Hier haben Azubis ihre Schüler
Im idyllischen Greifenburg bei Kärnten Urlaub zu machen, ist das eine - dort zu leben, das andere. Die Jugend zieht es fort. "Kärnten ist Abwanderungsregion", sagt der Österreicher Andreas Otmischi. Er hat vor Jahren eine Lehrlingsakademie gegründet, die jungen Leuten einen internationalen Austausch bietet. So kamen die ersten Greifenburger Lehrlinge in die Hellerauer Werkstätten und die Dresdner ins Kärntner Land. Die Sachsen waren davon so begeistert, dass sich das Format in Dresden etablierte.
Vor vier Jahren gab es das erste GTA-Projekt in Hellerau mit der Kurfürst-Moritz-Oberschule in Moritzburg, der Oberschule Weixdorf und der 82. Oberschule am Dresdner Flughafen.
Freitags geht's arbeiten
Andreas Otmischi ist überzeugt: Die Lehrlingsakademie vermittelt, was keine Berufsschule bieten kann - sich kümmern, ausprobieren, mit Schülern arbeiten. Im Team mit den Jüngeren bekommen Azubis Lebenserfahrung - und das ist grundwichtig für junge Menschen.
Als eines Tages die Universitätsschule aus Dresden anklingelte, war es nur ein kurzer Schritt für Otmischi, sich auf einen längeren Weg zu Dresdner Firmen zu machen. "Türöffner" ist er geworden, hat begeistert und das Besondere dieses Lernens vorgestellt. Für die Universitätsschule der TU Dresden, in der die Schüler der 7. und 8. Klasse jeden Freitag in einen Betrieb "arbeiten gehen", ein Glücksfall.
Denn das Format, über Monate in einer Firma oder Einrichtung als Praktikant sinnvoll eingebunden zu sein, will organisiert werden. So manches Unternehmen zuckte da zunächst mit den Schultern. Wer soll sich denn darum kümmern? Wie will man "Fast-noch-Kinder" in den Arbeitsalltag einbinden? Darüber hat auch Thomas Riemer vom VEM Sachsenwerk nachgedacht. Er ist Leiter der Berufsausbildung und hat nun vier Schüler von der Universitätsschule freitags in seine Abteilung integriert.
"Der Freitag war eigentlich nicht optimal", sagt er, "weil der wegen der 38-Stunden-Woche ein kurzer Arbeitstag ist." Aber auch das hat er hinbekommen. Elektroniker, Mechatroniker, Werkzeugmechaniker und Zerspanungsmechaniker werden im Sachsenwerk ausgebildet. Aktuell 30 Lehrlinge. Im August kommen die Neuen, dann sind es bis zu 40. Das Unternehmen fertigt Hauptantriebe für die Straßenbahn bis hin zum Kreuzfahrtschiff, Motoren, Generatoren, Industrieanlagen für die Gasindustrie und Stahlwerke. Felix und Jonas sind im ersten Lehrjahr und von den Schülern Fredrik und Luca auf den ersten Blick nur durch ihre Sachsenwerker-Latzhose zu unterscheiden.
Mitdenken müssen alle
Die Jungs tauschen sich aus. Löten, Sägen, Bohren, Feilen, Schleifen, Drehen - vieles will erst einmal gelernt sein. Sie zeigen stolz die erste Schraubzwinge, die sie gefertigt haben. Die beiden Azubis müssen nicht nur erklären, wie's geht, sondern auch für Material und Werkzeuge sorgen, notfalls welche anfertigen - da muss man mitdenken. Sie werden es auch sein, die ihre Berufe in der Universitätsschule präsentieren. Die Schüler wiederum müssen sich ihre Praktikumsfirma selbst suchen, bewerben, vorstellen und ins Gespräch kommen in einer für sie unbekannten Welt außerhalb der Schule. Mit zwölf oder 13 Jahren ein echtes Unterfangen.
Wachsen können alle daran - Praktikanten, Azubis, Firmen und Universitätsschule, die mit ihrem einmaligen Schulversuch in Sachsen neue Wege der Bildung sucht. Eine Schule mit Praktika, die echtes Unterrichtsfach sind. Eine Schule, die keine Zensuren vergibt und in der die Lehrer Lernbegleiter heißen - und in der doch alle Schüler am Ende die gleichen Prüfungen ablegen wie alle anderen.
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