Birgit Branczeisz

Sollte es einen Bürgerentscheid zur Carolabrücke geben?

Dresden. Am 27. Februar jährt sich der Bürgerentscheid zur Waldschlößchenbrücke zum 20. Mal. Dr. Hans-Joachim Brauns hat ihn mitinitiiert, er war Pro Brücke, baupolitischer Sprecher der CDU im Stadtrat und ist Richter am Landgericht.

Wie sehen Sie den Bürgerentscheid heute, Herr Brauns?

Unterschiedliche Meinungen gehören zum Geschäft der Demokratie. Das entscheidende ist: Wie geht man damit um? Eine Stimme mehr ist dann eben eine Stimme mehr. Das muss jeder akzeptieren. Wer sich erinnert, der Wiederaufbau der Frauenkirche war alles andere als unumstritten. Da gab es die Meinung, der Schutthaufen müsse als Mahnmal bleiben. Das war auch beim Blauen Wunder nicht anders. Das wurde seinerzeit als Stahlmonster bezeichnet. 30 Jahre danach gab es noch Schmähartikel. Warum? Weil es keine steinerne Brücke war, sondern etwas völlig neues. Heute ist das Blaue Wunder eines der Wahrzeichen unserer Stadt, wie die Frauenkirche.

 

Das hat die Waldschlößchenbrücke nicht erreicht.

Heute zeigt sich, dass die Waldschlößchenbrücke absolut notwendig war – deshalb muss ich sie nicht lieben. Sie ist akzeptiert. Ob man sie besonders schön findet? Die anderen Brücken finde ich schöner. Außer der Carolabrücke, die hat nie da reingepasst in ihrer wuchtigen Form. Deshalb gibt es ja die Initiative, die fordert, wir wollen eine historisierende, eine ästhetische Brücke, die dem Ensemble gerecht wird. Mehr als praktisch und fertig.

 

Wird  man ein weiteres Mal »praktisch und fertig« entscheiden?

Ich möchte auch, dass es schnell geht. Aber wir müssen genau darauf achten, was wir bauen. Das ist das Herz unserer Stadt. Eines der wesentlichen Probleme der Carolabrücke – gerade auf der Altstädter Seite – ist, dass sie so breit auffächert. Wir müssen uns aber überlegen, was machen wir mit der Petersburger Straße! Zwischen den Fahrspuren sind städtebauliche Brachen, die keinerlei Aufenthaltsqualität haben. Ich habe immer kritisiert, dass die Planer die Fläche einfach weiß lassen – da geht niemand ran. Ein Aufspreizen einer neuen Carolabrücke macht überhaupt keinen Sinn. Die beiden Fahrspuren sollten wieder geschlossen ankommen, begrenzt durch die beiden allegorischen Figuren.

Was würden Sie denn in dem Zuge noch verändern?

Ich würde zwischen Pirnaischer Platz und Georgplatz die Fahrbahn so planen, dass man sie halb unter die Erde bringt, mit einem Tunnel darüber, damit wir den Großen Garten ans Rathaus holen. Das war doch der Grund, warum die Robotron-Kantine weg sollte. Ich könnte mir auch vorstellen, die Parkeisenbahn bis hierher fahren zu lassen. Dann bin ich ganz anders ans Zentrum angebunden. Wenn so ein Unglück wie der Brückeneinsturz passiert, dann ist das die historische Chance, städtebaulich perspektivisch zu denken. Wenn das dann ein, zwei Jahre länger dauert, dauert es länger. Wir reden schließlich über ein Bauwerk das 100 Jahre halten soll!

 

Wann sehen Sie den Baubeginn?

Das kann ich nicht sagen. Wenn ich sehe, wie lange es alleine dauert, die eingestürzten Teile aus der Elbe zu bergen, dann noch die herabhängenden Mittelteile abzubrechen – und da reden wir noch nicht über Zug A und B. Da kommt erst noch die Ausschreibung. Und das ist auch alles andere als trivial.

 

Sehen Sie die Gefahr, dass die Autospur auf einer neuen Carolabrücke verschwindet?

Die Gefahr sehe ich. Ich halte das nicht für sinnvoll. Wir sehen doch, was gerade passiert. Der große Rückschlag ist ausgerechnet das Deutschlandticket, weil die Co-Finanzierung nicht kommt. Jetzt haben wir das Desaster. Jetzt haben wir Verteilungskämpfe. Das Ergebnis sind Leistungseinschränkungen. Ja, das Auto ist das absolut teuerste Verkehrsmittel. Aber die Leute haben es. Wer beispielsweise einkaufen muss, fährt mit dem Auto und will nicht schleppen. Stattdessen hat man das Auto schlechtgemacht, statt die Motoren sauberer,  und verbannt es über Regelungen aus den Innenstädten. Das ist der große Fehler. Wenn ich autofreie Zone ausweise, dann brauche ich etwa Tiefgaragen – dann komme ich mit dem Auto ran. So hab ich einen Verkehrs-Mix und eine andere Kostenstruktur für den ÖPNV. 

 

 

 

 

 

 

 


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