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Flüchtlingsroute rückwärts

Am zweiten Weihnachtsfeiertag machten sich 600 Menschen in Berlin auf den Weg. Ihr Ziel – das bürgerkriegsgeplagte Aleppo in Syrien. Beim Etappenstopp in Moritzburg gab´s eine längst überfällige Tasse Tee und einen Einblick in das Vorhaben der Friedensaktivisten.
Der „Civil March For Aleppo“ in Moritzburg. Foto: Schramm

Der „Civil March For Aleppo“ in Moritzburg. Foto: Schramm

Schneeregen hämmert  von der Seite über die Teiche, es herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt als die Gruppe vor der prominenten Kulisse eintrifft. Schnell ein Foto und ab in die Unterkunft. Etwa 35 Teilnehmer sind am Tag 10 noch dabei. Fast alle aber durch bis auf die Knochen. Ein Großteil von ihnen ist Anfang, Mitte 20. Ein paar ältere Damen und Herren sind auch zu sehen. Dänen, Franzosen, Italiener, Deutsche, Polen – Menschen aus 16 Nationen hat Thomas Alboth schon mitlaufen gesehen. Seine Frau Anna (32) hat den Marsch initiiert. An den Abend erinnert sich der gebürtige Plauener noch genau. Ein Anruf „Wir waren bei syrischen Freunden in Berlin als das Telefon klingelte und sie vom Tod zweier Familienmitglieder erfuhren“, erzählt er. Anna schrieb sich kurze Zeit später auf facebook ihren Frust von der Seele. „Wir sehen den Menschen beim Sterben zu. Zur Not gehe ich allein nach Aleppo.“ „Wenn du gehst, komme ich mit“, erwiderten die Follower der Journalistin. In kürzester Zeit meldeten sich mehr als 3.000, die dabei sein wollten. Die Aktion machte international Schlagzeilen. Es blieben zwei Wochen Zeit für Vorbereitungen. „Eigentlich viel zu wenig“, meint Thomas, der bis dato keinen Schimmer hatte, wie man eine Versammlung korrekt anmeldet. Tatenlos zusehen? Man habe jahrelang darauf gehofft, dass die Welt eingreift und etwas unternimmt, sagt er. Tagtäglich würden in sozialen Netzwerken Bilder von syrischen Todesopfern und zerstörten Straßenzügen geteilt, millionenfach. „Und weiter“, fragt er. „Es sind Zivilisten, die reihenweise sterben. Sie haben jegliche Hoffnung auf Frieden verloren, während die Welt untätig zuschaut“, erzählt er. Die Tour will sich für ein Ende des Bürgerkriegs stark machen und für einen Zugang der Zivilisten zu humanitärer Hilfe – so steht es im Manifest der Bewegung. Die Medien berichten viel über den Fußmarsch – bis zu 300 Anrufe gibt es pro Tag. Ob das so bleibt in den nächsten drei Monaten? Balkanroute Die Route verläuft über Dresden, Heidenau, Tschechien, Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien, Mazedonien, Griechenland und die Türkei. Geplant sind 20 Kilometer am Tag. Größte Herausforderung, so erzählt Thomas, seien die Unterkünfte. „Es ist schwer zu sagen, wie viele Menschen sich uns unterwegs anschließen“, sagt der Unternehmer, der sich dafür Auszeit von seiner Internetagentur genommen hat.  Manche begleiten den Civil March für ein paar Stunden, andere mehrere Tage. Einer hat seinen Job dafür sogar an den Nagel gehangen. Thomas weiß, dass wahrscheinlich nur eine Hand voll Leute die komplette Strecke laufen werden, wenn überhaupt. Vieles ist improvisiert, die Planungen haben nur ein paar Tage Vorlauf. Gegessen wird zusammen. Jeder gibt etwas Geld dazu, wenn er kann. Gastfreundlich Neben kritischen Stimmen gab es auf den ersten 180 Kilometern auch viel Gastfreundschaft.  Thomas erzählt von einem Stand mit warmen Getränken mitten im Nirgendwo und von der Radeburger Bürgermeisterin, die kurzfristig ein warmes Mittagessen in der Zilleschule organisiert hatte. Was in Aleppo passiert, das mag niemand vorhersagen. Einen Plan für die letzte Etappe gibt es nicht. Knapp 3.000 Kilometer sind es noch bis dorthin.       


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