Roberto Rink

War‘s das mit dem IPO?

Pirna/Heidenau/Dohna. Ende September verkündete der Zweckverband Industriepark Oberelbe einen plötzlichen Strategiewechsel. So werde die Planung erst fortgesetzt, wenn Investoren gefunden werden. Kritiker fühlen sich bestätigt.

Der Industriepark Oberelbe (IPO) steckt in der Krise. Kosten explodieren, Investoren fehlen und es gibt eine ganze Menge an ungeklärten Fragen. Daher soll nach der Planung, bis zur Herstellung des Baurechts, mit dem IPO erstmal Schluss sein. So zumindest ist dieser »Strategiewechsel« auf einer Informationsveranstaltung für die Stadträte der Verbandskommunen des IPO-Zweckverbandes (IPO ZV) Ende September verkündet worden. Maßgeblich dafür seien wohl die rapide steigenden Kosten. Waren es im Jahr 2018 noch 140 Millionen Euro für 140 Hektar, sind die Kosten mittlerweile auf 240 Millionen Euro auf der inzwischen verkleinerten Fläche von 120 Hektar gestiegen. Der Verkaufspreis pro Quadratmeter stieg von anfangs 45 auf mittlerweile 200 Euro pro Quadratmeter, was für viele Unternehmen zu teuer wäre.

Schuld für die steigenden Kosten sind laut des Verbandsvorsitzenden und Heidenauer Bürgermeisters Jürgen Opitz (CDU) auch die hohen Forderungen der Behörden. Dazu gehören auch eine Höhenbegrenzung der Gebäude auf 15 Meter und die Freihaltung der Sichtachsen des Barockgartens Großsedlitz. Auch habe sich die Wirtschaftsförderung des Freistaates halbiert, was einen Abfluss eines Großteils der Fördergelder Sachsens über mehrere Jahre allein für den IPO bedeuten würde. Da zudem kein Investor in Aussicht ist, sind Förderungen bisher eher spekulativ. Zwar habe es eine Reihe an Unternehmensanfragen in den letzten Jahren gegeben, doch waren bisher keine Vereinbarungen möglich, da weder Baurecht, Eigentum noch Erschließung vorhanden sind.

Der Zweckverband will beide Bebauungspläne bis zur Herstellung des Baurechts planen. Die Kommunen sollen dabei lediglich Planungssicherheit schaffen. Der erste soll Mitte 2025 genehmigt sein, der zweite zwei Jahre später. Natürlich möchte Opitz das Projekt auch zum Abschluss bringen, doch erst, wenn zwei verlässliche Investoren gefunden wurden und sich der Freistaat an der Erschließung beteiligt.

Bestätigung für IPO-Kritiker

Aus den Reihen der IPO-Kritiker, allen voran der Bürgerinitiative »IPO stoppen«, begrüßt man die Entscheidung und fordert zudem einen schnellen Stopp des IPO. Über die letzten Jahre habe man immer wieder auf die Mängel in der Planung hingewiesen. Doch habe man von Seiten des Zweckverbandes die Bedenken der Bürgerinitiative ignoriert. Ingo Düring, Sprecher der Bürgerinitiative, sieht mit dem Stopp den Tod des IPO. Zu schwer wiegen die Probleme mit dem Naturschutz – sei es beim Lärmschutz, der Kaltluftzufuhr oder der Bodenversiegelung – und der Abwasserfrage. Zudem seien längst nicht alle Landbesitzer bereit, ihre Grundstücke zu verkaufen. »Die Bombe sei jetzt geplatzt«, sagt Alf Wild von »IPO stoppen«. »Nach sieben Jahren fällt den Verantwortlichen des ZV IPO plötzlich ein, dass man private Investoren brauche.« Man habe die Öffentlichkeit über Jahre nicht richtig informiert und Stadträte hingehalten, meint er. Eine Strategieänderung des ZV kann allerdings auch nur durch die Zustimmung der Stadträte erfolgen.

Daher liege es zunächst einmal an den Stadträten in Pirna, Heidenau und Dohna, sich mit der Thematik zu befassen. Zunächst sollte über die Behandlung aller 600 Stellungnahmen zum IPO mit einem Beschluss entschieden werden. Diese Entscheidung wurde im Stadtrat von Pirna nun vertagt. Die Möglichkeit, sich mit jeder einzelnen Stellungnahme zu befassen, wäre jetzt also wieder da.

 

IPO-Kritik aus Kunst und Politik

In der größten Stadtratsfraktion von Pirna, der AfD, regt sich bereits Widerstand gegen die weitere Planung des IPO. Sie bemängelt den klaren Widerspruch des »Konzeptes zur Anpassung Pirnas an den Klimawandel mit dem Gutachten im Zusammenhang mit dem Bau des IPO. Während Ersteres den landwirtschaftlichen Flächen auf dem Feistenberg ‚aufgrund ihrer siedlungsnahen Kaltluftproduktion besondere klimatische Ausgleichsfunktion einräumt‘ und für den ‚unbedingten Erhalt‘ plädiert, spricht sich das Gutachten im Auftrag des ZV dafür aus, dass die zu erwartende ‚Bebauung 15 Meter Höhe nicht überschreitet‘ und damit der ‚üblichen Bewuchshöhe‘ entspräche und deshalb nur unwesentliche Beeinflussung der Kaltluftzufuhr ins Stadtgebiet zu erwarten sei.« Da dieser Widerspruch noch nicht aufgelöst sei, werde die AfD-Stadtratsfraktion den »Weisungen zur Abstimmung des Vertreters der Stadt Pirna in der Verbandsversammlung des ZV IPO« für die nächste Sitzung die Zustimmung nicht erteilen.

Aber auch in Dohna, was 2020 den bis heute noch nicht vollzogenen Austritt aus dem IPO beschlossen hat, fühlen sich die Kritiker – allen voran Grünen-Stadtrat Thomas Klinger – bestätigt. Hier habe seine Fraktion aus Freien Wählern und Grünen entsprechende Anträge eingebracht, wo es um die Information zu Kosten, Wirtschaftlichkeit, Grunderwerb sowie Umlagedeckelung geht, die allesamt auch angenommen worden sind.

Offene Briefe

Der ehemalige langjährige Heidenauer Stadtrat, Dr. Bernhard Borchers, hat einen Leserbrief zum Stand des IPO verfasst. Darin bemängelt er, dass die drei Kommunen mit Geldern, die aus dem Topf für freiwillige Leistungen kamen, mit denen man – zuzüglich der Förderung durch den Freistaat – auch gut Kindergärten oder Bildungseinrichtungen hätte unterstützen können.
»Jahrelang wurde so getan, als ob schon ab 2025 Tilgungsleistungen aus Verkaufserlösen der Grundstücke generiert werden können und obendrein die Gewinne für die drei Zweckverbandsgemeinden ab 2028 sprudeln. Dies hat sich alles bei einer Vorstellung des Zweckverbandes in Graupa am 18. Oktober in Luft aufgelöst.«

Der Maler Olaf Klepzig aus Rabenau ist Mitglied im Förderverein »Barockgarten Großsedlitz« und Unterstützer der Bürgerinitiative »IPO stoppen«. Er hat einen Offenen Brief verfasst, in welchem er betont, dass es immer offensichtlicher wird, dass der Raubbau an der Natur auch durch den geplanten IPO – insbesondere an Ackerland und Waldflächen, die Versiegelung und Bebauung – vorangetrieben wird. Weiter heißt es darin:
»Die Kurzsichtigkeit der verantwortlichen Politiker / Stadträte ist groß – nicht nur, was die Kosten betrifft. Auch die Auswirkungen für unsere schöne Umgebung, insbesondere den Barockgarten Großsedlitz und im größeren Maßstab für das Klima um Pirna … – Statt mit langfristiger Planung Indus-
triebrachen wieder nutzbar zu machen, plante man auf Ackerland Projekte, für die man sich schon weit verschuldet hat, also ins Blaue hinein.«

Die nächste IPO-Zweckverbandssitzung, welche öffentlich ist, wird am 18. November im Rathaus Heidenau stattfinden.


 


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