R. Rink

Sachsens Lehrer am Limit?

Sachsen. In der neuen Serie »Krankes Bildungssystem« beleuchtet WochenKurier die Defizite an den Schulen. Zur Situation der Lehrer an Sachsens Schulen gab der Sächsische Lehrerverband Auskunft.

Die Situation von Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen ist extrem angespannt.

Die Situation von Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen ist extrem angespannt.

Bild: Freepik

Wir sprachen mit dem Landesvorsitzenden des »Sächsischen Lehrerverbandes (SLV im VBE)« Michael Jung, der an einer Freiberger Oberschule unterrichtet. Die Lage der Lehrkräfte und anderer Beschäftigter an Schulen beschreibt er allgemein als extrem angespannt. »Die Arbeitsbelastungen nehmen weiter zu bei steigenden Schülerzahlen und wenigen Lehrkräften (im Verhältnis dazu). Der Krankenstand bei den Lehrkräften ist hoch, die Zahl der Langzeitkranken steigt an. Gründe dafür sind Überforderung und Perspektivlosigkeit hinsichtlich zeitnaher Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen«, sagt der SLV-Vorsitzende. Ein weiteres Problem stellt der Lehrkräftemangel dar, der inzwischen alle Schularten und Regionen erfasst hat – und es ist keine Besserung in Sicht.

Die Politik habe aber, laut Michael Jung, jahrelang nichts gegen die sich anbahnende prekäre Personal- und Bildungssituation an den Schulen unternommen und würde die Zustände weiter aussitzen. Er kritisiert: »Viele Lehrkräfte fühlen sich ohnmächtig angesichts der derzeitigen Lage. Sie können ihren Beruf nicht so ausüben, wie sie es gern möchten.«

Lehrermangel und Defizite

Durch die 2019 eingeführte Möglichkeit einer Verbeamtung der Lehrkräfte konnten die Fortzüge an in Sachsen ausgebildeten Lehrern in andere Bundesländer stark reduziert werden. Doch für viele Lehrkräfte kam das viel zu spät. Ältere Lehrkräfte wurden dadurch klar sozial benachteiligt, kritisiert der Lehrerverband.

Zwar würden Seiteneinsteiger an vielen Schulen eine sehr gute Arbeit leisten. Dennoch führt jeder Seiteneinsteiger, der an eine Schule kommt, temporär zu einer Mehrbelastung für die Lehrkräfte. Verbessert werden müsste demnach die Aufklärung über die erbrachten Bildungswege der Quereinsteiger und eine größtmögliche Unterstützung dieser durch das Kultusministerium.

Beim Thema »Inklusion und Integration« mangele es an durchdachten Strategien und einer realistischen Umsetzung. Im nächsten Schuljahr wird es zudem keine »Vorbereitungsklassen Ukraine« mehr geben. Für die Schulleitungen und Lehrkräfte steht damit ein hoher Aufwand ins Haus, da die ukrainischen Schüler in Regelklassen integriert werden müssen.

Zwar hat sich beim Thema »Digitalisierung« in den letzten Monaten einiges getan und an vielen Schulen ist Technik bereitgestellt worden. Dennoch fehlen oftmals die WLAN-Kapazitäten und die Betreuung der Lehrkräfte und der Technik durch IT-Experten der Schulträger sei mangelhaft. Nach jahrelangem Sparen an Personal und dem Absenken (und Einstellen) der Studienkapazitäten für das Lehramt begann Sachsen erst 2017 mit der Erhöhung der Studierendenzahlen. Dies kam laut SLV aber viel zu spät, was dazu führte, dass es altersmäßig keinen Mittelbau unter den Lehrkräften mehr gebe. Durch den Abiturientenrückgang ist die Studierendenzahl heute weiter zu gering.

Forderungen

»Die Lehrerinnen und Lehrer müssten wieder bzw. stärker von der Politik in der Öffentlichkeit gewertschätzt werden und für die Entlastung der Lehrkräfte müssen endlich mehr Assistenzkräfte an Schulen bereitgestellt werden«, fordert Michael Jung. So können sich die Lehrkräfte dann auch wieder auf ihren eigentlichen Beruf konzentrieren. Auch das Lehramtsstudium müsse reformiert werden und sich an den wirklichen Bedarfen an Schularten und Fächern ausrichten. Zudem fordert der Lehrerverband eine Regionalisierung in der Lehrerausbildung und mehr Zulassungen für sächsische Bewerber.

https://slv-gewerkschaft.de/

 


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