Birgit Branczeisz

Ein Kraftakt für Radebeul und nun das

Radebeul. Die Radebeuler »Kultur-Linie 4« ist mit dem Komplett-Neubau der Meißner Straße gerettet - und fährt jetzt plötzlich nach Dresden-Prohlis. Der OB will das nicht hinnehmen.

Radebeuls OB Bert Wendsche und DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach haben es geschafft: Die Linie 4 gibt es auch künftig.

Radebeuls OB Bert Wendsche und DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach haben es geschafft: Die Linie 4 gibt es auch künftig.

Bild: Branczeisz

Die »Meißner« ist wieder offen. Zwischen der Gleisschleife Radebeul-Ost und Eduard-Bilz-Straße rollt der Verkehr. Ab Freitag 18 Uhr die Autos, ab Sonnabendnacht 3.30 Uhr die Straßenbahn. Radebeul, Coswig, Weinböhla sind wieder mit Dresden verbunden.
Wie hatte Radebeul Anfang der 2000er um den Erhalt der Linie 4 gekämpft! Dann hieß es schließlich: Ausbau – jetzt oder nie. Der Stadtrat ging einstimmig das Wagnis ein, die Hauptader der Stadt komplett aufzureißen und alles neu aufzubauen, metertief in der Erde bis hin zu einer völlig neuen Straße, barrierefreien Haltestellen, Radstreifen und neuen Gleisen, Beleuchtung und Gehwege.

Doch dann kam der Dämpfer. Der Freistaat gab keinen Cent zum unvermeidlichen Straßenbau dazu! 4,5 Millionen musste Radebeul für den Straßenausbau aufbringen. Wieder ging der Stadtrat einstimmig mit. Dafür ist OB Bert Wendsche heute noch dankbar. Leitungen, Kabel, das Umfeld kosteten weitere 4,5 Millionen – der Anteil der Stadt liegt also bei fast 9 Millionen Euro. 6,3 Millionen für den ÖPNV-Ausbau kommen von Bund, Land, dem Verkehrsverbund Oberelbe und wieder anteilig von den Kommunen.

Die Linie 4 ist mit einer riesen Kraftanstrengung gerettet! Und dann erfährt OB Wendsche kurz vor der Straßen-Freigabe aus den Medien, dass Dresden plant, die Streckenführung der Linie 4 zu ändern. »Bis heute hat die Stadt Dresden nicht einmal mit uns gesprochen«, macht er seinem Ärger am Tag der Freigabe Luft und erklärt, was ihn daran so aufbringt: Künftig fährt »die 4« auf den Postplatz, zum Hauptbahnhof, zum Bahnhof Strehlen mit Endhalt Prohlis.

Der Altmarkt, der Pirnaischer Platz, der Großer Garten fallen für Radebeuler auf direktem Wege weg. »Aus unserer Sicht eine absurde Linienführung, was wollen wir am Hauptbahnhof und in Strehlen – das erreicht man mit der S-Bahn viel schneller«, so Wendsche und kündigt an: »Wir werden das so nicht hinnehmen, weil die Linie 4, die immer nach Laubegast fuhr, an den Landesbühnen, Schloss Wackerbarth, der Börse Coswig vorbei die »Kulturlinie« ist. Ein Wort das sich auch bei der DVB über die Jahre offiziell eingebürgert hat, auf das man stolz ist.

Grund ist das Stocken auf der »Königsbrücker«

Für DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach ist der Endpunkttausch noch »das Geringste« angesichts der Lage, in der sich die Verkehrsbetriebe befinden. Vor 10 Jahren haben sich die Dresdner für den Kauf breiterer Stadtbahnwagen entschieden – nur, die müssen auch fahren. Doch der dafür nötige Gleisumbau auf den Trassen stockt, besonders auf der Königsbrücker Straße. Die Stammlinie 7, mit 50.000 Kunden die meistbefahrene Linie in Dresden, wird erst ab 2026/27 umgebaut. Alleine der untere Teil der Königsbrücker soll 2 Jahre dauern. Auch auf der Kesselsdorfer hängt man hinterher. »Da hat nicht die Verwaltung geschludert, wir sind abhängig von öffentlicher Finanzierung«, so Hemmersbach. Und im künftigen Haushalt greift nur noch Haushaltrecht. »Wir mussten einfach Linien umsortieren, um unsere Stadtbahnwagen einsetzen zu können«, sagt er.

Fakt ist: Radebeul war extrem gefordert. Der Freistaat hat wenigstens die Nahverkehrsanlagen großzügig gefördert. Aber klar ist auch: solche Vorhaben wären aktuell gar nicht mehr möglich. »Wir brauchen dringend ein Infrastrukturprogramm, damit nicht alles verlottert. Das ist ein Mehrgenerationen-Thema«, ist die Botschaft von Hemmersbach.
Was und wie zügig in Radebeul gebaut wurde, ist wegweisend. Anwohner und Geschäftsleute atmen ohnehin auf. Die Straßenbahn ist schneller geworden: 5 Langsamfahrstellen sind verschwunden. Das macht pro Tag auf allen Fahrten zusammengerechnet mehr als 4 Stunden aus.

Ein Schub an historischer Stelle: Denn 1882 ging genau hier die Pferdebahn zum Postplatz in Dresden in Betrieb und machte halt an den »Vier Jahreszeiten«. Das war vor 142 Jahre. 1899, vor 125 Jahren, kam die Elektrische in die ehemalige Gemeinde Radebeul und zwar bis zum »Weißen Roß«. Die moderne »Meißner« wird ebenso ihren Eintrag in die Geschichtsbücher erhalten – wer 2024 wo umsteigen musste, ist dann längst vergessen.


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