Rainer Könen

Hier wird in 100 Jahren keine Bahn fahren

Region. 1998 wurde die Strecke zwischen Bernsdorf-Straßgräbchen und Königsbrück stillgelegt. Nun fordern viele wieder die Reaktivierung dieses Abschnitts.

Timo Schreyer (MdL) auf der stillgelegten Bahntrasse zwischen Königsbrück und Bernsdorf-Straßgräbchen.  Foto: privat

Timo Schreyer (MdL) auf der stillgelegten Bahntrasse zwischen Königsbrück und Bernsdorf-Straßgräbchen. Foto: privat

Bild: Andreas Tusch

Seitdem man mit dem Deutschlandticket das ganze Land per Bahn und Bus erkunden kann, rücken bundesweit Strecken in den Blickpunkt, die nicht nur für Pendler sondern vor allem für Urlauber attraktiv sind. Strecken. Gäbe es die Bahnstrecke zwischen Bernsdorf-Straßgräbchen und Königsbrück noch, vielleicht würde diese jetzt auch zahlreiche Urlauber und Ausflügler befördern. Doch gibt es diesen Streckenabschnitt nicht mehr.

1998 von der Deutschen Bahn stillgelegt, wurde die Bahnstrecke wenig später an ein in Oybin ansässiges Unternehmen, die Rob Roth AG, verkauft, sollten auf der stillgelegten Trasse ein Reit- und Radwanderweg entstehen. Nach dem Verkauf an das Unternehmen habe die »Plünderung der Strecke« begonnen, beschreiben es ältere Bewohner von Straßgräbchen. So wurden Schienen, Drähte und Holzmasten von der Strecke entfernt, trotz fehlender Genehmigung durch das Landratsamt. Einen Wanderweg findet man dort nach wie vor nicht, vielmehr ist ein Großteil der Strecke von der Wildnis überwuchert, etliche Flächen an der Bahntrasse verkauft, das unter Denkmalschutz stehende Viadukt über das Pulsnitztal bei Königsbrück baufällig. Und die Rob Roth AG? Ist seit einiger Zeit vom Bildschirm verschwunden.

Mittlerweile wird jedoch vielerorts die Reaktivierung dieser Strecke gefordert, auch Bürgermeisterin Elke Röthig (Schwepnitz) und Bürgernester Heiko Driesnack (Königsbrück) begrüßten die Wiedereinrichtung der Bahnstrecke. Nicht zuletzt auch, weil in der Region immer mehr Menschen angesichts des Klimawandels umweltbewusster agieren, statt aufs Auto zunehmend auf Bus und Bahn setzen.

Reiner Hermann aus Bulleritz, ehemaliger Gemeindedirektor und Bürgermeister von Straßgräbchen, war, als der nicht genehmigte Rückbau der Strecke begann, bereits in Rente. Der 84-Jährige wünscht sich zwar auch seit Jahren die Wiedereinrichtung dieser Trasse, ist jedoch Realist genug, zu erkennen, dass der Aufbau der Strecke zu kostenintensiv sein dürfte. Ende 2019 hatte die Deutsche Bahn eine Taskforce eingerichtet, mit dem Ziel, einige hundert stillgelegte Strecken in Deutschland auf ihr Verkehrspotenzial zu untersuchen. Das Ergebnis: Etliche der stillgelegten Strecken sollen reaktiviert werden. Der Streckenabschnitt zwischen Königsbrück und Straßgräbchen sei da für eine »Wiederbelebung« nicht in Betracht gekommen, erklärt eine DB-Sprecherin. Etwas, was Elke Röthig bedauert. Dabei erhofft man sich in ihrer Gemeinde seit Jahren nichts sehnlicher als eine bessere Anbindung an den hiesigen ÖPNV. So aber »fühlen wir uns hier wie auf einer Insel«, meint Elke Röthig.

In Königsbrück fände man es ebenfalls »schön, wenn es die Verbindung nach Bernsdorf-Straßgräbchen noch gäbe«,so Bürgermeister Heiko Driesnack. Der natürlich weiß, wie es um den aktuellen Zustand der früheren Bahnstrecke bestellt ist. »Da gibt es keine Schienen mehr«, so Driesnack weiter. Liegen geblieben sind nur noch Schotterdamm und Betonschwellen. Selbst wenn Schienen teilweise fehlten, könne man eine stillgelegte Trasse wieder »aufbauen«, so die DB-Sprecherin. Voraussetzung sei jedoch, dass ein Bedarf für die Reaktivierung bestehe, die Strecke wirtschaftlich sei. Da die ehemalige Strecke von Königsbrück nach Straßgräbchen vollständig zurückgebaut wurde, kämen hier Reaktivierungsmaßnahmen einem Neubau gleich, erfährt man von der DB-Sprecherin. Liegen die Kosten für reaktivierte Strecken zwischen einer Million Euro pro Kilometer bei einfachen Projekten und zehn Millionen Euro pro Kilometer bei komplexen Ingenieurbauwerken und entwidmeten Strecken. Mit anderen Worten: so viele Touristen, so viele Pendler gibt es gar nicht, um den Wiederaufbau der ehemaligen Bahnstrecke zwischen Königsbrück und Straßgräbchen zu rechtfertigen. Sieht auch Reiner Herrmann so: »In den nächsten hundert Jahren tut sich hier nichts.«


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