

Wenn der Pieper angeht, müssen Feuerwehrleute alles stehen und liegen lassen. Bei der Berufsfeuerwehr gibt es Dienstpläne, die regeln, wer Dienst hat und im Notfall raus muss. Für ehrenamtliche Feuerwehrleute ist die Situation eine völlig andere. Wenn der Notfall eintritt, müssen sie raus. Abends nach der Arbeit, an den Wochenenden, ob mitten in der Nacht oder wenn die Familie feiert. Immer einsatzbereit zu sein – wie das ist, welche Auswirkungen das aufs Familienleben hat, das beschreibt die 36-jährige Großerkmannsdorferin Sarah Rehork.
Frau Rehork, kann es passieren, dass wir das Gespräch abbrechen müssen, weil Sie zum Einsatz gerufen werden?
Sarah Rehork: Theoretisch ja. Aber wir haben heute kein typisches Einsatzwetter. Die Sonne scheint kaum, es ist nicht allzu trocken in den Wäldern, Sturmwarnungen gibt es auch keine. Ich denke, es wird ruhig bleiben, wir können entspannt miteinander plaudern.
Wie werden Sie bei Einsätzen alarmiert?
Über den Pieper, per Handy-App oder über die Sirene. Dann heißt das für mich, sofort alles stehen und liegen lassen und sich in die Spur machen.
Egal, wo Sie gerade sind? Was machen Sie denn, wenn Sie gerade an der Kasse im Supermarkt stehen?
Habe ich schon erlebt. In einem Radeberger Supermarkt. Da habe ich sofort alles wieder in den Einkaufswagen gesteckt, der Kassiererin Bescheid gegeben, dass ich später wiederkomme und bin los. Ist mir schon einige Male passiert. Hatte da bisher immer Glück mit verständnisvollen Mitarbeitern.
Können Sie während der Arbeit zu den Einsätzen raus?
Nein, ich arbeite ja als Kinderkrankenschwester im Epilepsiezentrum Kleinwachau, da habe ich oft Spät- oder Nachtschicht. Das geht nicht, da könnte dann mein Mann zum Einsatz.
Der auch bei der Großerkmannsdorfer Wehr ist.
Richtig.
Ständig einsatzbereit zu sein, kann man da zuhause überhaupt abschalten von der Arbeit, vom Alltag?
Ja, das habe ich durch meinen Job gelernt. Man kann nicht permanent angespannt ein, das geht nicht. Mein Mann und ich, wir haben unsere Automatismen im Ernstfall. Anziehen, aus dem Haus rennen, ins Auto steigen, zum Gerätehaus fahren. Werden wir über den Pieper verständigt, erfahren wir auch, um welchen Einsatz es sich handelt: Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person oder B2, Waldbrand. Da kann man sich unterwegs auf das einstellen, was einen am Einsatzort erwartet.
Wie oft müssen Sie zu Einsätzen raus?
Im Schnitt zwei Mal im Monat, manchmal können es mehr Einsätze sein. Oder man hat gar keine. Kommt auch vor.
Einmal angenommen, Sie befinden sich auf einer Familienfeier, die Stimmung ist bestens und dann meldet sich der Pieper. Kriegen Sie nicht schlechte Laune, weil Sie sich aus der fröhlichen Runde verabschieden müssen?
Ganz ehrlich: nein. Ich mache diese Tätigkeit doch, um anderen zu helfen. Also muss ich das in Kauf nehmen. Außerdem hat man ja jahrelang für Einsätze geübt, hat regelmäßig Unfallszenarien durchgespielt. Was man da gelernt hat, will man auch umsetzen.
Wie lange brauchen Sie, bis Sie das Gerätehaus erreichen?
Bin ich zuhause, sind es mit dem Auto zwei, mit dem Rad drei Minuten.
Wie geht Ihre Familie, Ihr Mann und die drei Kinder mit solchen Situationen um? Haben die Angst, dass Sie sich bei einem Einsatz verletzen?
Mein Mann weiß ja, was einen am Einsatzort erwartet. Meine beiden Jungs sind immer aufgeregt, wenn ich alarmiert werde, die wollen dann wissen, was passiert ist. Bei meiner großen Tochter ist das anders, sie hat Angst, wenn ich los muss. Aber das darf sie auch. Wir reden darüber, das hilft ihr. Ich selbst verdränge Ängste, geht nicht anders, sonst ist man blockiert. Wenn mein Mann und ich gemeinsam zum Einsatz raus fahren, werden wir, darauf haben wir uns geeinigt, nie zusammen in ein brennendes Haus gehen. Falls uns da was zustieße, hätten unsere Kinder ja keine Eltern mehr.
Warum sind Sie zur Feuerwehr gegangen?
Zur Feuerwehr bin ich über meinen Mann gekommen. Ich mache das, weil ich mich sozial engagieren, anderen helfen möchte. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man Menschen in einer Notlage helfen kann.
Die psychische Belastung bei Einsätzen ist oft recht groß. Mit wem reden Sie danach? Mit Ihrem Mann?
Natürlich. Aber wir haben auch ein sehr gutes Kriseninterventionsteam, einen Notfallseelsorger, wir sind da bestens aufgestellt. Es gibt natürlich Unfälle, die bleiben lange haften. Vor allem, wenn man zu Einsätzen gerufen wird, bei denen Menschen betroffen sind, die man persönlich kennt.
Haben Sie das schon erlebt?
Ich nicht, aber mein Mann.
Wenn man wie Sie seit mehr als 15 Jahren bei der Feuerwehr ist, erlebt man so einiges.
Oh ja. Wir müssen häufiger bei Verkehrsunfällen ausrücken. Wie die Menschen, die man aus einem Auto herausholt, mitunter aussehen, das sind Anblicke, die kann man keinem zumuten. Da gibt es nichts mehr zu retten, da kann man nur noch bergen. Aber es gibt auch ungewöhnliche Einsätze, wie der auf dem Radeberger Eschebach-Gelände. Vor einigen Jahren mussten wir da im Winter hin. Es war bitterkalt, so kalt, dass das Wasser in den Löschrohren fast gefroren wäre. Das gefrorene Löschwasser bildete eine Eisfläche, auf der wir Feuerwehrleute ständig ausrutschten, nach Halt suchten. Ein bizarrer Anblick war das.
Allein unter Feuerwehrmännern könnte es in Ihrem Fall auch heißen: In der 36-köpfigen Einsatzgruppe sind Sie die einzige Frau. Kommt auch mal ein Spruch?
Na klar, ist aber harmlos. Vergessen halt manche gelegentlich, dass da noch eine Frau ist. Aber alles gut, wir sind eine tolle Truppe, das Miteinander, die Kameradschaft ist top, mir gefällt es sehr. Würde mich freuen, wenn weitere Frauen bei uns mitmachten. Wir haben noch einige leerstehende Frauenspinde (lacht).