Die "Welt der DDR" wird am Samstag versteigert
Am 8. Juli kommt der DDR-Alltag unter den Hammer. 75.000 Einzelstücke aus dem DDR-Museum im Simmel-Kaufhaus am Albertplatz suchen ein neues zu Hause. Zusammengefasst zu 940 Konvoluten hat sie Auktionator Stefan Günther (66) ein letztes Mal thematisch geordnet, katalogisiert und online zum Nachlesen und Anschauen aufbereitet.
Für den gebürtigen Dresdner ist diese Auktion etwas ganz besonderes, werden doch sonst in seinem Haus Kunst und Antiquitäten versteigert. Er gesteht sogar: "Ich habe mich der Firma Simmel tatsächlich aufgedrängt, ich wollte es machen, weil ich neugierig bin." Hat der Kunsthändler etwas für sich entdeckt? Er schmunzelt. "Bei manchen Stücken haben ich mich schon kichernd an meine Jugend erinnert. Den berühmten Mixer RG 28, den meine Frau bestellt hat, hab ich aber nicht gefunden", sagt er zwinkernd.
Unangenehme Erinnerungen habe bei ihm lediglich die "Turnhalle" hervorgerufen: eine Sammlung aus Reck, Barren, Sprungbrett, Kasten, Pferd. Tatsächlich gibt es alles: einen FFW-Schlauchwagen, NVA- und Zoll-Uniformen, Fahnen und Wink-Elemente, das Logo des Museums, Propaganda-Schilder, eine Zahnarztpraxis, eine Apotheke und einen Frisörladen, Möbel im heute 70er-Jahre-Top-Design, Skier, Medaillen, das typische DDR-Familienzelt, Lochstreifencomputer, Sitzecken, Regale aus Glas und Holz, Lampen, Modellschiffe und Flugzeuge, Schaufensterpuppen und Kittelschürzen, jede Menge Rechenmaschinen, sogar Feuchtpräparate, eine Werkstatt, Vitrinen, überlebensgroße Fotowände, den Zeitstrahl der DDR, FDJ-Blusen und einen Jungpionier, 10 Bananenkartons mit Büchern.
Wer will kann 100 Nachttöpfe in rosa und hellblau ergattern - herzliche Grüße an den westdeutschen Kriminologen Christian Pfeiffer, der schon 1999 wusste, dass die typisch ostdeutsche Neigung zu fremdenfeindlicher Gewalt mit der frühen Sauberkeitserziehung in den Kinderkrippen zusammenhängt :).
Überhaupt rangiert all das unter "Trivia" im Auktionsgeschäft - dem Begriff für "Dies und Das", um das Wort Ramsch zu vermeiden. Viele Exponate hätte mehr verdient, schließlich ist auch der Betoncharme des Dresdner Neumarkt plötzlich denkmalwürdig. Begreifbare Geschichte sind viele Objekte allemal - so ein kompletter KONSUM, mit Spee, grünen Bühne-Dosen und lebensgroßen Schaufensterpuppen. Auch wenn die Regale damals weniger vollgepackt waren - dies ist eine bemerkenswerte zeitgeschichtliche Exposition, die eigentlich zum KONSUM gehört oder in ein Museum.
Techniker dürften von Röhrenradios, Rechenmaschinen oder Robotron-Computern begeistert sein. Sowas ist kein Ramsch, auch wenn die Stücke nicht auf Funktion geprüft und die Dosen im KONSUM sicher nicht zum Verzehr gedacht sind. Für die 7 Fahrzeuge (Trabis, Lada, Saporoshez, Wartburg Limousine und Tourist) hat sich bereits ein belgischer Händler interessiert.
Einen kunsthistorischen Wert schreibt Stefan Günther dagegen nur 2 Objekten zu: einer "Bleiverglasung" aus VEB-Herrenmode Dresden-Striesen und einer "Wandverkleidung", eine Arbeit der Deutschen Werkstatt Hellerau, die zuletzt im Restaurant "International" auf der Prager Straße zu sehen war. Ganz gleich, was die Interessierten bewegt, die Resonanz ist riesig. Die Hälfte der Stücke haben sich Interessenten bereits "gemerkt" markiert.
Vom 4. bis 6. Juli kann weiter im Online-Katalog gestöbert werden. Wer vorab kein Gebot per Mail oder Fax abgeben will, sollte vorbeikommen oder sich online dazuschalten. Auch am Auktionstag kann sich jeder noch anmelden und mitbieten. 100 Sitzplätze und 150 Stehplätze gibt es bei der Live-Auktion. Stand Montagmorgen haben sich bereits 118 Bieter registriert. Bis 12. Juli 18 Uhr muss das Ersteigerte abgeholt sein.
Und was wird aus Objekten, die keinen Liebhaber finden? "Sie werden in einem Container eingelagert", sagt Stefan Günter. Wo, ist noch nicht entschieden. Sicher ist auch nicht was daraus wird. "Ich werde Ihnen nicht sagen, dass sie weggeschmissen werden", antwortet Günther auf die hartnäckige Frage danach. Damit endet die Geschichte des DDR-Museums in Radebeul, das Lebensmittelhändler Peter Simmel nach dessen Insolvenz für 50.000 Euro kaufte. 6 Jahre stand die Sammlung im Simmel-Kaufhaus auf 1500 Quadratmetern.
Da die Besucherzahlen in den letzten Jahren weit unter die wirtschaftlich angepeilten 100.000 Besucher jährlich rutschten, verkündete Peter Simmel schließlich das Aus für das Museum. Der erste Plan, die Exponate an Interessenten zu verkaufen, wurde aufgrund der Resonanz von unzähligen Zuschriften zügig verworfen. Die Übergabe der kompletten Sammlung ist allerdings auch an vielen Details zum Betrieb eines Museums gescheitert. So wird die "Welt der DDR" nun wieder in alle Himmelsrichtungen zerstreut.
Hier stöbern: www.dresden-kunstauktion.de/kataloge/?katalog=173