufstätig, machte Heimarbeit. Sie nähte für Bandtex Pulsnitz Fahnen und Stoffgurte für Kinderwagen.

Auch Rainer Lang hat sich nach der Wende in verschiedenen Berufen versucht. Der gelernte Ofensetzer und Fliesenleger durchlief mehrere »Maßnahmen«, wie die damaligen ABM’s genannt wurden. Dann stieg er als Fahrer bei der Tafel ein und blieb dabei. Heute ist er Vereinsvorsitzender des Tafel-Vereins in Kamenz. Er sagt: »Am Anfang war die Tafel wichtig für Bedürftige, heute ist sie es mehr, damit Lebensmittel nicht verschwendet werden«. Sein Verein hat mittlerweile zehn feste Mitglieder. Was ihn besorgt, ist, dass der Nachwuchs fehlt.

Gerlinde Lorenz und Rainer Lang sind sich sicher, dass ihre Arbeit nicht nur für ärmere Menschen wichtig ist. Auch Flüchtlinge und Asylsuchende gehören zum Kundenkreis. Mittlerweile auch viele aus der Ukraine. Bei ihnen sei ein ziemliches Anspruchsdenken zu bemerken. Da könne die Tafel nicht alles leisten, was gelegentlich gewünscht wird. Ein Rückschlag für beide war der Brand im Jahr 2015, als sie für ein Jahr an einen anderen Standort umziehen mussten.

Rainer Lang treibt die Frage der Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln um. Es werde noch immer zu viel weggeworfen. Sowohl ihn wie auch Gerlinde Lorenz freut es, wenn sich Kunden bei ihnen bedanken. Dadurch wird ihnen bewusst, dass sie das Richtige tun. Und sie geben beide zu, dass ihnen etwas fehlen würde, wären sie nicht mehr aktiv bei »ihrer« Tafel. Rainer Lang meint mit einem Augenzwinkern: »Ich wollte mit 75 aufhören, das wäre im nächsten Jahr, aber das wird wohl nichts«. Und Gerlinde Lorenz ist sich sicher: »Ich kann mir noch nicht vorstellen, aufzuhören«.

Und so werden beide wohl noch für einige Zeit zwei bis drei Mal pro Woche für mehrere Stunden bei der Kamenzer Tafel Lebensmittel abholen, sortieren und ausgeben. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft, und das ohne Lohn in Form von Geld. Ihr Lohn ist der Dank der Bedürftigen, aber auch das freundliche Miteinander unter den Kolleginnen und Kollegen. Solange die Tafeln in Deutschland nötig sind, braucht es Menschen wie Gerlinde Lorenz und Rainer Lang, die sich für andere einsetzen. Auch wenn das gelegentlich nicht mit gesellschaftlicher Anerkennung verbunden ist, wie beide feststellen. Gebraucht werden ist ihnen trotzdem wichtig.


Meistgelesen