Uwe Schieferdecker/ck

Neuigkeiten von einer alten Schule

Dresden. Mit einer Festwoche beging die 76. Oberschule Dresden-Briesnitz Ende November ihre Wiedereröffnung. Seit Sommer 2020 waren die beiden Schulgebäude saniert und miteinander verbunden worden.

Die alte Briesnitzer Schule an der Alten Meißner Landstraße.

Die alte Briesnitzer Schule an der Alten Meißner Landstraße.

Bild: Archiv Schieferdecker

Briesnitz steht heute exemplarisch für die Entwicklung des Schulwesens in Sachsen. Nicht umsonst erfreut sich das sächsische Bildungswesen stets bester Noten im Ländervergleich. Doch beginnen wir chronologisch von vorn. Einen Steinwurf entfernt, steht an der Alten Meißner Landstraße 67 etwas unscheinbar ein zweigeschossiger Baukörper mit verblichenem Kratzputz. Er erhebt sich am Kirchberg unterhalb der Briesnitzer Kirche auf einer hohen Plänermauer. Die grüne Tafel des Lehrpfades Zschonergrund am Gebäude belehrt uns, dass es sich um die älteste erhaltene Landschule Sachsens handeln soll.

Briesnitz war im ausgehenden Mittelalter als Kirch- und Schulort für ein weites Umfeld zuständig. Ein erster Schulmeister ist bereits 1511 nachgewiesen. Damals noch ohne »Elterntaxi«, kamen die Kinder aus einem weiten Umfeld, etwa aus Cossebaude, Pennrich oder Löbtau, gelaufen. Das Schulgebäude wurde 1602 durch einen Blitzschlag schwer beschädigt und zunächst provisorisch wieder nutzbar gemacht. 1695 erfolgte schließlich ein grundhafter Um- und Neubau des Schulgebäudes, dessen Gestalt bis heute überkommen ist. Verantwortlich dafür war der Landbaumeister Matthäus Schumann, der seine Spuren auch am Jagdschloss Moritzburg oder am Turm des Dresdner Residenzschlosses hinterließ. An das rechteckige Haupthaus lehnt sich ein Seitenflügel in Fachwerk. Neben dem Unterricht diente das Haus sogar als Ortsgefängnis.

Im Zuge der Industrialisierung erhöhte sich die Zahl schulpflichtiger Kinder massiv. Deshalb errichtete die Gemeinde Briesnitz an der Merbitzer Straße ein neues Schulgebäude. Stuckquaderung und Putzreliefs gliedern das stattliche zweigeschossige Gebäude. Der Schlussstein über dem Haupteingang verweist auf das Baujahr 1880. Das bisherige Schulhaus wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Heute beherbergt es eine kleine Ausstellung zur Dresdner Schulgeschichte und das Atelier sowie die Wohnräume des Künstlers Einhart Grotegut.

Die Hoffnung, dass der Dresdner Vorort sein »Schulproblem« damit gelöst hatte, trog. Bereits 1894 entstand wegen der steigenden Schülerzahl ein Flügel mit Klassenräumen zur Merbitzer Straße, dem zehn Jahre später ein ähnlicher Gartenflügel folgte. Hier sollte der Autor ab 1967 eine Schulbank drücken, die damals noch mit einem Loch für das Tintenfass versehen war. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde neben dem Schulgebäude eine Turnhalle mit einem Krüppelwalmdach errichtet.

 

Ein Ausflug in die Schulzeit

 

Doch nun genug der Stückelei, meinten die Gemeindeväter, und ließen 1909 zum Schulberg hin ein nagelneues dreigeschossiges Schulgebäude mit einem Walmdach erbauen. Es bot den Schülern neben Unterrichtsräumen einen Zeichensaal, eine Kochschule und ein Wannenbad. In den 1920er Jahren machte sich die Briesnitzer Schule einen Namen als Reformschule. Im Zeitalter von Frontalunterricht und Rohrstock befanden sich dort an den Seitenwänden Schiefertafeln sowie ein Sandkasten mitten im Klassenzimmer, um den herum mit wachen Augen die Schüler saßen. Auch in den 60er-Jahren wurde die 76. Polytechnische Oberschule in Briesnitz ihrer besonderen geschichtlichen Rolle gerecht. Im Heimatkundeunterricht erklomm ich mit der verehrten Klassenlehrerin, Luise Eichhorn, den ehrwürdigen Briesnitzer Kirchturm gegenüber der Schule. Als das mächtige Geläut urplötzlich anfing zu schlagen, rutschte den Zweitklässlern das Herz in die Hose. Dagegen jagten uns urzeitliche Grabgefäße in einer Kammer des alten Schulgebäudes kalte Schauer über den Rücken. Sie stammten von den Ausgrabungen unterhalb des Kirchbergs.

Verringerte Klassengrößen bedingten 1994 einen symmetrischen Anbau am Schulhaus von 1909 in alten Formen. Im Jahr 2017 folgte Am Lehmberg ein Neubau für die Grundschule samt Turnhalle. Nach Abschluss der Bauarbeiten am traditionellen Standort Merbitzer Straße bietet die 76. Oberschule 2024 ausreichend Platz für drei Züge und zwei Integrationsklassen. Sorgsam wurden in den Altbauten die Einbauschränke und Reliefs, die Holztüren sowie eine Sonnenuhr restauriert. Dank Investitionen von 30 Millionen Euro wie aus dem Ei gepellt, bleibt in der ehrwürdigen Briesnitzer Schule die Tradition doch lebendig.


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