Roberto Rink

Bad Schandaus Brücke bröckelt

Bad Schandau. Seit dem 6. November ist eine der Lebensadern der Sächsischen Schweiz durchtrennt. Die Elbbrücke in Bad Schandau wurde gesperrt.

Nach dem schockierenden Einsturz der Carola-brücke vor zwei Monaten, folgte am 7. November die nächste Hiobsbotschaft für eine Brückenkons-
truktion über der Elbe. Die wichtige Bad Schandauer Elbbrücke musste wegen eines neuen Prüfberichtes mit sofortiger Wirkung und bis auf Weiteres gesperrt werden. Laut einer Sonderprüfung der 1977 erbauten Spannbetonbrücke kamen Längsrisse im Unterspannband zum Vorschein, die auf einen potenziellen Schaden an dieser Stelle hindeuten würden. Zudem trete von Rost verfärbtes Wasser aus dem Brückenkörper aus.

Brücke einsturzgefährdet

»Aufgrund der Eigenschaft des eingebauten spannungsgefährdeten Spannstahls und dessen derzeit nicht bekannten Zustandes ist ein spontanes Versagen der Tragkonstruktion ohne vorheriges Ankündigen nicht auszuschließen«, heißt es vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV). Nun ist eine Hauptlebensader der Sächsischen Schweiz durchschnitten, führt über die 292 Meter lange Elbbrücke doch die wichtige Bundesstraße B 172, die Pirna mit Tschechien verbindet. Sie ist zudem die einzige Elbquerung zwischen Pirna und Decín. Für Pkw, Lkw und Busse heißt es jetzt, erhebliche Umwege in Kauf nehmen. Wege zur Arbeit, zur Schule und zu anderen Einrichtungen werden in der Region nun deutlich länger. Auch Fußgänger und Radfahrer dürfen nicht mehr auf die Brücke.

Der linkselbische Bereich von Bad Schandau ist durch die Feuerwache und Rettungsdienste der Stadt nicht mehr erreichbar. Ein Rettungswagen wurde aus Pirna nach Königstein verlegt, um die Hilfsfristen linkselbisch abzusichern. Für die Fahrdienste im Schülerspezialverkehr mussten Fahrzeiten und Alternativrouten abgestimmt werden. Auch der Schiffsverkehr unterhalb und in unmittelbarer Nähe zur Elbbrücke wurde bis auf Weiteres eingestellt. »Die Umleitungen für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie die Gefahr, dass die Region abgehängt werden könnte, sind schlichtweg eine Zumutung«, sagt Landrat Michael Geisler.

Die Brückensperrung ist vom LASuV sehr kurzfristig angeordnet worden. Sie kam zu dieser Entscheidung, nachdem sie nur einen Tag zuvor den Prüfbericht erhalten, einen weiteren Tag vorher eine Kontrollvermessung vorgenommen und vor Ort eine Schadensbegutachtung mit einem weiteren Sachverständigen durchgeführt habe. Die Behörde wolle kein Risiko eingehen und wird die Sperrung mindestens bis zum Jahresende 2024 beibehalten. »Die Vollsperrung muss so lange bestehen bleiben, bis auf Basis von Bauwerks- und Materialuntersuchungen eine ausreichende Standsicherheit des Brückenbauwerkes durch statische Berechnungen mit der gebotenen Sicherheit nachgewiesen werden kann«, erklärte LASuV-Pressesprecherin Corinna Saring. Das LASuV hat bereits Umleitungen ausgeschildert.

Infrastruktur über Jahre vernachlässigt

Die Kreisvorsitzende der Linken, Lisa Thea Steiner, sieht den ländlichen Raum ausbluten: »Die Sperrung der Brücke in Bad Schandau ist ein weiteres dramatisches Beispiel für die verheerenden Folgen der Vernachlässigung unserer Infrastruktur.« Sie fordert ein langfristiges Infrastrukturförderprogramm, für Kommunen wie Bad Schandau.
Thomas Löser, Abgeordneter für die Grünen Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Sächsischen Landtag, fordert: »Es braucht sowohl im Freistaat als auch im Bund dringend ein Notprogramm zur Sanierung der kaputten Brücken.« Weiterhin fordert er, dass dringend eine Auto-Fährverbindung geprüft werden solle.

Der »Regionalverkehr Sächsische Schweiz-Osterzgebirge GmbH« (RVSOE) hat nach einem Gespräch mit Landrat Michael Geisler als erste Maßnahme beschlossen, auf beiden Seiten der Elbe ausreichend Busse vorzuhalten und die Betriebszeiten der Bahnhofsfähre zu verlängern. Weiterhin ist eine zusätzliche Personenfähre eingerichtet worden. »Bereits in dieser Woche soll es zu abschließenden Abstimmungen zur Umleitungsführung zwischen den beteiligten Behörden mit dem LASuV als zuständigen Baulastträger kommen«, sagt Michael Geisler.

Fähren kostenlos

Der RVSOE hat nach Absprache mit dem Landratsamt beschlossen, dass die Nutzung der Fähren in Bad Schandau (also F3 /
F4 Bad Schandau Elbkai – Krippen/Postelwitz und F5 Bad Schandau Elbkai – Nationalparkbahnhof) zum Nulltarif angeboten wird. Die Fähre F3 / F4 verkehrt zusätzlich ab 6 Uhr im Längsverkehr, die Fähre F5 fährt ab sofort im Tagesverkehr alle 15 Minuten auch am Wochenende

Über eine mögliche Einsetzung einer Autofähre heißt es vom RVSOE: »Die Einrichtung einer Autofähre ist aufgrund fehlender Voraussetzungen keine Option und auch nicht vorgesehen«, sagt Sabine Schuricht, Vertriebs- und Marketingleiterin bei der RVSOE. Das LASuV hält die Möglichkeit der Einrichtung einer Autofähre offen: »Welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden können, ist Bestandteil von laufenden Abstimmungen mit allen Beteiligten. Daher ist es noch zu früh für verlässliche Aussagen, zum Beispiel für eine Autofähre oder zum Aufbau einer Pontonbrücke«, so LASuV-Pressesprecherin Corinna Saring. Die Elbbrücke Bad Schandau wurde zwischen 2001 und 2003 grundlegend instandgesetzt und der Überbau verbreitert.

Gleicher Spannstahl wie Carolabrücke

Wie bei der Carolabrücke in Dresden wurde auch in Bad Schandau spannungsrisskorrosionsgefährdeter Hennigsdorfer Spannstahl verbaut, der unter bestimmten mechanischen und chemischen Voraussetzungen zu spontanem Versagen neigt. Jedoch würden sich die statischen Systeme beider Brücken grundlegend unterscheiden. Zuletzt wurde die Schandauer Brücke 2023 turnusmäßig untersucht. Vor einem Jahr erhielt sie die Note 2,5 (befriedigend). Bei der aktuellen Sonderprüfung ist allerdings eine Schadenserweiterung am Unterspannband festgestellt worden. Dazu gehört die Erweiterung der Längsrisse im Unterspannband und das Auftreten zusätzlicher und vorher nicht dokumentierter Querrisse im Spannband. Eine Höhenvermessung des Überbaus hat zudem eine deutliche Senkung des Stromfeldes ergeben.

»Wie alle anderen Brücken wurde auch die Elbbrücke Bad Schandau in regelmäßigen Intervallen untersucht. Die letzte regelmäßige Prüfung fand 2023 statt und hat keine auffälligen Ergebnisse mit dem damaligen Kenntnisstand geliefert. Die weitergehenden Untersuchungen des Unterspannbandes sind beauftragt und sollen in diesem Monat beginnen«, heißt es vom LASuV. Erst danach werden wir erfahren, wie es mit der Bad Schandauer Elbbrücke weitergeht.


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