Uwe Schieferdecker/ck

August der Starke erbaute das Bergpalais Pillnitz

Dresden. Wenn im Mai die Sonne das Dresdner Elbtal verwöhnt, werden in Pillnitz die südländischen Pflanzen aus der Orangerie in den Park getragen. Die Dresdner kommen dann in Scharen, um sich an Schloss und Blütenglanz zu erfreuen.
Schloss Pillnitz um 1900.

Schloss Pillnitz um 1900.

Bild: Archiv

Das ging Sachsens berühmtesten Kurfürsten, Friedrich August I., vor 300 Jahren nicht anders. Kurfürst Johann Georg IV. hatte den Herrensitz 1694 erworben. Er verstarb noch im selben Jahr an Blattern, woraufhin sein jüngerer Bruder Friedrich August die Kurwürde und das Renaissanceschloss Pillnitz übernahm.

1706 überließ der Kurfürst das Anwesen seiner berühmten Mätresse, der Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel. Von ihr stammen auch die Heckenquartiere, Charmillen genannt. Nachdem August der Starke das Interesse an ihr verlor, bewohnte die Cosel zwischen 1713 und 1715 das heute nicht mehr bestehende, alte Schloss. Der Kurfürst nutze Pillnitz weiter für seine Lustbarkeiten – der Hofadel und Gäste wurden mit Karussells, Rutschbahnen oder Schaukeln unterhalten. Gern schlüpfte die Gesellschaft dazu in Kostüme von Winzern oder Bauern. Als absoluter Höhepunkt gingen 1719 die sechswöchigen Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit von Kurprinz Friedrich August mit der Kaisertochter Maria Josepha in die Geschichte ein.

 

Meisterstück in Europa

 

Mit großem Engagement betrieb der Kurfürst ab 1720 den Ausbau zum barocken Lustschloss. Nach der Fertigstellung des Wasserpalais startete 1723 die Errichtung des spiegelbildlichen Bergpalais gegenüber. Es besteht gleichermaßen aus dem Mittelpavillon mit vorgelagertem Portikus und den beiden anschließenden Seitenpavillons. Zwingerbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann versah die Dächer mit pagodenhaften Aufsätzen. Die Kehlen der Gesimse wurden mit chinesischen Figurengruppen versehen. Das malerisch zwischen der Elbe und den Weinbergen angeordnete Ensemble gilt bis heute als Meisterstück der damaligen Chinamode und größte stilreine Anlage ihrer Art in Europa.

Für die höfische Lustbarkeit begann 1723 der Bau eines achteckigen Pavillons, den wir in der Gegenwart mit einer ganz anderen Funktion kennen: Das sogenannte Ringrenngebäude, der Mittelteil der heutigen Orangerie. Pöppelmann versah das Bauwerk mit einem Mansarddach, im Inneren entstand ein Karussell mit hölzernen Wagen und Pferden. Die mitfahrenden Damen hatten die Aufgabe, aus der Drehbewegung heraus die über ihren Köpfen aufgehängten Ringe mit Lanzen zu aufzunehmen. Die Anlage wurde inzwischen nach historischen Vorlagen rekonstruiert und kann ab Juni 2023 besichtigt werden.

Die Baulust August des Starken machte auch vor ehrwürdigen Kirchenbauten nicht halt. Der einstige Pillnitzer Schlossbesitzer, Christoph von Loß, hatte sich zwischen 1594 und 1596 die spätgotische Privatkirche »Zum heiligen Geist« mit einem 30 Meter hohen Turm erbauen lassen. An den Stifter erinnerte in dem Sakralbau ein überlebensgroßes Epitaph. August der Starke ließ die Schlosskirche jedoch 1723 abreißen, weil er den Platz zur Umsetzung seiner Planungen benötigte. Als Ersatz wurde am 24. Juni 1723 der Grundstein für das heute als Weinbergkirche bekannte Gebäude, übrigens der erste Kirchenbau Pöppelmanns, gelegt. Die Kirchweihe erfolgte im November 1725. Doch wenn den Passanten zu nächtlicher Stunde am Schloss ein schwarzer Hund anfällt, ist das der Legende nach der frühere Besitzer von Pillnitz, der »böse Loß«. Will er sich für den Verlust der Begräbnisstätte seiner Familie rächen? Wohl eher nicht, übte der Kurfürstliche Geheime Rat doch schon zu Lebzeiten (1576-1633) eine Schreckensherrschaft aus.

 

Zur Person:

Dr. Uwe Schieferdecker ist Autor und Stadtplaner und hat zahlreiche Bücher zur Dresdner Stadtgeschichte veröffentlicht.


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