

Die so beschriebene Szene "Liebesidylle in Kairo" spielt in der Welt des Marionettentheaters, vermutlich wurde sie zwischen 1910 und 1920 geschrieben und aufgeführt. Die beiden Hauptakteure der Szene, der Jazzmusiker und seine Angebetete, stammen vermutlich aus dem Puppentheater von Florian Billes, der 1938 Teile seines Theaters an Puppenspieler Walter Ritscher, den Vater von Roland Ritscher, verkaufte. Aus dem Nachlass von Roland Ritscher, er starb 2005, gelangte das Liebespaar nun als Schenkung über den gleichnamigen Freundeskreis an die Puppentheatersammlung Dresden im Jägerhof. Die beiden Marionetten-Neuzugänge sind sehr gut erhalten, kommen aber dennoch nicht direkt in die Ausstellung des Museum für Sächsische Volkskunst, sondern zunächst erst einmal in den Fundus der Puppentheatersammlung in der Garnisonkirche Dresden. Erst wenn die 12.500 Exponate umfassende Sammlung Ende 2022, Anfang 2023 komplett in ihr neues Domizil im Kraftwerk Mitte umzieht, werden sie zu sehen sein. Auf die Frage, ob man schwarze Marionetten überhaupt zeigen darf, hat Lars Rebehn, Konservator der Puppentheatersammlung, eine klare Antwort: "Ja, auf jeden Fall. Sie sind Zeitgeschichte des Puppentheaters, das sich im Mittelalter als Kunstform entwickelte und bis in die 1950-er Jahre lebendig war. Und sie stehen immer im Kontext zu anderen Figuren." Ritscher, die Puppenspieler-Dynastie Die Geschichte der Puppenspielerfamilie Ritscher lässt sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Der Theatergehilfe Ernst Ritscher (1853–1943) heiratete in die älteste Puppenspielerfamilie Sachsens, Listner-Lippold, ein. Als Familiensitz wählte er Bielatal in der Sächsischen Schweiz. Sein Enkelsohn Walter (1905–1963) gründete nach der Hochzeit mit Martha Großmann (1906–1986) im Jahre 1932 eine eigene Marionettenbühne, die hauptsächlich im Elbtal und der Lausitz reiste. Da keine familieneigene Bühne zur Verfügung stand, musste er sich alles selbst anfertigen. Er schrieb die Texte, malte die Kulissen und Versatzstücke und fertigte die Bühne, die Marionettenkörper und die Requisiten an. Seine Frau Martha nähte alle Kostüme. Die Hände und Köpfe der Marionetten wurden bei guten Schnitzern in Auftrag gegeben. Das Theater überstand die Verbotswellen der 1950er-Jahre mit nur wenigen Modernisierungen in der Lausitz. Nach Walters Tod übernahm sein Sohn Roland (1931–2005) die Bühne und wurde Lizenzträger. Er kehrte ab 1981 wieder in das Elbtal zurück, stellte den Spielbetrieb jedoch 1986 nach dem Tod von Martha Ritscher ein. Roland Ritscher war der letzte Puppenspieler einer seit sieben Generationen tätigen Puppenspielerfamilien, zeitweilig gab es bis zu vier verschiedene Ritscher-Bühnen. Wie die Sammlung ins Museum kam Roland Ritscher übergab das Theater 2003 nahezu vollständig in die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Der Fundus umfasst mehr als 2.000 Einzelteile: neben der Bühne und umfangreichem Bühnenzubehör auch 70 Marionetten, dazu weitere 33 Marionettenkörper und 54 Marionettenköpfe, 51 Flach-figuren, etwa 250 Bühnenbildteile, um 1.000 Kostümteile, über 50 Perücken für Marionetten, über 400 Requisiten und etwa 190 Theatertexte. Etwa 500 weitere Teile des Bühnenfundus kamen nach dem Tod von Roland Ritscher als Schenkung von dessen Tochter in die Sammlung, darunter auch der Packwagen der Bühne mit sämtlichem Inhalt: Theaterkostüme und Alltagskleidung von Roland Ritscher und seiner Mutter, zahlreiche Werbezettel und Theaterplakate, 140 Schallplatten, die bei Theateraufführungen verwendet wurden, sowie weitere Bühnenbildteile und Marionettenkostüme. Bereits 1968 hatte die Puppentheatersammlung eine Laterna Magica mit über 500 Zubehörteilen aus dem Marionettentheater von Max Ritscher, dem Großvater von Roland Ritscher, erworben.