Uwe Schieferdecker/ck

Erich Kästner – »Kind der Königsbrücker Straße«

Dresden. Am 23. Februar 2024 jährt sich die Geburt Erich Kästners zum 125. Mal. Der bekannte Schriftsteller erblickte das Licht der Welt unterm Dachjuchhe der Königsbrücker Straße 66.

Kästner-Denkmal am Albertplatz.

Kästner-Denkmal am Albertplatz.

Bild: Archiv Schieferdecker

Sein Vater war Sattlermeister in einer Kofferfabrik, die geliebte Mutter führte Heimarbeiten aus und schulte später zur Friseurin um. Durch Fleiß gelang es der Familie bald, aus der ärmlichen Mansardwohnung in eine Wohnung im dritten Obergeschoss der Königsbrücker Straße 48 umzuziehen. Hier verbrachte Erich den Großteil seiner Kindheit. Schließlich bezog die dreiköpfige Familie das zweite Obergeschoss der Königsbrücker Straße 38.

Heutzutage mag es schick sein, in einer Dachgeschosswohnung zu leben. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts spiegelte jedes Geschoss tiefer den sozialen Aufstieg der Familie in ein gut-kleinbürgerliches Milieu wider. Später bezeichnete sich Erich gern als Kind der Königsbrücker Straße. Bedauernd konstatierte er den Verlust des Straßennamens seiner Kindheit durch die Umbenennung zu DDR-Zeiten.

Oft führte den kleinen Erich der Weg zum südlichen Ende der Königsbrücker Straße, an den Albertplatz. Dort befand sich die Villa seines Onkels Franz Augustin, der es in Kriegszeiten mit dem Handel von Pferden zu einigem Reichtum gebracht hatte. Der Junge führte kleinere Erledigungen für den Händler aus. Besonders gern aber saß er auf der Grundstücksmauer. Von dieser Loge aus blickte Erich dem großstädtischen Treiben auf dem Albertplatz, den er gern als Bühne bezeichnete, zu. Heute zieht hier eine Bronzeplastik des ungarischen Bildhauers Imre Varga die Blicke der Vorbeifahrenden auf sich. Wenn sie anhalten, finden sie in der Villa des Onkels Franz ein »mobiles interaktives micromuseum« zu Ehren des Schriftstellers vor. Auf der gegenüberliegenden Seite des Albertplatzes erfolgt eine weitere Ehrung: Ein Bronzedenkmal – unter dem charakteristischen Hut stapeln sich Kästners Bücher, daneben liegen seine Schreibutensilien. In einem aufgeschlagenen Band lesen wir: »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es«.

 

Aus dem Leben Erich Kästners

 

1919 zog es Kästner zum Studium nach Leipzig, wo er 1925 promovierte. Über Berlin (1927) kam er kurz vor Kriegsende nach München. Im Jahr 1957 kehrte er gedanklich in seine Geburtsstadt zurück und veröffentlichte im Schweizer Atrium Verlag das Kinderbuch »Als ich ein kleiner Junge war«. Darin beschreibt er, wie er mit großen Augen an der Hand seines Großvaters das Dresden des frühen 20. Jahrhunderts erkundet. Da ist vom »schönsten Milchladen der Welt« die Rede, vom Blumenhaus Stammnitz, der Bäckerei Wirth oder den eindrucksvollen Militärparaden auf dem Alaunplatz. Die Beziehung zu dem Schweizer Verlag rührte aus der nationalsozialistischen Ära, als Kästner hierzulande nicht gedruckt werden durfte.

Gelegentlich besuchte der Schriftsteller auch zu DDR-Zeiten seine Heimatstadt. Hier traf er die geliebte Mutter Ida (1871-1951) und seinen Vater Emil (1867-1957). Ganz nach Dresden wollte er jedoch nicht zurückkehren. Nach den Erfahrungen im Nationalsozialismus war ihm jede Diktatur zuwider. Das bedeutete allerdings nicht, dass er mit den Entwicklungen in der Bundesrepublik zufrieden war. Vehement kämpfte er gegen die Remilitarisierung des Landes und wurde zu einem Sprachrohr der Friedensbewegung. Das brachte ihm in der bleiernen Zeit der 50er und 60er Jahre heftige Vorwürfe ein.

In seinen letzten Lebensjahren war er schwer von Depression und Alkoholkonsum gezeichnet. Kästner starb im Juli 1974 in München an einem Krebsleiden. Doch in seinen Werken für Kinder und Erwachsene, von »Fabian« bis zu »Emil und die Detektive«, lebt er in seiner Geburtsstadt Dresden fort.

 

Veranstaltungs-Tipp: Dialog-Nacht mit Erich Kästner, 22. Februar, 19 Uhr, Erich Kästner Haus (Antonstr. 1)


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