War das 9-Euro-Ticket ein Erfolg?
Herr Pfeiffer, das 9-Euro-Ticket ist seit September schon wieder Geschichte. Fahrgäste haben das Ticket drei Monate im Verkehrsverbund ZVON genutzt. Wie lautet Ihr Fazit und welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Hans-Jürgen Pfeiffer, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes ZVON: Wir haben unsere Erfahrungen gemacht und es hat sich genau das bestätigt, was wir im Vorfeld erwartet hatten: die Freude über das Ticket war zweigeteilt. In Städten wie Dresden oder Leipzig ist das Ticket durchgegangen wie verrückt. Aber im ländlichen Raum hatten wir schon vorab die Diskrepanz gesehen, dass sich fehlendes Angebot in der Zurückhaltung des Erwerbs des 9-Euro-Ticket widerspiegeln wird. Ich habe schon damals gesagt: In manchen Gegenden bei uns könnte ich das Ticket den Leuten schenken, trotzdem würden sie es nicht nutzen, weil schlicht und einfach die Angebote fehlen. Wir kämpfen als Verkehrsverbund schon lange um die Verbesserung von Angeboten im ländlichen Raum. Es hat eine Schwachstellenanalyse stattgefunden, die öffentlich gemacht hat, was wir schon wussten. Wenn ich unsere Strecke Dresden-Görlitz in den Hauptverkehrszeiten sehe, ist diese gut ausgelastet. Aber in den drei Monaten war die Strecke zusätzlich »belastet« mit Fahrgästen, die in dem System mal schnuppern wollten. Es gab aber auch die Leute, die weiterhin mit dem Auto gefahren sind. Es ist nicht der ökologische Effekt eingetreten, weil ja auch zeitgleich der Kraftstoff billiger geworden ist. Insgesamt gesehen ist der ÖPNV im Gespräch und jeder erwartet jetzt etwas. Als Verkehrsorganisation sage ich, es war ein interessanter Versuch.
Welchen Vorteil würde es bringen, die Strecken Görlitz-Dresden und Cottbus-Görlitz zu elektrifizieren?
Der Betrieb auf einer elektrifizierten Strecke ist günstiger als auf einer Strecke, die mit Diesel-Fahrzeugen betrieben werden muss. Aber das ist nicht alles: Wenn wir über die Elektrifizierung sprechen, ist es nicht getan, nur Masten zu setzen und Draht zu ziehen, sondern die Strecke muss auch so ertüchtigt werden, dass es möglich ist, zwischen Dresden und Görlitz in unter einer Stunde unterwegs zu sein. Die kürzere Reisezeit ist ein enormer Vorteil bei der Elektrifizierung. Abschnittsweise können Geschwindigkeiten mit bis zu 160 km/h gefahren werden. Auf einer elektrifizierten Strecke könnten Fernverkehrszüge fahren. Es ist also auch ein europäischer Netzgedanke, dass man mit dem Zug von Dresden bis Breslau und weiter durch Europa fahren kann.
Mit welchen infrastrukturellen Problemen hat der Verkehrsverbund zu kämpfen?
Das System wurde über die Jahrzehnte vernachlässigt, es wurde kaputtgespart und immer mehr zurückgebaut. Nur ein Beispiel ist die eingleisige Strecke von Bischofswerda bis nach Zittau. Die Deutsche Bahn hat überall die Weichen ausgebaut. Es gibt nur wenige Begegnungsstellen z.B. in Wilthen. Derzeit fahren wir auf der Strecke das, was technologisch möglich ist. Mehr Züge und eine bessere Verbindung können wir derzeit nicht anbieten. Zudem können wir nur mit maximal drei Triebfahrzeugen fahren, länger sind auf unseren Zwischenhalten die Bahnsteige nicht. Das sind alles Entwicklungen, die ziemlich tief in die Vergangenheit gehen, aber mit denen wir heute als Verkehrsverbund umgehen müssen.
In der Ampel-Koalition sind bundesweite Nahverkehrstickets von 49 bis 69 Euro im Gespräch. Wie sieht Ihre Alternative zum 9-Euro-Ticket aus?
Die Länder sind bereit für eine Diskussion, wenn es auskömmlich finanziert wird. Ich kann mir ein solches Ticket gut vorstellen. Den Beitrag, den der ÖPNV für eine ökologische Mobilität bringen kann, ist in der Gesamtberechnung gut ausgegebenes Geld.
Wie könnte sich ein dauerhaft ermäßigtes Ticket – egal in welcher Form – auf die Mobilität im ländlichen Raum auswirken? Denken Sie, die Menschen würden dann eher auf den ÖPNV zurückgreifen?
Es muss ja auch der soziale Gedanke diskutiert werden. In der Zeit des vergünstigten Tickets hatten die Menschen eine bessere Teilhabe am Leben, weil sie mobiler sein konnten. Immer wieder wird auch über ein Sozialticket gesprochen. Wir werden diese Tarifsystematik vielleicht überdenken müssen. Ein günstiges Ticket und einfache, überschaubare Tarife können nur im Interesse der Fahrgäste sein. Insbesondere Berufspendler, die im ländlichen Raum wohnen, aber in der Stadt arbeiten oder umgekehrt, würden enorm entlastet.